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Nr.2/2020, S.17

Gewerkschaften / Soziale Bewegungen

Anhebung des Kurzarbeitergelds: Petitionen, Tarifverträge

Rüdiger Lötzer, Berlin

17. März: Corona-Tarifvertrag: McDonalds und Co stocken Kurzarbeitergeld auf

Die Entgelte werden über das normale Kurzarbeitergeld hinaus auf 90 Prozent des alten Nettoeinkommens aufgestockt, zudem verzichten die Unternehmen auf betriebsbedingte Kündigungen, wie der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) am Dienstag mitteilten. Geregelt wird das in einer Zusatzvereinbarung zum erst kürzlich geschlossenen Tarifvertrag für die rund 120 000 Beschäftigten der Systemgastronomie-Branche. Bei dem hatten sich die Beteiligten Anfang März darauf geeinigt, dass die Löhne bis 2023 auf mindestens 12 Euro pro Stunde steigen sollen.

Gastronomie-Beschäftigte leiden besonders

Doch dann kam das Coronavirus – und damit die Angst, die in der Gastronomie generell umgeht. Zwar kommt bei betroffenen Betrieben Kurzarbeit in Frage. Doch die sogenannte Entgeltersatzleistung bringt Einkommensverluste von bis zu 40 Prozent mit sich. Für die in der Gastronomie häufig anzutreffenden Geringverdiener eine Belastung. „Vom Kurzarbeitergeld allein können Restaurant- und Hotelfachleute oder Köchinnen mit einem Einkommen von durchschnittlich 2 000 Euro brutto nicht leben“, hatte die NGG noch am Montag gewarnt.

Auch Arbeitgeber zufrieden

Die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie treffen die Systemgastronomie hart: „Zurückgehende Gästezahlen, Umsatzeinbußen und Einschränkungen des öffentlichen Lebens stellen eine Belastungsprobe für die Branche“ dar, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung von Verband und Gewerkschaft. „Die Sozialpartner haben mit der heute vereinbarten Ergänzung zur Kurzarbeit einen extrem wichtigen Schritt zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen, ausgelöst durch die ‚Corona-Krise‘, unternommen“, betonte die BdS-Hauptgeschäftsführerin Andrea Belegante. (RND, 17.3.20)

Fast zeitgleich startet Verdi eine Petition, die von 258 000 Menschen unterstützt wurde und seit dem 18. März Bundestag und Bundesregierung vorliegt:

„Miete zahlen trotz Corona! – 90% Kurzarbeit (KuG) jetzt!

Diese Woche entscheidet die Bundesregierung, inklusive Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und dem Parlament voraussichtlich darüber, ob das Kurzarbeitergeld (KuG) auf 90 Prozent der letzten Nettoverdienste aufgestockt wird oder nicht! 90 Prozent KuG würde Familien und Alleinstehende entlasten! Wir brauchen diesen Schutz! Tausende Menschen sehen gerade, als Folge der Corona-Krise, ihre wirtschaftliche Existenz bedroht. Mietzahlungen, Kreditzahlungen oder auch die normalen laufenden Kosten sind für viele Menschen mit dem aktuellen Kurzarbeitergeld (KuG) nicht oder nur schwer zu leisten! 60 bzw. 67 Prozent KuG reichen nicht!

Beispiele gefällig?

• Flugbegleiter*in bei einer Lowcost-Airline, die oder der nicht mehr fliegen kann und im Raum Frankfurt wohnt und nur noch 700 Euro KuG bekommt. Miete und Leben? – unmöglich

• Leiharbeiter*in mit Kind (Steuerklasse II) am Flughafen… Keine Flugzeuge = Kurzarbeit. Vorher brutto 1650 Euro (1223,73 netto) Kurzarbeitergeld = 819,75. Mit 90 Prozent Kurzarbeitergeld wären es 1101,35 Euro netto

• Servicemitarbeiter*in ohne Kind in der Hotel- bzw. Gastronomie (Steuerklasse I) Keine Gäste / Schließungen somit Kurzarbeit: Vorher brutto (ohne Trinkgeld) 2000 Euro (=netto 1415,51 Euro) jetzt in Kurzarbeit für: 849,97 Euro. Mit 90 Prozent Kurzarbeitergeld wären es 1273,95 Euro netto.

Drei Beispiele, aber es gibt noch viele, viele weitere! Jede*r leistet seinen oder ihren Beitrag in der Krise. Und wir sagen Danke an alle die, die uns versorgen – egal ob in der Pflege, dem Handel oder Fahrpersonal im ÖPNV! Auch wer nicht arbeiten kann oder darf muss geschützt werden!“ In den folgenden Tagen schließen IG Metall, Verdi und andere Gewerkschaften mehrere Tarifverträge ab, die eine Anhebung des Kurzarbeitergelds zur Folge haben. Hier Beispiele:

– Am 20. März schließt die IG Metall einen Tarifvertrag mit dem Mitteldeutschen Kfz-Handwerk ab, der einen Zuschuss der Arbeitgeber in allen tarifgebundenen Betrieben auf 80% des Nettoentgelts für alle von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer vorsieht.

– Am 30. März vereinbart die IG Metall für den Tarifbereich „Textile Dienste“ (das sind Wäschereien etc.) eine Anhebung des Kurzarbeitergelds auf 80%. Als Gegenleistung wird die Ende Februar vereinbarte tarifliche Entgelterhöhung um 12 Monate auf 2021 verschoben. 2021 kommt zusätzlich eine Absenkung der tariflichen Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden.

– Am 1. April schließen Verdi und DBB mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) einen „Covid-19-Tarifvertrag“ für die Beschäftigten bei den Kommunen und kommunalen Unternehmen (Museen, Theater, Nahverkehr, Versorgung, Bäder usw.) ab. Dadurch wird für Beschäftigte der EG 10 das Kurzarbeitergeld auf 95% des Nettoentgelts angehoben, für alle anderen Beschäftigten auf mindestens 90%.

Zusätzlich ruft die IG Metall ihre Betriebsräte zu Briefen an die Bundestagsabgeordneten auf, in denen eine Anhebung des KUG verlangt wird, und schaltet Anzeigen in Zeitungen. Der DGB startet eine Infokampagne für eine Anhebung des KUG auf 80%, verbunden mit Beispielen, was 60% vom Netto für Floristinnen, Friseurinnen, Verkäuferinnen usw. bedeutet.

Anfang April verkündet Bundesarbeitsminister Heil, er wolle mit Gewerkschaften und Arbeitgebern über eine Anhebung des Kurzarbeitergelds sprechen. Die Arbeitgeber antworten, ihnen sei kein Gesprächstermin mit dem Minister bekannt. Zu diesem Zeitpunkt haben 650 000 Betriebe Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit beantragt, die Agentur selbst vermeldet, sie habe 26 Milliarden Euro Reserven. Seitdem ist Schweigen im Walde …