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ARCHIV

Nr.1/2020, S.32

Neu erschienen:

Edda Lechner: „Jesus – Marx – und ich

Wege im Wandel – Eine Achtundsechzigerin in der Kirche“

Die dem Leserkreis der „Politischen Berichte“ bekannte Autorin Edda Lechner hat im Januar dieses Jahres ein Buch herausgegeben, in dem sie darstellt, welche bedeutende Rolle die Achtundsechziger-Bewegung auch in der Kirche gespielt hat. Sie berichtet von ihrem eigenen „Fall“ als Pastorin – damals Edda Groth – der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Schleswig-Holstein. Als erste Frau war sie 1967 – nach einem gerade verabschiedeten Kirchengesetz – für dieses Amt ordiniert worden. In den frühen Nachkriegsjahren unter Bauern und Flüchtlingen in dem kleinen Dorf Rederstall in Dithmarschen aufgewachsen, wurde sie entgegen dem dort üblichen kirchlichen Verhalten fromm und sozial aktiv. Ab 1959 studierte sie eifrig Theologie an verschiedenen Hochschulen und Universitäten und in der folgenden kirchlichen Ausbildung, dem Vikariat, lernte sie erstmalig neue pädagogische Theorien – z.B. die „antiautoritären Erziehung“ – und soziologische und psychologische Vorstellungen vom Umgang mit den Menschen kennen. Als sie 1967 ihr Amt in der Simeon-Kirche in Hamburg-Bramfeld antrat, traf sie bei Kindern, Jugendlichen und deren Eltern auf offene Ohren für eine in diesem Sinne veränderte christliche Erziehung.

1969 fand unter dem Motto „Hunger nach Gerechtigkeit“ in Stuttgart der Evangelische Kirchentag statt, der von der studentischen Bewegung der Achtundsechziger geprägt war. Sie nahm mit den Jugendlichen ihrer Gemeinde daran teil und fügte nun ihrem kirchlich-sozialen Engagement eine entscheidende politische Komponente hinzu. Mit wiederum großer Unterstützung der Gemeinde begann sie einen Kampf um mehr Demokratie in der Kirche, um die Gründung von kirchenrechtlich nicht vorgesehenen Jugend- und Gemeinde-Räten, die Unterstützung neuer sozialer Bewegungen und eine in Form und Inhalt veränderte Gottesdienst- und Predigtweise, wie z.B. gegen den Krieg in Vietnam oder über die Ausbildungssituation von Lehrlingen.

Spannend schildert sie an Hand von Dokumenten und Erlebnisberichten, versehen mit reichem Fotomaterial, den Verlauf dieser Auseinandersetzungen und in welcher oft unfairen Weise und mit allen juristischen Tricks die etablierte Kirche im Kirchenvorstand und in der Kirchenleitung durch Pröpste und Bischöfe mit ihr umsprangen.

So erging es im Übrigen auch vielen ihrer fortschrittlichen KollegInnen und kirchlichen MitarbeiterInnen, von denen sie ebenfalls zu berichten weiß. Vor allem die deutlichen Angriffe in ihren Predigten gegen das kapitalistische System mit seinen unsozialen Folgen und die Propagierung eines alternativen Systems im Sozialismus erregten den Widerstand der etablierten und staatstreuen Kirche, die von einem noch unmittelbar aus der Nazi-Zeit geprägten Führungspersonal repräsentiert war.

Durch eigene Publikationen (schon damals!), durch Predigtnachdrucke, Broschüren und Flugblätter informierte sie stets die breite Öffentlichkeit der Gemeinde und unterrichtete darüber hinaus auch die Presse von ihren Vorstellungen. Bereits damals kirchenskeptische Zeitungen und das Fernsehen griffen dies in ihrer Berichterstattung gerne auf und sorgten so für eine willkommene mediale Verbreitung. 1974 erklärte Edda Groth provokativ in ihrer Konfirmations-Predigt, „dass Mao mit allem, was er für das chinesische Volk getan habe, Gott näher stehe als alle Päpste und Bischöfe der letzten 1000 Jahre“. Kurz danach gab sie einen „Offenen Brief zur Frage der Zusammenarbeit mit Kommunisten“ heraus. Dabei nannte sie positiv das Programm des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) und entfachte damit eine langanhaltende Debatte, weniger über dessen demokratische Forderungen als über die Frage der Berechtigung von politischer Gewalt in Staat und Gesellschaft. Sie wurde, ohne dass der Bischof sich je zu einer von ihr und ihren Unterstützerinnen geforderten öffentlichen Debatte herabgelassen hätte, noch im selben Jahr suspendiert. Daraufhin trat sie aus der Kirche aus, weil sie zu der Erkenntnis gekommen war, „dass uns kein höh’res Wesen rettet, sondern wir uns aus dem Elend nur selber erlösen können“.

Nach dem Verlassen der Kirche musste Edda Groth unter den schwierigen Bedingungen des Berufsverbotes – die gleichermaßen von Staat, Kirche und Gewerkschaft durchgezogen wurden – neue Jobs finden und sich wiederholt gegen die von den Firmen an ihr verübten Repressalien wehren – auch durch langandauernde juristische Prozesse. Ihre sozialistische Politik setzte sie in verschiedenen Parteien, so dem KBW und BWK, fort und baute ab 1990 in Norderstedt und Kiel die PDS und die Linke auf. Sie war in verschiedenen alternativen Bewegungen aktiv, so gegen den § 218, gegen das AKW Brokdorf, den Jugoslawienkrieg, gegen die Apartheid und koloniale Unterdrückung im Süden Afrikas. Zwei Zeitungen, die „Nadelstiche“ in der Norderstedter Kommune und die Parteizeitung „Info Die Linke“ hat sie 18 bzw. 12 Jahre federführend herausgegeben. Auch davon ist auf den 420 Seiten des Buches die Rede.

Edda Lechner sieht die eigene wie auch allgemeine durch die Achtundsechziger-Bewegung hervorgerufene politische Veränderung in unserer Gesellschaft als einen Erfolg an. In zahlreichen „Exkursen“ reflektiert sie immer wieder darüber, welche geistigen und geistlichen Vorbilder ihr jeweiliges Denken und Handeln beeinflusst und verändert haben: ob Jesus oder Marx, Albert Schweitzer oder Ernst Bloch, Martin Luther oder Mao Tse Tung. Dazu schreibt sie: „Es kommt mir in dem provokativen -----Vergleich von Jesus, Marx und mir darauf an, wie sehr ich im Laufe meines Lebens von der lesenden Bauerntochter bis zur gegenwärtigen politischen Schriftstellerin stets durch neue Ideen einen sozialen und politischen Wandel vollzogen und die jeweils dazugehörige Praxis gelebt habe.“

Abb. (PDF): Cover. Das Buch „Jesus – Marx – und ich“ ist in der Reihe „Forum Religionskritik“, mit 420 Seiten, unter ISBN 978-3-643-14197-2, beim LIT-Verlag in Münster erschienen. E-Mail: vertrieb@lit-verlag.de — https://www.lit-verlag.de

Es ist in jeder Buchhandlung für 34,90 € erhältlich oder kann bei der Autorin bestellt werden, E-Mail: edda.lechner@wtnet.de

Einen ersten Eindruck können Interessierte sich verschaffen bei:

https://books.google.de/books/about/Jesus_Marx_und_ich_Wege_im_Wandel%20Eine_A.html?id=AuTJDwAAQBAJ&redir_esc=y

Abb. (PDF): Edda Lechner hält Mai 1986 eine Rede vor dem AKW in Brokdorf