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Nr.1/2020, S.10a

... wir berichteten

Essen: Streit um Handlungskonzept für Demokratie und Vielfalt Leseempfehlung: München: Stadt und Land begegnen sich – in der Landschaft

Essen: Streit um Handlungskonzept für Demokratie und Vielfalt

Thorsten Jannoff . In der Ausgabe der PB 11/19 berichteten wir in dem Beitrag „Bürgerwehren machen mobil – Die Steeler Jungs in Essen“ über das Vorhaben der Ratsfraktion Die Linke, einen Ratsantrag für ein Handlungskonzept gegen die extreme Rechte auf den Weg zu bringen. Dementsprechend ist die Fraktion mit einem Antragsvorschlag an die anderen Fraktionen herangetreten. Daraus wurde dann der gemeinsame Antrag „Handlungskonzept für Demokratie und Vielfalt in Essen“* der Fraktionen von SPD/CDU/Grüne/FDP/Linke/Essener Bürgerbündnis (EBB)/Tierschutz-Sozial-Liberales-Bündnis (TS-SLB), der im Dezember gegen die Stimme der NPD verabschiedet worden ist.

Darin wird die Verwaltung u.a. gebeten, einen Fahrplan zu erstellen, wie die unterschiedlichen Aktivitäten der Stadt Essen gegen Extremismus, Rassismus und Antisemitismus in Essen besser verzahnt und unter Mitwirkung der Polizei und der unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Initiativen zu einem Handlungskonzept für Demokratie und Vielfalt weiterentwickelt werden können.

Zwar war der ursprüngliche Antragsvorschlag der Ratsfraktion Die Linke in vielen Punkten konkreter, insbesondere was die Mitwirkung der Zivilgesellschaft betrifft. Aber auch den antifaschistischen Initiativen wie „Steele bleibt bunt“ oder „Essen stellt sich quer“ war es wichtig, dass mit einer großen Ratsmehrheit überhaupt etwas auf gesamtstädtischer Ebene auf den Weg gebracht wurde. Es ist ein Anfang, eine Strategie gegen die Angriffe auf das friedliche Zusammenleben und für eine demokratische Kultur für die Gesamtstadt Essen zu erarbeiten. Leider wurde dieses positive Signal durch eine unsägliche Ratsdebatte entwertet, in der Ratsvertreter aus der CDU, des EBB-FW und der FDP, Links und Rechts gleichsetzten, den Rechtsextremismus verharmlosten und von der sich verschärfenden Problemlage in Essen ablenkten. Denn bei den sog. „Steeler Jungs“ gibt es offensichtlich einen Strategiewechsel. So stellt „Essen stellt sich quer“ fest: „Die „Steeler Jungs“ radikalisieren sich immer weiter. Teile von ihnen proben derzeit die Taktik autonomer Nationalisten, sich hip und anschlussfähig zu geben, um neues Personal zu finden und an sich zu binden. Dabei bedienen sie sich Aktionsformen der rechtsradikalen Identitären Bewegung und greifen auf Material, Hilfe und Unterstützung von organisierten Nazi-Parteien zurück. Dass sich die ansonsten mühevoll bieder gebenden „Steeler Jungs“ nun auch klar rechtsradikal politisch betätigen, ist ein neuer Schritt. Ein Schritt der für Besorgnis sorgt, da dieser Schritt der nächste auf der Eskalationsspirale ist: Offenbar arbeiten Teile der „Steeler Jungs“ gerade daran, Untergrundstrukturen zu bilden.“ Im Dezember wurde ein stadtbekannter Antifaschist überfallen und zusammengeschlagen, im Januar gab es eine rechtsradikale Aktion gegen das Büro von „Essen stellt sich quer“. Andere Personen berichten von ähnlichen Einschüchterungsversuchen.

Vor diesem Hintergrund war der Ratsbeschluss wichtig, um Druck zu machen, die städtischen Institutionen stärker im Kampf gegen Rechts einzubinden und einen demokratischen Grundkonsens herzustellen. Die Debatte im Rat hat allerdings gezeigt, wie brüchig dieser Konsens ist.

* https://www.linksfraktion-essen.de/

Abb. (PDF): Logo. Essen stellt sich quer