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ARCHIV

Nr.2/2020, S.08

Aktionen – Initiativen

Thema: HANDICAP – Dok: Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

01 Geflüchtete Menschen mit Behinderung vor Corona schützen – Infektionsrisiken senken - Ein Appell von Handicap International e.V

Mehr Übersetzungen in Gebärdensprache

03 Offener Brief: Coronavirus zwingt zum Handeln zum Schutz von Geflüchtete

04 Menschenleben schützen! –Massenunterkünfte auflösen! – Wohnungen statt Lager!

05 Wirtschaftliche Auswirkungen der Covid-19-Krise treffen Beschäftigte in Produktionsländern fatal

06 Ohnehin überlastete Beschäftigte werden wie Zitronen ausgequetscht

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Geflüchtete Menschen mit Behinderung vor Corona schützen – Infektionsrisiken senken - Ein Appell von Handicap International e.V. an die Ministerpräsident/-innen der Bundesländer

Berlin. Menschen mit Behinderung droht bei einer Infektion mit dem Virus Sars-CoV-2 in vielen Fällen ein lebensbedrohlicher Krankheitsverlauf. Geflüchtete Menschen mit Behinderung sind aufgrund ihrer Unterbringung in Sammelunterkünften besonders gefährdet, sich zu infizieren. Um ihr Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit bestmöglich zu wahren, müssen Politik und Verwaltung handeln. Wir appellieren an die Ministerpräsident/- innen der Länder:

• Um geflüchtete Menschen mit Behinderung und alle weiteren zur „Corona- Risikogruppe“ zählenden geflüchteten Personen zu schützen, müssen diese zusammen mit ihren Angehörigen aus Sammelunterkünften in dezentrale Unterkünfte verlegt werden.

• Geflüchteten Menschen mit Behinderung muss in der Corona-Krise uneingeschränkter Zugang zu sozialen und medizinischen Leistungen gewährt werden, um ihnen weitere Unsicherheiten und Belastungen zu ersparen und krisenbedingte Zugangsbarrieren abzubauen.

• Während der Corona-Krise dürfen keine Leistungskürzungen erfolgen. Negative Asylbescheide müssen bis zum Sommer ausgesetzt werden.

Bei Menschen mit Behinderung verläuft eine Erkrankung an Covid-19 oft sehr schwer. Viele Behinderungen gehen mit Risikofaktoren wie einer eingeschränkten Herz- und/oder Lungenfunktion, einem schwachen Immunsystem oder Muskelbeschwerden einher. So besitzen zum Beispiel Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ein vergleichsweise geringes Lungenvolumen. Wer unterhalb der Halswirbelsäule gelähmt ist, kann nur schwer abhusten.

Viele Menschen mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) sind aufgrund eines schwächeren Immunsystems Infektionen gegenüber weniger widerstandsfähig. Auch chronisch Erkrankte haben in den meisten Fällen ein erhöhtes Risiko für einen gefährlichen Covid-19-Krankheitsverlauf.

https://handicap-international.de/de/neuigkeiten/risikogruppen-evakuieren

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Mehr Übersetzungen in Gebärdensprache

Essen. In NRW benutzen ca. 12 000 gehörlose Menschen in der Regel die Deutsche Gebärdensprache (DGS). Die DGS wurde auf der Bundesebene 2002 mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) als eigenständige Sprache anerkannt. Des Weiteren hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in 2009 ratifiziert … Menschen mit Gehörlosigkeit und anderen Hörbehinderungen stoßen in der Vergangenheit bei den Informationen zum Coronavirus und zur aktuellen Lage fast überall auf Barrieren. Sämtliche Informationen über Ansteckung, Verbreitung und Sicherheitsmaßnahmen gab es zunächst nur in deutscher Schrift- oder Lautsprache. Es wurden kaum Informationen in Deutscher Gebärdensprache zur Verfügung gestellt. Dagegen sind andere Länder wie Österreich, Italien oder Finnland längst vorangekommen und setzen sich dafür ein, dass gehörlose Menschen auf Informationsweitergabe in Gebärdensprache angewiesen sind und gehen mit gutem Beispiel voran. In diesen Ländern ist es auch zum Beispiel längst selbstverständlich, dass bei allen wichtigen Meldungen auch Dolmetscher*innen für jeweilige Landessprache und Gebärdensprache fest eingeblendet werden bzw. das vor Ort Präsenzdolmetscher*innen für jeweilige Landessprache und Gebärdensprache live übersetzen, so dass auch gehörlose Menschen diese Informationen vollständig verstehen können. Im Laufe der Corona-Krise wurden viele gehörlose Menschen aktiv und protestierten gegen diese Hindernisse im Zugang zu Informationen über Corona-Virus …

Gerade im Hinblick auf Gehörlose ohne Zugang zum Internet müssen wir feststellen, dass nicht alle gehörlose NRW-Bürger Zugang zu den verdolmetschten Presseerklärungen erhalten. Dazu gehören unter anderem Taubblinde sowie gehörlose Senior*innen. Denn viele gehörlose Senior*innen nutzen weder HbbTV (Hybrid broadcast broadband TV) noch Internet. Sie sind nämlich überfordert mit der neuen Technologie – auch allgemein. Aber sie gehören zur Risikogruppe! Sie brauchen den gleichberechtigten Zugang zu Informationen mit Gebärdensprache und Untertiteln in Echtzeit. Sie gehören wirklich zu den Menschen in letzter Reihe.

Der Landesverband der Gehörlosen und Gebärdensprachgemeinschaft NRW e. V. schließt sich somit neben seinen eigenen Forderungen den in der Petition beschriebenen Forderungen an, die von der NRW-Landesregierung umgehend umgesetzt werden müssen:

• Erklärungen und Pressekonferenzen der NRW-Landesregierung und des Landtags mit durchgehender Live-Verdolmetschung in Deutscher Gebärdensprache mittels Präsenzdolmetscher*innen für Deutsch und Deutsche Gebärdensprache im Fernsehen.

• Einsatz von fest eingeblendete Gebärdensprachdolmetscher-Einblendung und parallel dazu laufender Untertitelung.

• Gebärdensprachdolmetscher-Einblendungen zum Corona-Virus im Fernsehen sowie Internet (beispielsweise Zusatzsendungen).

• Tagesaktuelle Informationen zu Corona-Virus mit Gebärdensprache bzw. Übersetzung von schriftlichen Inhalten in Form von Gebärdensprachvideos (bspw. den Podcast des NDR mit dem Virologen Prof. Dr. Drosten). http://www.glnrw.de

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Offener Brief: Coronavirus zwingt zum Handeln zum Schutz von Geflüchteten

Berlin. Aufgrund des Coronavirus Sars-CoV-2 spitzt sich die Situation von Geflüchteten in Europa immer weiter zu. Die Schutzmaßnahmen, die allen anderen Menschen zuteilwerden, müssen ebenso auch für Geflüchtete gelten. Wir haben daher zusammen mit weiteren Organisationen mehrere Forderungen in einem offenen Brief an die Bundesregierung und die zuständigen Ministerien formuliert:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wegen des Coronavirus Sars-CoV-2 spitzt sich die Situation von Geflüchteten in Europa immer weiter zu. Die Schutzmaßnahmen, die allen anderen Menschen zuteilwerden, müssen ebenso auch für Geflüchtete gelten. Aus diesem Grund erscheint es uns notwendig, folgenden Appell an Sie zu richten:

1) Abschiebungen aus den Kommunen und aus den Landeseinrichtungen müssen ausgesetzt werden. Abschiebehaft aufheben!

Nicht nur aus gesundheitlichen Gründen sind Abschiebungen momentan unverantwortlich. Auch weil das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt ist, könnten die Betroffenen keinen effektiven Schutz bei Anwält*innen, Beratungsstellen oder anderen Einrichtungen erhalten. Alle Abschiebungen sind daher bis auf weiteres auszusetzen. Die Verhängung von jeglicher Abschiebungshaft ist somit natürlich unverzüglich zu beenden, die Inhaftierten zu entlassen, um Menschenansammlungen auf geringem Raum zu vermeiden.

2) Die griechischen Elendslager müssen sofort evakuiert werden!

Die drohende Corona-Gefahr und der fürchterliche Brand in einem Lager in Moria, bei dem mindestens ein sechsjähriges Kind ums Leben gekommen ist, zeigen einmal mehr, dass diese Lager so schnell wie möglich geschlossen werden müssen! Über 40 000 Menschen leben unter erbärmlichen Zuständen in den Lagern, davon über zehntausend Minderjährige. Die Menschen im Niemandsland der türkisch-griechischen Grenze müssen zudem schnellstens in Sicherheit gebracht werden. Griechenland muss seinen von den europäischen Staaten bisher mitgetragenen systematischen Rechtsbruch beenden. Die Bundesregierung und die EU müssen dies massiv einfordern und durch die Verteilung der Menschen an sichere Orte unterstützen, statt Gewalt und Rechtsbruch durch einen Mitgliedsstaat stillschweigend zu dulden oder sogar ausdrücklich zu begrüßen!

3) Die Menschen in den Sammelunterkünften der Länder müssen sofort kommunal zugewiesen werden!

In den Lagern der Bundesländer leben jeweils mehrere hundert Menschen mit eingeschränkter medizinischer Versorgung, ohne Rückzugsmöglichkeit und unter schlechten hygienischen Rahmenbedingungen. Diese Lager verhindern nicht nur gesellschaftliche Teilhabe, sondern widersprechen auch allen Empfehlungen, die die Expert*innen zur Corona-Prävention geben. Die Landeseinrichtungen müssen geschlossen und die Menschen in den Kommunen in Wohnungen oder vernünftigen Unterkünften untergebracht werden.

Wir bitten Sie diese Forderungen ernst zu nehmen und in dieser angespannten Situation im Sinne eines Menschenrechtsschutzes aller zu handeln.

Unterzeichnende Organisationen: PRO ASYL, medico international e.V., Komitee für Grundrechte und Demokratie. Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche. matteo – Kirche und Asyl, Ökumenisches Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW e.V., Flüchtlingsrat NRW. GGUA Flüchtlingshilfe, Institut für Theologie und Politik, https://www.grundrechtekomitee.de/details/offener-brief-coronavirus-zwingt-zum-handeln-zum-schutz-von-gefluechteten

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Menschenleben schützen! –Massenunterkünfte auflösen! – Wohnungen statt Lager!

Berlin. Während zahlreiche Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung zum Schutz vor dem Coronavirus verordnet werden, leben Zehntausende Menschen in Berlin in Geflüchteten-, Wohnungslosen- und Obdachlosenunterkünften, auf engstem Raum in Mehrbettzimmern, mit Gemeinschaftsbädern und/oder Gemeinschaftsküchen: Mindestens 30 000 Wohnungslose wurden von den Bezirksämtern nach dem ASOG in prekäre Unterkünfte oft ohne jede Sozialbetreuung und Qualitätsstandards eingewiesen, weitere 20 000 leben in Sammelunterkünften des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten LAF mit bis zu 500 Bewohnern. Kontakt- und Abstandsverbote einzuhalten ist in dieser Situation unmöglich. Hinzu kommen mehrere tausend obdachlos auf der Straße lebende Menschen, die sich so gut wie gar nicht vor dem Virus schützen können. Auf der anderen Seite stehen derzeit fast alle 150 000 Betten in den 800 Hotels und Beherbergungsbetrieben in Berlin leer, hinzu kommen zahlreiche Ferienwohnungen sowie monatsweise vermietete möblierte „Businessappartements“. Wir fordern die umgehende Unterbringung aller Wohnungs- und Obdachlosen in Wohnungen und Ferien- oder Businessappartements und die Auflösung von Massenunterkünften, in denen der Infektionsschutz nicht umsetzbar ist.

Gemeinsame Pressemitteilung von We’ll Come United Berlin und Brandenburg, AK Wohnungsnot, Unter Druck e.V., Women in Exile, Selbstvertretung wohnungsloser Menschen / Wohnungslosentreffen, Wohnungslosenparlament, Bündnis solidarische Stadt, Flüchtlingsrat Berlin e.V., https://fluechtlingsrat-berlin.de/presseerklaerung/07-04-2020-menschenleben-schuetzen-massenunterkuenfte-aufloesen-wohnungen-statt-lager/

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Wirtschaftliche Auswirkungen der Covid-19-Krise treffen Beschäftigte in Produktionsländern fatal

Bielefeld. Die Covid-19-Krise trifft alle Akteure der textilen Lieferkette. Allerdings trifft sie die Schwächsten besonders hart. Modemarken und Einzelhandelsunternehmen müssen durch den Stillstand des öffentlichen Lebens hierzulande eklatante Umsatzeinbußen hinnehmen. Der wirtschaftliche Druck wird aber weitergegeben: Aufträge an Zuliefererfirmen in Bangladesch oder Kambodscha werden storniert und bereits fertiggestellte Ware nicht mehr abgenommen oder bezahlt. Die Zulieferer entlassen deshalb die ohnehin schlecht bezahlten Arbeiter*innen oder schließen vollständig. Für Arbeiter*innen verbindet sich dann das vor Ort wachsende Risiko einer Covid-19-Infektion bei schlechter Gesundheitsversorgung mit extremer wirtschaftlicher Not durch fehlenden Lohn.

„Jetzt ist die Zeit, wo sich das Bündnis für nachhaltige Textilien bewähren muss. Es muss auf eine solche Situation mit einer solidarischen Haltung gegenüber den Zulieferern und deren Beschäftigten reagieren,“ fordert Gisela Burckhardt von Femnet. „Die Beschäftigten in den Produktionsländern brauchen jetzt Unterstützung durch einen staatlich gestützten Hilfsfonds, zu dessen Umsetzung die Bündnismitglieder je nach Möglichkeit beitragen sollten. Unternehmen können dabei in vielfältiger Weise Verantwortung übernehmen. Der Erhalt der Lieferkette liegt zudem in ihrem eigenen Interesse.“

„Unternehmensverantwortung für die Lieferkette pausiert nicht in Krisenzeiten,“ betont Sabine Ferenschild vom Südwind-Institut. „Unternehmen, die ihren Zulieferern zusagen, bereits fertiggestellte Ware abzunehmen und Kosten für bereits begonnene Aufträge mit zu zahlen, übernehmen Verantwortung. Ein kooperativer Umgang mit Zulieferern hilft den Geschäftspartner*innen, über die Krise zu kommen und kann dazu beitragen, Lohnausfälle für Beschäftigte zu vermeiden. Für Unternehmen sollte dies entsprechend der Empfehlungen des Textilbündnisses jetzt handlungsleitend sein.“

https://saubere-kleidung.de

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Ohnehin überlastete Beschäftigte werden wie Zitronen ausgequetscht

Berlin. „Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die ihre Gesundheit schon jetzt täglich für uns alle riskieren … Offensichtlich ist es der Bundesregierung wichtiger, den Arbeitgebern vorgezogene Ostereier ins Nest zu legen, als sich um den Schutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu kümmern“, kommentiert Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke, die von Arbeitsminister Heil unterzeichnete Verordnung, welche Arbeitstage bis 12 Stunden zulässt, Ruhezeiten verringert und das grundsätzliche Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen aufhebt. Ferschl weiter:

„Damit stellt der Arbeitsminister die Gewerkschaften kalt. Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz waren bisher immer nur durch Tarifverträge möglich. Hier bereitet ein SPD-Arbeitsminister den generellen Angriff auf das Arbeitszeitgesetz mit vor und macht sich damit – gewollt oder ungewollt – zum Steigbügelhalter der Wirtschaft. Auch in einer Notlage, die durch die Sparpolitik und Privatisierungen verschlimmert wurde, dürfen die arbeitsmedizinisch zwingend notwendigen Grenzen der Arbeitszeitgestaltung nicht aufgehoben werden. Die Last der Bewältigung darf nicht einseitig auf die Beschäftigten übertragen werden.“

https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/ohnehin-ueberlastete-beschaeftigte-werden-wie-zitronen-ausgequetscht/

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Abb. (PDF): Mehr Personal ind Pflege und Gesundheit