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ARCHIV

Nr.3/2020, S.20

Rechte Provokationen – Demokratische Antworten

Redaktionsnotizen. KZ Katzbach in den Adlerwerken Frankfurt/M. – Gedenken zum 75. Jahrestag des Todesmarschs Solidarität, Menschen- und Bürger*innenrechte, Emanzipation – Gegen Rassismus und völkischen Nationalismus Rassismus auch in Deutschland nachhaltig bekämpfen

Rechte Provokationen – demokratische Antworten – Redaktionsnotizen. Zusammengestellt von Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 Protestaktion in Berlin: Schützt das Mahnmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma Europas!

02 „Politische Gesinnung: Wenn der Lehrer rechts abbiegt“

03 Linksfraktion bringt Forderungen der Hanauer Opferangehörigen in den Innenausschuss des Landtags ein.

04 AfD fordert Rückkehr zum klassischen Rollenmodell für Frauen und Familien.

01

Protestaktion in Berlin: Schützt das Mahnmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma Europas! Mehrere Roma-Organisationen rufen auf zu einer Protestaktion, um den zentralen Gedenkort, das Grabmal der Unbegrabenen – das Mahnmal/Denkmal für die ermordeten Sinte*ze und Rom*nja Europas im Zentrum Berlins zu erhalten. Bedroht wird es durch den Deutschen Bundestag und die Deutsche Bahn, nach deren Plänen dieses Mahnmal – für den Bau einer S-Bahn – temporär entfernt oder teilweise gesperrt werden soll. Erst seit 8 Jahren gibt es mit dem Mahnmal/Denkmal ein sichtbares Eingeständnis von Schuld, Verantwortung und der Mahnung. Deutsche Politik und Gesellschaft haben beschämend lange gebraucht, um den rassistischen Genozid an den Rom*nja und Sinte*ze Europas anzuerkennen. Auch die Deutsche Bahn AG brauchte viele Jahrzehnte, um sich ihrer Geschichte zu stellen und anzuerkennen: ohne die Vorläuferorganisationen der Deutschen Bahn wäre die Verschleppung in die Vernichtungslager nicht möglich gewesen. Dieses Mahnmal/Denkmal dient nicht nur den Überlebenden des Völkermordes, ihren Angehörigen und Nachkommen als Ort des stillen Gedenkens und der Erinnerung. Es ist Ort des Lernens und des Gedenkens für die gesamte Weltgesellschaft geworden und es ist ein wichtiges Symbol Deutschlands, eine Botschaft für die Welt, das Leid der Opfer anzuerkennen, die eigene Geschichte ernst zu nehmen und in politischer Verantwortung eines „Nie wieder!“ zu handeln. Sie fordern eine Lösung, die diesen Gedenkort unberührt lässt, fordern auf, das Bauvorhaben in dieser Form zu stoppen! Statt einem Abbau fordern sie den Ausbau des Gedenkortes mit einer Informationsstelle und Begleitprogramm. Sie fordern die Transparenz dieser Vorgänge und den Einbezug der Zivilgesellschaft.

Der gesamte Aufruf ist unter ran.eu.com zu lesen

02

„Politische Gesinnung: Wenn der Lehrer rechts abbiegt“ – Der Bayerische Rundfunk macht darauf aufmerksam, dass den Bildungsausschuss im bayerischen Landtag mit Markus Bayerbach ein AfD-Mann führt. Im Interview betont moderat, vertritt er aber astreine AfD-Positionen. „Den Umgang der Deutschen mit dem Holocaust findet er ‚zu devot‘.“ In derselben Sendung wird Bernhard Baudler von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zitiert, dass „AfD-Politiker an bayerischen Schulen arbeiten – oder sogar Karriere machen – sei kein Einzelfall“. Vor drei Jahren sei z.B. in Oberkotzau (Oberfranken) ausgerechnet der AfD-Kreisrat Gerd Kögler zum neuen Schulleiter ernannt worden, ein „Mann, der sich mehr deutsches Liedgut im Stundenplan wünscht und die Inklusion ablehnt, obwohl sie Gesetzesrang hat. Die Schulpflicht für Flüchtlinge sieht er kritisch.“ Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz stuft zwar die AfD als Prüf-Fall ein und beobachtet Politiker, die dem inzwischen aufgelösten „Flügel“ nahestehen. Lehrer werden dabei aber nicht erfasst. „Das Amt hat demnach nach eigener Aussage keine Kenntnisse darüber, welche Lehrer ein AfD-Parteibuch haben oder mit dem rechten „Flügel“ sympathisiert haben.“ – Schon in den Parlamenten und Gemeinderäten ist die Auseinandersetzung mit gewählten AfDlern schwierig. Überkreuzungen im Abstimmungsverhalten sind oft nicht zu vermeiden. Versuche, AfDler durch Geschäftsordnungsbestimmungen in ihren Wirkungsmöglichkeiten zu beschneiden, beschädigen die Demokratie. Für die Auseinandersetzung mit der NPD, ihren Tarnlisten und ihrem gewaltbereiten Umkreis war die Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung hilfreich, die an diesem Punkt klarstellte, wo die Redefreiheit aufhört und das Hassverbrechen einsetzt. Hoffentlich entfalten Gesetze, die vor Diskriminierung schützen und von Betroffenen eingefordert werden könnten, eine ähnliche Wirkung, insbesondere im Bildungssektor, wo Autoritätsgefälle zwischen Lehrenden und Lernenden den Alltag bestimmen, könnte es helfen, wenn Betroffene sich in geklärten Rechtspositionen Rückhalt fänden.

https://www.br.de/nachrichten/bayern/politische-gesinnung-wenn-der-lehrer-rechts-abbiegt,S0lPh7y

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Linksfraktion bringt Forderungen der Hanauer Opferangehörigen in den Innenausschuss des Landtags ein. Für die Linksfraktion im hessischen Landtag haben Saadet Sönmez und Hermann Schaus einen „Dringlichen Berichtsantrag an die Landesregierung zum Umgang mit Opfern, Angehörigen und offenen Fragen nach dem rassistischen Mord-Anschlag in Hanau vom 19. Februar 2020“ gestellt.

Die Opferangehörigen stellten in einer Pressemitteilung Fragen zum Einsatzgeschehen und dem Umgang mit Opfern und Angehörigen und hinterfragten, warum ihnen und ihren Rechtsbeiständen „Akteneinsicht oder Informationsgespräche verweigert wurde. Die Linke fragte die Landesregierung nach der Einbindung des Mörders in neonazistische oder verschwörungstheoretische Netzwerke, nach verschiedenen rassistischen Bedrohungs-Vorfällen, in die er verwickelt gewesen sein soll und nicht erklärlichem Verhalten der Polizei am Tatort und gegenüber den Angehörigen.

Die Angehörigen wurden auf Antrag der Linksfraktion in den Landtag eingeladen und konnten die Debatten im Innenausschuss in einem Nebenraum per Livestream verfolgen.

„Die Fragen, die wir heute gestellt haben im Landtag wurden zum großen Teil nicht beantwortet“, sagte Newroz Duman von der in Hanau gegründeten „Initiative 19. Februar“.

Bundesanwalt Beck sagte, es werde auf Wunsch der Angehörigen Gespräche zum Stand der Ermittlungen geben.

welt.de., linksfraktion-hessen.de/Pressemitteilungen

04

AfD fordert Rückkehr zum klassischen Rollenmodell für Frauen und Familien. Auch in der Corona-Krise haben die „kleine Leute“ nichts von der AfD zu erwarten. Bei der zentralen Frage, wie die Folgen der Krise vor allem für Normalbürgerinnen und für die sozial gefährdete Teile der Bevölkerung abgefedert werden können, steht die AfD – entgegen ihrer Selbstdarstellung – gerade nicht an deren Seite. Eltern, die angesichts von Kita- und Schulschließungen über hohe Belastungen bei der Vereinbarung von Kindern und Erfordernissen des Berufes in Corona-Zeiten klagen, werden von Martin Sichert (AfD) als Jammerlappen dargestellt: „Reden wir doch mal über die Erkenntnisse, die wir in den letzten Wochen gewonnen haben. Wir alle haben gelernt, dass das Outsourcen betreuungsbedürftiger Familienangehöriger von den Familien an den Staat höchst problematisch ist. Die Eltern jammern, weil Kitas geschlossen sind und sich die Eltern nun, wie es früher selbstverständlich war, ganztägig um die Kinder kümmern müssen.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll der 159. Sitzung, S. 19763)

Folgerung aus der Krise ist für Sichert und die AfD demnach, weniger Berufstätigkeit von Frauen und zurück zum klassischen Rollenmodell: „Wenn uns die letzten Wochen eines gezeigt haben, dann, dass Deutschland eine Politik der Stärkung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft braucht. Je mehr Kinder von Familienangehörigen betreut werden und je mehr Pflegebedürftige im Kreis ihrer Lieben umsorgt werden, umso besser kommt eine Gesellschaft durch eine Pandemie.“ (G. Wiegel: AfD im Bundestag, Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll der 161. Sitzung)

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