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ARCHIV

Nr.3/2020, S.21x

Rechte Provokationen – Demokratische Antworten

Redaktionsnotizen. KZ Katzbach in den Adlerwerken Frankfurt/M. – Gedenken zum 75. Jahrestag des Todesmarschs Solidarität, Menschen- und Bürger*innenrechte, Emanzipation – Gegen Rassismus und völkischen Nationalismus Rassismus auch in Deutschland nachhaltig bekämpfen

KZ Katzbach in den Adlerwerken Frankfurt/M. – Gedenken zum 75. Jahrestag des Todesmarschs

Ulla Diekmann, Frankfurt/M., LAGG e.V.

Im August 1944 wurde auf dem Gelände der Adlerwerke im Stadtteil Gallus ein KZ-Außenlager mit dem Decknamen „Katzbach“ in Betrieb genommen. Über 1616 Häftlinge – in der Mehrheit Polen aus dem Warschauer Aufstand – erlitten hier unbeschreibliche Qualen. Nur wenige von ihnen überlebten. Am 24.3.1945 wurden die letzten Häftlinge auf einen Todesmarsch getrieben.

„Sie haben uns sehr schnell getrieben: Raus, raus, schnell, schnell, auf geht’s! Einige der Häftlinge versuchten, sich unter den Pritschen zu verstecken – Schüsse fielen.“ So beschreibt Ryszard Olek, ehemaliger Häftling im Konzentrationslager der Frankfurter Adlerwerke, den Befehl zum Appell und zum Abmarsch in der Nacht des 24. März 1945. An diesem Tag befahl NSDAP-Gauleiter Sprenger die „Evakuierung“ des mitten in der Stadt gelegenen KZs. SS-Leute trieben 350 Häftlinge quer durch Frankfurt über Hanau, Schlüchtern und Fulda bis nach Hünfeld, von wo sie in Güterwagons gepfercht ins KZ Buchenwald transportiert wurden. Diesen 120 Kilometer langen Todesmarsch überlebten nur etwa 280 von ihnen. Von Buchenwald schickte sie die SS ins KZ Dachau, wo wohl nur 40 Gefangene lebend ankamen.

Wenige Tage vorher entledigte man sich der marschunfähigen Kranken. Über 500 Menschen – Kranke und viele Sterbende – hatte man zu je 60 Mann in einen Güterwaggon gepfercht und diese verplombt. Drei Tage und Nächte stand der Zug auf den Fabrikgleisen, bevor er am 16. März 1945 das Werksgelände verließ.

Keine Verpflegung, kein Wasser, keine Hilfe für die Verletzten – erst sieben Tage später erreichte der Transport das KZ Bergen-Belsen.

Die Befreiung Frankfurts am 28.3.1945 kam für die KZ-Häftlinge in den Adlerwerken nur wenige Tage zu spät.

Abb. (PDF): Ein KZ mitten in der Stadt

Virtuelle Kundgebung

Im Zuge der geplanten Betriebsschließung der Adlerwerke gründeten Betriebsratsmitglieder 1992 den Verein LAGG – Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim. Eine wichtige Aufgabe des Vereins ist seither die Erinnerung an die vielen Opfer des KZs.

Zum 24. März 2020, dem 75. Jahrestag des Todesmarsches, hatte der LAGG zusammen mit Initiativen entlang der Todesmarschroute diverse Aktionen geplant. Nur wenige davon konnten wegen der Corona-Pandemie umgesetzt werden.

Eine Kundgebung konnte physisch nicht mehr durchgeführt werden. Daher verlegte der LAGG die Kundgebung als auch Teile anderer Veranstaltungen ins Internet.

Abb. (PDF): Foto Virtuelle Kundgebung

Das Grab auf dem Hauptfriedhof

1997 ließ der LAGG einen Gedenkstein erstellen, der an 528 ermordete Häftlinge des KZs am Grab auf dem Hauptfriedhof erinnert. Er wurde am 6. September 1997 in Anwesenheit von Überlebenden des KZs eingeweiht. Trotz ihres hohen Alters und der schmerzlichen Erinnerung, kamen sie immer wieder nach Frankfurt, nahmen an Mahngängen teil und sprachen in Schulklassen. Sie wollten dazu beitragen, dass Ähnliches nie wieder passiert.

Damals untersagte die Stadt, die Verantwortlichen auf dem Stein zu nennen. 23 Jahre später konnte diese Zeile nachträglich eingefügt werden. Der Text auf dem Stein heißt jetzt:

Zum Gedenken

Hier ruhen 528 Menschen.

Sie starben zwischen August 1944 und März 1945 in den ADLER-WERKEN in Frankfurt am Main. Sie wurden durch Arbeit, Zwangsarbeit, vernichtet.

Sie verhungerten, starben an Entkräftung, an unbehandelten Krankheiten, wurden zu Tode geprügelt.

Sie starben mitten in Frankfurt,

unter Verantwortung von SS, Geschäftsleitung, Dresdner Bank und Stadt.

Die ADLER-WERKE waren eine Außenstelle des Konzentrationslagers Natzweiler.

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Bert Brecht.

Abb. (PDF): Foto Das Grab auf dem Hauptfriedhof

Für eine Gedenkstätte in den ehemaligen Adlerwerken

„Wenn es innerhalb des Gebäudekomplexes eine Erinnerungsstätte gäbe, wäre das Bewusstsein über das KZ-Geschehen vielleicht stärker. In diesem Gebäude sind während des Krieges grauenvolle Dinge geschehen. Eine solche Erinnerungsstätte brauchen nicht wir persönlich, sondern zukünftige Generationen, damit sich ein solches totalitäres System … nicht wiederholen kann.“ (Andrzej Branecki, der das KZ und den Todesmarsch überlebte, 2004 in einem Interview).

Diese Forderung steht weiterhin.

Abb. (PDF): Foto Mahnwache