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ARCHIV

Nr.2/2020, S.26

Ankündigungen / Diskussion / Dokumentation

Rechercheprojekt {Mittlerer Osten} – Zur Begründung:

Ulli Jäckel, Hamburg

Seit dem Zerfall des Osmanischen Reiches ist der „Mittlere Osten“, der nach internationalem Sprachgebrauch auch das einbezieht, was hierzulande „Naher Osten“ genannt wird, eine intensiv umkämpfte Region. Standen zunächst die europäischen Groß- und Kolonialmächte im Vordergrund des Kampfes um politische Vorherrschaft und Zugriff auf die Ressourcen, die in der Region konzentriert sind, so geriet sie nach dem Zweiten Weltkrieg in das Spannungsfeld des „kalten Krieges“, des Hegemonialkampfes zwischen den USA als Führungsmacht des kapitalistischen Westens und der Sowjetunion, die das „sozialistische Lager“ anführte.

Im Schatten dieser globalen Konkurrenz konnten verschiedene Staaten der Region eine relative Unabhängigkeit erringen, die sich am politisch am deutlichsten in ihrer Mitgliedschaft in der Blockfreienbewegung, ökonomisch u.a. in der OPEC ausdrückte. Die iranische Revolution von 1979 richtete sich ebenfalls gegen die Abhängigkeit vom Westen, vor allem den USA. Eine Sonderrolle spielt die Türkei, die zwar früh (1923) ihre staatliche Unabhängigkeit erlangte, deren kemalistische, vom Militär dominierte Eliten aber nach dem Zweiten Weltkrieg unter den Einfluss der USA gerieten und der Nato beitraten.

Seit den achtziger Jahren – also seit dem Beginn des in den Politischen Berichten reflektierten Zeitraums – ist eine zunehmende Verschärfung der Widersprüche in der Region zu verzeichnen. Hintergrund ist auch die wachsende Bedeutung des Rohstoffs Öl für die kapitalistische Wirtschaft. Dafür stehen der 1. Golfkrieg zwischen Irak und Iran, der zunehmende aggressive Expansionismus Israels gegenüber Syrien und dem Libanon, aber auch die Militärdiktatur in der Türkei als Antwort der kemalistischen Militärelite auf die zunehmenden Kämpfe der Arbeiter, Studenten und des kurdischen Befreiungskampfes. Gleichzeitig verstrickte sich die Sowjetunion in einen fatalen Krieg zur Verteidigung des Amin-Regimes in Afghanistan. Seit der Auflösung des sozialistischen Lagers und der Sowjetunion erleben wir, wie die westlichen, in der Nato verbündeten Mächte mit wachsender Aggressivität (Afghanistan-Krieg, Irak-Kriege, Libyen-Krieg, Anheizen des syrischen Bürgerkrieges) die Zerstörung der Staaten und politischen Kräfte betreiben, die der ungehemmten Entfaltung westlicher Wirtschaftsexpansion hinderlich sind.

Unter dem Vorwand des Kriegs gegen den Terror werden in diesem Zuge zugleich völkerrechtliche Schranken für die Kriegführung je nach Interessenlage niedergerissen. Seit den neunziger Jahren versucht auch die Bundesrepublik, gestärkt durch die Einverleibung der DDR und die Wiedergewinnung wirtschaftlichen Hinterlandes in Osteuropa, als stärkste Macht der EU ebenfalls eine „weltpolitische“ Rolle zu spielen.

Die Verheerungen, die diese Politik im Mittleren Osten maßgeblich mitverantwortet, wirken in Form von Arbeitsmigration, Fluchtbewegungen und Terrorismus in die westlichen Staaten zurück.

Diese Auswirkungen sind ebenfalls bereits in den achtziger Jahren Thema in den Politischen Berichten, und ihre gewachsene innen- und außenpolitische Bedeutung dürfte heute außer Frage stehen.

Die Aufbereitung des Themenfeldes „Mittlerer Osten“, der sich neben der Berichterstattung über die Politik in dieser geografischen Region auf die Themen OPEC sowie auf die Asyl- und Ausländerpolitik erstreckt, kann einerseits zu einer Vergewisserung über die historische Entwicklung in diesen Bereichen beitragen, die durch die Erarbeitung einer parallelen Chronologie der Ereignisse im untersuchten Zeitraum ergänzt werden soll („Zeitstrahl“).

Vor allem aber geht es um die Entwicklung von politischen Positionen, theoretischer Grundlagen der Analyse und um Handlungsstrategien in der praktischen Politik anhand der Aufdeckung der Defizite und Fehler in der bisherigen Behandlung des Themenbereichs.

Handhabbar gemacht werden sollen die Inhalte durch Katalogisierung mit inhaltlichen Zusammenfassungen und der Verlinkung mit einem Stichwortkatalog, der die Auffindung von thematisch aufeinander bezogenen Inhalten ermöglichen soll.