Politische Berichte Nr. 4/2020 (PDF)03a
Blick in die Medien

Global Britain löst Take back control ab

Eva Detscher, Karlsruhe

Laut „Guardian steckt die britische Regierung 93 Millionen Euro in eine Brexit-Wiederauffrischungs-Kampagne „check control go“: wer auch immer Geschäfte mit der EU hat, soll sie ändern und anders gestalten, jetzt soll als globale Kraft agiert werden. Das ist so diffus, wie es klingt. Ob die Stimmung dadurch besser wird? – Im Innern des Landes wachsen die Spannungen: „Black-Lives-Matter“, innere Fliehkräfte wachsen (Schottland, Nordirland), regierungsseitige Angriffe gegen die BBC, Veränderungen im Regierungsapparat, Entlassungen bei der Post, Führungswechsel bei der Labourpartei und viele Maßnahmen wegen der Pandemie wie z.B. ein 34 Milliarden Pfund schweres Sonderprogramm für beurlaubte Arbeitslose, das ein Drittel der Erwerbstätigen betrifft (zwölf Millionen Menschen): vier Fünftel des bisherigen Lohns werden vom Staat bezahlt. – Die Vorbereitungen für den Ausstieg haben bereits zwei Milliarden Pfund verschlungen, die Subventionen für Landwirte und Fischer, die bisher von der EU kamen, müssen selbst aufgebracht werden, der Aufbau von nationalen Behörden für Umwelt, Medikamentenzulassung, Produktsicherheit – all das kommt zu den Kosten hinzu bei gleichzeitig wegbrechenden Steuereinnahmen wegen Corona. – Die Zollabwicklung schafft zwar neue Stellen, startklar ist noch gar nichts. In Kent, 20 km von Dover entfernt, hat die Regierung Mitte Juli in einer Nacht- und Nebelaktion zwar elf Hektar Land gekauft, um eine Zollstation für die Waren, die über die Fähre in Dover ankommen, zu errichten, bislang ist aber noch alles in der Schwebe. – Die Deadline 31.12.2020 ist gesetzt für eine Übereinkunft im Rahmen eines Gesamtabkommens, wie es die EU anstrebt und das alle Aspekte künftiger Beziehungen beinhalten soll. Die britische Seite besteht auf Einzelabkommen (Zoll, Handel, Standards, Wissenschaft, Forschung, Sicherheitspolitik usw.). – Das Problem für die EU ist, dass sie Großbritannien nicht einfach genauso behandeln kann, wie sie von Großbritannien behandelt wird. Es ist für die EU von erheblicher Bedeutung, was dem direkten Nachbarn, Geschäftspartner und befreundeten Land widerfahren und in welche Abhängigkeiten es sich in seiner Not, von vielen als unvermeidlich gesehen, begeben wird. – Hier wäre ein vernünftiges Handelsabkommen und geregelte Wirtschaftsbeziehungen ein Anfang für neues Vertrauen – die britische Führung hat sich mittlerweile aber derart verrannt in die Vision des Großen Globalen Britanniens, dass noch nicht abzusehen ist, wie groß der Schaden für alle und wer in aller Welt letztlich der Gewinner sein wird.

NZZ, Guardian, FAZ, The Telegraph