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Nr.3/2020, S.13

Aus Kommunen und Ländern

Konjunkturpaket mit Licht und Schatten – Altschuldenproblematik weiter ungelöst Mannheim: Der Schirm ist löchrig Jetzt ein Kölner Investitionsprogramm von Stadt und Stadtwerken entwickeln! DOK: Kommunale Politik: In finanzieller Notlage

Jetzt ein Kölner Investitionsprogramm von Stadt und Stadtwerken entwickeln!

Jörg Detjen, Köln

Die Kämmerei der Stadt wird den Rat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause um die Genehmigung bitten, die Kassenkredite auf 2,8 Mrd. Euro erhöhen zu dürfen. Diese sogenannten Liquiditätskredite sind eigentlich dafür gedacht, kurzfristige finanzielle Engpässe auszugleichen. Aufgrund der seit Jahren schlechten Haushaltslage sind sie in Köln und vielen anderen Städten aber zu einem wichtigen Teil der dauerhaften Finanzierung des städtischen Haushalts geworden.

Mit der Verabschiedung der Haushalte für 2020 und 2021 hatte der Kölner Rat den Höchstbetrag dieser Kredite auf 1,8 Mrd. Euro festgelegt. Jetzt in der Corona-Pandemie sind zusätzliche Ausgaben nötig und gleichzeitig brechen die Einnahmen weg. Der aktuelle Stand bei den Kassenkrediten liegt bei 1,2 Mrd. Euro, die Tendenz ist rasant steigend. Die Kämmerei befürchtet daher, dass die 1,8 Mrd. nicht reichen werden.

Die geplante Erhöhung des Kreditrahmens ist schon dramatisch. Man muss sich das so vorstellen, als ob man sein Girokonto um die Hälfte seines Nettolohnes überzieht.

Schon jetzt schätzt die Kämmerei weniger Einnahmen bei der Gewerbesteuer von 270 Mio. Euro im nächsten Jahr. Es ist zu erwarten, dass es dabei nicht bleiben wird, wenn die Kämmerei schon jetzt eine Erhöhung des Kassenkredites um eine Milliarde Euro beantragt.

Die bestehenden sozialen und gesellschaftlichen Probleme verschärfen sich in dieser Krise – geringe Einkommen, teurer oder unzureichender Wohnraum, schlechte digitale Ausstattung verschärfen die Armut. Diese großen Probleme kann die örtliche Kommunalpolitik nicht allein lösen.

Trotzdem oder gerade deshalb sollten der Kölner Stadtrat und die Stadtgesellschaft prüfen, welche Möglichkeiten sie trotzdem haben, um dagegen zu steuern. Wie können wir die Finanzkraft, die Infrastruktur, die Stärken und das Knowhow der Kommune Köln bündeln, um in dieser Krise die dramatisch steigende Arbeitslosigkeit bekämpfen? Und wie können wir dazu beitragen, eine lokale Wertschöpfungskette zu stärken? Was sind Stellschrauben, die man nutzen kann, auch wenn ein kommunaler Rettungsschirm von Bund und Land weiter dringend erforderlich ist?

I.

1. Die Stadt Köln besitzt Bau- und Gewerbeflächen. Das ist mit Abstand das größte Steuerungsinstrument, das die Kommune hat.

So sind Wohnungsbauflächen seit Jahren in Planung, um ca. 16 000 Wohnungen zu bauen. Die Fertigstellung dieser Bebauungspläne bekommt jetzt noch einmal eine ganz andere Bedeutung: Es könnte auf der einen Seite eine Wertschöpfungskette in Gang gesetzt werden und auf der anderen Seite Entlastung auf den Mietmarkt entstehen. Neue Energieversorgungsmodelle können mit den Stadtwerken entwickelt werden.

Die alte Idee, eine Task Force Wohnen bei der Oberbürgermeisterin einzurichten, bekommt noch einmal eine ganz andere Bedeutung.

Entscheidend dabei ist auch, dass gleichzeitig ein Kurswechsel eintritt und die städtischen Grundstücke nicht mehr verkauft, sondern per Erbbaurecht vergeben werden.

Darüber hinaus stehen in den nächsten zwei Haushaltsjahren 30 Mio. Euro für den geförderten Wohnungsbau zur Verfügung. Diese Mittel stehen zusätzlich, neben den Landeszuschüssen von 110 Mio. Euro, bereit. In den letzten Jahren wurde sie nicht ausgegeben.

2. Um den Wohnungsbau voranzutreiben, wäre es sinnvoll eine weitere städtische Wohnungsbaugesellschaft zu gründen. Die Stadt sollte sie mit einem stattlichen Eigenkapital ausstatten, z.B. mit städtischen Grundstücken. Das neue Wohnungsbauunternehmen sollte eine eigene Strategie entwickeln. Ein neues Feld wäre z.B. der Bau von Holzhäusern, um eine klimafreundliche Bauweise zu entwickeln.

Die Stadt sollte auch die Zusammenarbeit mit den örtlichen Genossenschaften suchen. Gemeinsam müssen neue Wohnprojekte wie „Housing First“, seniorengerechtes Wohnen und rollstuhlgerechtes Wohnen entwickelt werden.

3. Die Stadt hat ein Eigenkapital von 15 Milliarden Euro. Die Stadt Köln kann günstige Kredite aufnehmen. Gerade in der Krise sollte die Stadt prüfen, ob und wie sie nachhaltig genutzt werden können. Der Ankauf von Grundstücken und Gebäuden sollte wohl durchdacht werden. Anders als in früheren Jahren kauft die Stadt kaum noch Grundstücke für langfristige strategische Entwicklungen. Gerade wenn in zentralen Lagen Leerstände die gesamte Infrastruktur eines Quartiers zerstören, muss gehandelt werden.

Wir als Die Linke halten auch Mietobergrenzen bei Gewerbemieten für ein wichtiges Gegenmittel.

4. Die Stadt Köln und die Stadtwerke besitzen eine vielfältige Infrastruktur von Gebäuden. Sie könnten mit einem Programm zum Ausbau von erneuerbarer Energie genutzt werden und sich zu einem wichtigen Baustein für eine Kölner Klimawende 2030 entwickeln. Um dieses Projekt kümmert sich derzeit nur ein Mitarbeiter der Gebäudewirtschaft. Das wird Jahrzehnte dauern. Hier müssen die Kompetenzen rasch gebündelt werden: Stadt, RheinEnergie, Umweltfirmen, wie z.B. Energiegewinner. Das wäre auch ein politisches Signal an die Klimabewegung: Umsteuern auf erneuerbare Energie in der Krisensituation!

5. Es gibt in Köln seit einigen Jahren ein Konzept „Smart City“ mit Stadt, Stadtwerken, insbesondere der RheinEnergie, aber auch mit regionalen Unternehmen und Akteuren. Das ist insofern von Bedeutung, weil große Konzerne wie Siemens und Microsoft in Berlin, Hamburg, Erlangen eigene Stadtteile bauen – eine neue Art der Privatisierung.

Dem muss man durch starke Stadtwerke, städtischer Liegenschaftspolitik und Stadtplanung begegnen. Ein zielstrebiger und weiterer Ausbau der Fernwärme der RheinEnergie ist eine solche Gegenstrategie, die sich bürgernah mit Genossenschaftsmodellen verbinden muss. Gleiches gilt für Netcologne bei der Telekomunikation. Auch hier stehen gigantische Investitionen an.

Die Stadtwerke haben eine Rücklage von mindestens 300 Mio. Euro für Investitionen. Die MVV-Anteile der RheinEnergie wurden gerade für einen dreistelligen Mio. Euro verkauft. Bei Investitionen soll eine Wertschöpfungskette in Gang gesetzt werden. Hier muss der Stadtwerke-Konzern auch über den Tellerrand schauen! Dies muss in den Aufsichtsräten diskutiert werden. Hier brauchen wir auch Unterstützung der Arbeitnehmervertreter und der Gewerkschaften. Im Mittelpunkt dieser Wertschöpfungskette muss die Daseinsvorsorge stehen und nicht einfach Konzerndenken. Das aktuelle Projekt, der Ankauf eine Binnenschifffahrtsgesellschaft, setzt eben keine neue Wertschöpfungskette in Gang, sondern kauft eine schon bestehende.

6. Der Kölner Großmarkt muss endlich gebaut werden. Er ist für die örtlichen Händler und Restaurants unverzichtbar. Wer das nicht tut, unterstützt die großen Lebensmittelkonzerne, die die Profiteure der Krise sind.

II.

Die Stadt Köln hat Zugriff auf Bundes- und Landesmittel, die in einem Krisenmanagement berücksichtigt und eingebaut werden müssen. Köln ist zwar eine große Kommune, aber kann trotzdem nicht alles allein lösen. Deshalb müssen Bundes- und Landesmittel gezielt genutzt, aber auch immer wieder eingefordert werden.

7. Die Bundesanstalt für Arbeit hat einen festen Etat für Umschulungen. Zurzeit werden mit Bundesmitteln 180 Beschäftigte von Ford umgeschult. Da ist noch mehr drin, wenn die Kurzarbeit ausläuft und die Arbeitslosigkeit steigen wird. Im letzten Jahr hat die Stadt Köln zusammen mit dem JobCenter ca. 800 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse nach SGB II § 16i vermittelt. Dieses Programm ist für Langzeitarbeitslose. Gleichzeitig könnte man die Bundesmittel nach SGB II 16e nutzen, ein Einarbeitungszuschuss, damit Personen nicht in die Arbeitslosigkeit fallen.

Die Stadt Köln sollte ihre Ausbildungskapazitäten weiter ausbauen. Personal wird derzeit weiter benötig. Auszubildende finden seit vielen Jahren erstmals wieder keinen Ausbildungsplatz.

8. Die Kölnerinnen und Kölner können durch die Vermittlung der Stadt Köln Bundes- und Landesmittel nutzen. Oft ist das den Menschen nicht bekannt, wie z.B. beim Recht auf Wohngeld. Und wenn sich dann die Bearbeitung der Anträge über Monate hinzieht, ist das kontraproduktiv.

Auch wenn Die Linke die deutliche Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze fordert, müssen trotzdem Bundesmittel z.B. für Bildung und Teilhabe genutzt werden. Da ist noch mehr drin, um Kindern aus armen Verhältnissen zu helfen, z.B. digitale Geräte, um gleichberechtigte Bildungschancen zu verbessern.

9. Es gibt eine Planung für den Ausbau der oberirdischen Ost-West-Stadtbahn, die Mittel von ca. 250 Mio. Euro vom Bund nach Köln bringen könnte. Der Stadtrat sollte seinen alten Beschluss hinterfragen und nicht an einer doppelten Planung arbeiten. Jetzt schnell die oberirdische Lösung anpacken, und alles Weitere danach diskutieren.

10. Die Stadt Köln hat ein sehr großes Netzwerk von Verbindungen zur Wirtschaft, Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften. Ein solches Netzwerk muss gesteuert und betätigt werden. Daran mangelt es.

Köln ist traditionell ein wichtiger Standtort des Handels und ein Automobilstandort. Diese Standorte zu verteidigen ist eine große Herausforderung.

11. Die Zuschüsse des Landes für die Städtischen Kliniken sind unzureichend. Hier muss der Stadtrat aktiv werden und auch weiter in die Kliniken investieren. Wie kann die Entwicklung der Gesundheitsindustrie für die Region Köln genutzt werden? Welche Rolle spielt die Chemieindustrie?

12. Ökologischer Umbau Rheinisches Revier: Wie kann Köln in diesem Prozess mitwirken, und wie kann verhindert werden, dass der erhebliche Arbeitsplatzabbau in der Braunkohle und in den Zulieferbetrieben mit einer krisenhaften Entwicklung die Region Köln vor unlösbare Probleme stellt? Regional denken und regional handeln führt zu neuen Möglichkeiten und neuen Chancen, die in der Kölner Kommunalpolitik bisher geringgeschätzt werden.

13. Köln braucht einen Ausbau in der Bildung. Die Stadt Köln hat für ca. jeden zehnten Schüler einen Computer oder IPad. Das ist nichts. Köln braucht eine enge Zusammenarbeit mit der Universität, der Technischen Hochschule und mit dem digitalen Stadtwerkeunternehmen Netcologne, das ein ausgezeichnetes Breitbandnetz in Köln betreibt.

III.

Wir brauchen im Stadtrat eine Strategiediskussion in dieser Krisenlage und Entscheidungen, wo die Stadt Schwerpunkte setzen will, und wo sie mit Investitionen eingreifen will. Dazu muss die Stadtspitze mit den Managern des Stadtwerkekonzerns eng und abgestimmt zusammenwirken. Das findet eben nicht statt. Der Stadtrat muss eine enge Zusammenarbeit einfordern.

Es muss ein gemeinsames Investitionsprogramm entwickelt werden und ein Gremium von Stadt und Stadtwerken geschaffen werden, das gemeinsame Entscheidungen bündelt und auf den beiden Ebenen, Stadt und Stadtwerken, rasch und zielstrebig zu Entscheidungen kommt. Hier müssen transparente Prozesse geschaffen werden.

Ein Investitionsprogramm, mit dem eine regionale Wertschöpfungskette hergestellt wird, muss entwickelt werden. Wir als Linke wollen dazu einen Beitrag leisten. Diese Ausführungen sind erste Überlegungen, die eine Diskussion anstoßen sollen.