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ARCHIV

Nr.3/2020, S.02a

Blick auf die Medien

Über Verbrenner und Stromer

Bruno Rocker, Berlin. Die Lage ist ernst im Fahrzeugbau. Die Neuzulassungen in diesem Jahr zeigen die folgende Entwicklung: Feb. –20 %, Mär. –38 %, Apr. –61 %. Für die kommenden Monate rechnen die Branchenexperten von EY (Ernst & Young) in einer aktuellen Analyse mit tiefroten Zahlen bei der Mehrzahl der großen Hersteller. Die IG Metall erwartet Sparprogramme und Beschäftigungsabbau. Kleinere und mittlere Betriebe in der Zulieferbranche drohen Insolvenzen. Derzeit hängen nach Angaben der IG Metall 940 000 Arbeitsplätze direkt am Fahrzeugbau. 2,2 Millionen Arbeitsplätze im Maschinenbau, dem Stahl, Teilen der Chemie und anderen Branchen sind darüber hinaus von der Automobilindustrie abhängig. Gut 91 Prozent der Beschäftigten im Fahrzeugbau arbeiten an Komponenten und Fahrzeugen mit einem Verbrennungsantrieb. Ein konjunkturpolitisches Sofortprogramm sollte daher an den bestehenden Industriestrukturen ansetzen. Nur so hätte man Aussichten gehabt, in absehbarer Zeit aus der Kurzarbeit bei Herstellern und Zulieferer herauszukommen. Die IG Metall hatte sich deshalb für eine klar konditionierte staatliche Umweltprämie (Kaufprämie) eingesetzt. Teil der Forderung war auch immer eine finanzielle Beteiligung der Hersteller. Ebenso war klar, dass eine Umweltprämie nicht nur unmittelbar beschäftigungswirksam sein sollte, sondern in jedem Fall auch nachweisbar zu einer deutlichen Senkung der CO2 Emissionswerte beitragen muss. Es kam bekanntermaßen anders. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung enthält lediglich eine reine Elektroprämie. Die SPD-Umweltministerin Svenja Schulze ließ mitteilen, sie sei „froh und glücklich“, dass es in den Verhandlungen gelungen sei, ausschließlich für Autos mit elektrischen Antrieben eine Kaufprämie zu gewähren. Und sie fügte hinzu: „Wir haben uns an diesem Punkt durchgesetzt“. Diese Botschaft ist inzwischen bei den Beschäftigten und bei der IG Metall angekommen. Der Kurs der SPD-Führung löst Ungläubigkeit und teilweise Entsetzen aus. Aber nicht nur emotional, auch sachlich erntet der Kurs der SPD Führung Unverständnis. Ein Austausch der alten Euro 3 bzw. Euro 4 Fahrzeuge durch moderne emissionsarme Fahrzeuge (Euro 6 d) wäre ökologisch wie beschäftigungspolitisch tatsächlich sinnvoll. Es ginge um eine Brücke in das Zeitalter elektrischer Mobilität, zunächst batterieelektrisch, später möglicherweise auch mit Brennstoffzelle und Wasserstoff. Die Einsparung beim CO2-Ausstoß läge nach Angaben der IG Metall immerhin bei bis zu 43 Prozent. Batteriefahrzeuge hingegen müssen zurzeit leider immer noch mit einem Ladestrom vorlieb nehmen, der zu knapp einem Drittel aus der Kohleverstromung, hauptsächlich aus Braunkohle stammt. Auch das ist ökologisch eigentlich suboptimal. Warum verweigert das Führungspersonal der SPD den dringenden Austausch mit IG Metall und Betriebsräten?