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Nr.3/2020, S.10a

wir berichteten ...

Ein Jahr nach dem erfolgreichen BürgerInnentscheid für einen neuen Stadtteil Dietenbach:*

Freiburg: Gemeinderat beschließt sozialere Wohnungspolitik

Hardy Vollmer, Freiburg. Ende Mai hat sich der Freiburger Gemeinderat mit einer Reihe wohnungspolitischer Themen beschäftigt und einige Beschlüsse gefasst, die als „Riesen-Erfolg der Freiburger Mieterbewegung“1 angesehen werden. Diese Beschlüsse waren absolut notwendig, hat sich doch in den letzten Jahren der Run auf Wohnungen in der Stadt extrem verschärft, was die Mietkosten nach oben trieb und Freiburg an Mietpreishochburgen wie München und Hamburg annäherte.

Die Debatte kam aber im Gemeinderat nicht von selbst zustande, sondern wurde durch eine breite öffentliche Debatte in der Freiburger Stadtgesellschaft getragen. Als ein entscheidendes Ergebnis dieser Debatten war dann u.a. auch der Ausgang der Kommunalwahlen 2019, in der es zu einer links-ökologischen Mehrheit im Gemeinderat kam, die dann zu einer Reihe fortschrittlicher Beschlussfassungen führte.

Ganz zentral für die wohnungspolitischen Auseinandersetzungen in Freiburg war dabei der Bürgerentscheid gegen den Verkauf der Freiburger Stadtbau (FSB) 2006. Der Jubel war groß, aber mit dem Verkaufsverbot waren viele Probleme im Miet- und Wohnungsbereich noch ungelöst. In den Folgejahren gründeten sich weitere Mieterinitiativen, und es begann eine breite öffentliche Debatte zum Wohnungsthema. Ein erstes Erfolgserlebnis hatte diese gesellschaftliche Debatte 2018 mit der Abwahl des grünen Oberbürgermeisters Dieter Salomon und der Wahl des völlig unbekannten unabhängigen, aber von der SPD unterstützten Kandidaten Martin Horn. Dieser hatte sofort ein Gespür für das Rumoren in der Stadtgesellschaft und versprach in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit ein wohnungspolitisches Konzept vorzulegen. Ein erstes Ergebnis war dann der Beschluss, die Mieterhöhungen bei der FSB zeitlich begrenzt zu stoppen. Es war klar, dass die FSB der zentrale Hebel ist, um in der Wohnungspolitik in Freiburg entscheidende Dinge zu ändern. Folgerichtig wurde dann mit dem Konzept: „FSB 2030 – Mehr Wohnen. Faire Mieten. Für Freiburg“, dem Gemeinderat ein Bündel von Maßnahmen präsentiert, die im Großen und Ganzen eine Änderung in dem sozialpolitischen Konzept der FSB bewirken sollen.

Vorher – Nachher

Tatsächlich war einer der Hauptkritikpunkte der Mieterbewegungen an der FSB, dass sie nicht, wie es ihr Auftrag ist, günstige Wohnungen baut und vermietet, sondern durch den Bau und den Verkauf von teuren Eigentumswohnungen ihre Kassen füllt und über Umwege letztlich den Stadtsäckel von Freiburg, wobei das Geld dann für alles Mögliche verwendet wird, nur nicht für den Bau von Wohnungen. Mit dem Beschluss des Gemeinderats wurden jetzt andere Grenzen gesetzt. Galt bisher die Regel 60% für den Bau von Mietwohnungen und 40% für Eigentumswohnungen, gilt ab jetzt das Verhältnis 75% zu 25%. Daran gebunden ist, dass die Stadt Freiburg die FSB mit mehreren Millionen Euro unterstützt, um mehr in den Bau von preisgünstigem Wohnraum zu investieren. Eng damit verknüpft ist eine weitere Änderung, die schon lange von den Mieterinitiativen gefordert wurde. Bisher wurden alle wichtigen Entscheidungen der FSB in geheimer Sitzung im Aufsichtsrat getroffen. Ab jetzt gilt, dass der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung über das Geschäftsgebaren der FSB befindet.

Auch weitere Punkte, die schon seit Jahrzehnten auf der Forderungsliste der wohnungspolitischen Initiativen stehen, sind gefallen. So fasste der Gemeinderat in den 1990er Jahre den Beschluss, das die FSB bei ihrer Mitgestaltung bis an die Grenzen des Mietspiegels gehen soll, was permanente Mieterhöhungen zur Folge hatte. Dieser Beschluss wurde jetzt aufgehoben. Daran gekoppelt ist die neue Entscheidung, dass in der Gesamtheit die FSB-Mieten 25 Prozent unter denen des Mietspiegels liegen sollen. Neu hinzu kommt ein sogenannter „Sozialbonus“, der besagt, dass jemand, der einen Wohngeldantrag stellt und dessen Miete bei einer Mieterhöhung mehr als 30% seines Einkommens ausmachen würde, von einer Mieterhöhung ausgenommen wird.

Wenn auch die Aussage von dem „Riesenerfolg“ wohl zu hoch gegriffen ist, so muss man doch ausdrücklich von einem Schritt in die richtige Richtung sprechen. Michael Moos, Stadtrat der Linken Liste und Vorsitzender der Fraktionsgemeinschaft „Eine Stadt für Alle“, gibt in seinem Redebeitrag im Gemeinderat folgendes Resümee: „Wenn wir heute beschließen, dass die Stadtbau eine Kurskorrektur vornimmt, dann geht dieser Kurswechsel dem DGB Freiburg, dem Mietenbündnis und auch unserer Fraktionsgemeinschaft nicht weit genug, aber es ist unbestreitbar eine Kurskorrektur und ein wichtiger Schritt hin zu einer sozialer aufgestellten Stadtbau.“2

1 www.linke-liste-freiburg.de/2020/05/riesen-erfolg-der-freiburger.html 2 www.linke-liste-freiburg.de/2020/05/redebeitrag-von-michael-moos-zur.html * Siehe auch Gregor Mohlberg, PB03/2019, S.10, BürgerInnenentscheid Freiburg: Mehrheit für neuen Stadtteil, www.linkekritik.de/fileadmin/pb1903/pb19-03-i.pdf#page=10

Abb. (PDF): Foto Wohnen ist Menschenrecht!