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ARCHIV

Nr.3/2020, S.17

Gewerkschaften/Soziale Bewegungen

Fleischwerke im Fokus

Florian Vollert, Weinsberg

Die Situation in deutschen Fleischwerken ist bedrückend. In Akkordarbeit werden Tiere geschlachtet und ihre Körper weiter zerstückelt. Echte Knochenarbeit, die zu möglichst niedrigen Löhnen getan werden soll. Dabei ist Deutschland der Marktführer in der billigen Fleischproduktion. Viele Länder innerhalb der EU importieren Fleisch aus deutschen Verarbeitungshallen. Die ArbeiterInnen in den Fleischwerken sind aber in der Regeln Menschen aus dem europäischen Ausland, oftmals aus Rumänien, Polen oder Ungarn. Sie arbeiten über Werksverträge und Leiharbeitsfirmen zu schlechteren Konditionen in den deutschen Betrieben. Was schon länger bekannt ist, bekam nun durch die Corona-Pandemie eine neue Aktualität. Denn wiederholt sind Fleischwerke zu Corona-Hotspots geworden. Die Hygiene- und Arbeitsbedingungen, dazu eine Unterbringung in engen räumlichen Verhältnissen, lassen eine entsprechende Krankheit leicht zur Ausbreitung kommen.

Die Corona-Fälle in den Fleischwerken und die dortigen Bedingungen wurden medial aufgenommen, so dass nun Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf die Situation eingehen musste und in der Branche „aufräumen“ möchte. Tatsächlich hat nun das Bundeskabinett ein Verbot für Werksverträge und Leiharbeit in der Fleischbranche ab dem 1.1.2021 beschlossen. Es enthält neben der Pflicht, mit eigenen Beschäftigten zu schlachten, auch weitere Verschärfungen bei den Hygienevorschriften. Die Arbeitszeiten sollen dann digital erfasst und die Betriebe in dem Bereich häufiger kontrolliert werden. Entsprechende Strafen bei Missbrauch in der Arbeitszeiterfassung wurden erhöht. Es soll auch geprüft werden, wie der Gesetzgeber Unternehmen verpflichten kann, Mindeststandards bei der Unterbringung der Beschäftigten sicherzustellen. Naturgemäß begrüßen die Gewerkschaften das Gesetz, während die Fleischindustrie dagegen Sturm läuft. Es steht noch das Gesetzgebungsverfahren bevor, in dem das geplante Gesetz noch erheblich aufgeweicht werden kann. Doch die Zeit für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen scheint günstig.

Doch von vorne. Die Fleischindustrie in Deutschland befindet sich in einem Konzentrationsprozess, die großen Betriebe gewinnen weiter an Bedeutung. Dort arbeiten nach Schätzung der NGG bis zu zwei Drittel der Beschäftigten als Leiharbeiter oder über Werksverträge. Durch die Hartz-Gesetze wurden Leiharbeit und Werksverträge zur Einführung eines großen Niedriglohnsektors in Position gebracht, gerade auch in der Fleischindustrie mit entsprechendem Erfolg.

Andererseits gab es eine Verschärfung der Anforderungen innerhalb der EU an Schlachthöfe und Metzgereien, in dessen Folge kleine handwerklich arbeitende Betriebe in großer Zahl geschlossen wurden und große Einheiten an Bedeutung gewannen. Das führte zusammenwirkend zu einer Dominanz der deutschen Fleischindustrie in Europa.

Einer dieser großen Betriebe ist Müller Fleisch in Pforzheim. Aktuell in den Schlagzeilen, weil der Betrieb Hunderte coronainfizierte MitarbeiterInnen hatte und, auch als bereits erste Erkrankungen vorlagen, weiterarbeiten ließ. Müller Fleisch ist einer der größten deutschen Fleischkonzerne mit einem Jahresumsatz von beinahe einer Milliarde Euro. Trotz der hohen Anzahl Erkrankter hat das örtliche Gesundheitsamt entschieden, dass die Produktion weiterlaufen darf. Die NGG hat dagegen protestiert, rechtlich aber keine Möglichkeit gehabt, dies zu unterbinden.

Schlechte Arbeitsbedingungen als Teil des Systems

Dabei läuft es bei Müller Fleisch wie in vielen Betrieben der Fleischindustrie, gerade in der Schlachtung und Zerlegung arbeiten vor allem Arbeitskräfte aus dem osteuropäischen Ausland. Über Werksverträge und Leiharbeit werden sie oftmals nur für ein paar Monate angestellt, und über die Leiharbeitsfirmen oder Kooperationspartner der Firmen werden viele Mitarbeiter in überfüllten Unterkünften untergebracht. Die Löhne sind entsprechend niedrig und die Mieten für die Unterkünfte sind vergleichsweise hoch. Die schlechten Arbeitsbedingungen sind Teil des Systems Fleischindustrie in Deutschland. Müller Fleisch ist dabei keine Ausnahme, sondern die Regel in einem hart umkämpften Produktionszweig.

Falls nun ein Verbot von Werksverträgen und Leiharbeit käme, wäre das ein wichtiger Schritt für die Beschäftigten in der Fleischindustrie.

Dass sich auch mit starken Gewerkschaftern und kritischer Öffentlichkeit etwas bewegen kann, zeigt ein Beispiel aus dem Landkreis Heilbronn. Dort hat Kaufland ein Fleischwerk und hatte ebenfalls Werksverträge mit osteuropäischen Firmen. Ebenfalls wurden die Menschen in zu engen Unterkünften untergebracht. Und die Leihfirma knöpfte den Beschäftigten für die Übernachtungsmöglichkeiten im Vierbettzimmer einen ordentlichen Teil des Lohnes ab. Bis eine Beschäftigte sich bei der lokalen Zeitung meldete und diese gemeinsam mit dem zuständigen Gewerkschaftssekretär der Sache nachging. Gemeinsam wurden monatelange Recherchen durchgeführt und Leiharbeitsfirmen zu Fall gebracht. Kaufland kündigte eine Kehrtwende an und wollte keine Werksverträge mehr schließen, sondern mehr mit eigenen Mitarbeitern arbeiten. Tatsächlich scheint das Versprechen von 2017 nicht ganz erfüllt worden zu sein, aber es hat sich etwas bewegt. 10 bis 20% der Beschäftigten beim Zerlegen des Fleisches sind über Werksverträge eingekauft, weniger als die Hälfte der früheren Zeiten. Dabei waren die Angst des Konzerns vor einem Imageverlust sicher hilfreich. Aber auch hier wurde versucht, das Lohndumping möglichst lange weiterzuführen.

Die MitarbeiterInnen gewerkschaftlich zu organisieren ist in diesem Bereich äußert schwierig. Neben den sprachlichen Barrieren gibt es eine hohe Fluktuation und von Arbeitgebern aufgebaute Drohkulissen.

Darum ist eine Gesetzgebung gegen die Ausbeutung in der Fleischindustrie eine gute Methode die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich zu verbessern. Und natürlich kommt auch die nur mit entsprechendem gesellschaftlichen Druck.

Abb. (PDF): Linken-Plakat gegen Leiharbeit