Politische Berichte Nr. 4/2020 (PDF)20
Rechte Provokationen – Demokratische Antworten

Rechte Provokationen – demokratische Antworten

Redaktionsnotizen. Zusammengestellt von Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) will nicht als rechtsextrem gelten.

02 AfD-Hessen befürchtet Zerstörung von Bismarck-Denkmälern.

03 J. Elsässer: „Vertrauen wir nicht auf eine Partei, vertrauen wir auf das Volk“.

04 Weitere Morddrohungen gegen Bundestagsabgeordnete unterzeichnet mit NSU 2.0.

01

Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) will nicht als rechtsextrem gelten. Sie wurde 2019 vom Bundesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ gewertet. Dagegen erhob die IBD beim Verwaltungsgericht Berlin den Antrag auf einstweilige Anordnung, dass die Identitäre Bewegung in Verfassungsschutzberichten nicht „gesichert rechtsextremistisch“ genannt werden dürfe. Der Antrag wurde abgelehnt, der Beschluss ist zunächst vorläufig. Die IBD beklagt pauschale Unterstellungen des Gerichtes, z.B. bei der Behauptung, sie hielten am „ethnischen Volksbegriff“ fest, wo doch stets nur eine „relative ethnische Homogenität“ in ihrem Forderungskatalog zu finden sei. Jegliche Einwanderungskritik könne künftig als verfassungsfeindlich eingestuft werden. Das Gericht gesteht der IB zwar zu, nicht grundsätzlich gegen Einwanderung zu sein und Migrationsbewegungen in der Historie als Teil natürlicher Prozesse zu begreifen, aber die Feststellung, dass Europa ohne europäische Völker nicht mehr derselbe Kontinent sei, wird als Indiz für Verfassungsfeindlichkeit gewertet. Nun hoffen sie auf das Hauptsacheverfahren.

(23.6.20 identitaere-bewegung.de)

02

AfD-Hessen befürchtet Zerstörung von Bismarck-Denkmälern. Frank Grobe, AfD: „Im Zuge der Anti-Rassismus-Demonstrationen sind weltweit Denkmäler ins Visier von Linksextremisten geraten. Kürzlich wurde ein Bismarck-Denkmal in Hamburg mit Farbe beschmiert. In Hessen sind bis heute 12 Bismarcktürme erhalten. Wie lange dauert es, bis diese beschmiert oder gar zerstört werden? Wenn nun Bismarck aus Sicht einiger linksideologischer Extremisten nicht mehr tragbar ist, wer fällt noch in Ungnade? Schiller, Goethe, Büchner oder die Gebrüder Grimm? Es tobt ein Kulturkampf, der zum Ziel hat, die Deutschen von ihrer Identität zu trennen. Dieser Weg führt in einen ideologischen Totalitarismus.“ Dazu Aram Ziai, Leiter des Fachbereichs Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien an der Uni Kassel: „Bismarck wird als kluger, konservativer Staatsmann und Stratege dargestellt. Dabei hat er die Kongokonferenz 1884/85 einberufen, wo es darum ging, Afrika aufzuteilen, um dafür zu sorgen, dass Deutschland seinen ‚Platz an der Sonne‘ bekommt. So konnten Genozide an den Herero und Nama erst passieren. Die Bismarcktürme zementieren einen unpolitischen und für eine Demokratie fragwürdigen Politikerkult aus vergangener Zeit. Bismarcktürme stehen auch noch in ehemaligen Kolonien, etwa in Papua-Guinea und Tansania.“ (HR 25.06.20)

03

J. Elsässer: „Vertrauen wir nicht auf eine Partei, vertrauen wir auf das Volk“. „Der Ausschluss von Andreas Kalbitz ist eine Zäsur. Jetzt muss etwas passieren! Ich will der Partei und dem Flügel keine Ratschläge geben, aber der Zusammenhalt mit Jörg Meuthen und den Steigbügelhaltern der CDU/CSU und FDP in der AfD – mit den „Feindzeugen“ – ist ein suizidales Programm. Die Hoffnung für Deutschland kann nur aus dem Osten kommen.“ Der Flügel sei Meuthen selbst ins Messer gelaufen, weil sie sich „den Halben“ (Ausdruck von B. Höcke) zu sehr angepasst hätten. Mit dem Ausschluss von Sayn-Wittgenstein, Räpple u.a. und der Marginalisierung Poggenburgs hätten wichtige Offiziere des Flügels die Partei verlassen müssen und durch den Verlust von Kalbitz fehlten die Bataillone, die Schlacht zu gewinnen. Elsässer schätzt die Lage als „verdammt düster“ ein. Der Ausschluss von A. Kalbitz sei eine Zäsur, jetzt müsse etwas passieren! So wie die Dinge jetzt lägen, könne er die AfD nicht mehr wählen. Das Volk als eigentlicher politischer Souverän müsse jetzt in Bewegung gebracht werden, in den Schulen, in den Betrieben. Er hofft auf die Anti-Corona-Diktatur-Bewegung, die an Fahrt aufgenommen habe, von der AfD aber zu wenig unterstützt werde. (Compact-TV 25.07.20)

04

Weitere Morddrohungen gegen Bundestagsabgeordnete unterzeichnet mit NSU 2.0.

Christoph Cornides, Mannheim. Vom 21. auf 22. Juli 2020 erhielten drei weitere Bundestagsabgeordnete der Linken, alle Frauen mit migrantischer Herkunft, Morddrohungen mit dem Absender NSU 2.0. „Wie ein Fraktionssprecher (gegenüber dpa) sagte, haben Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sowie Sevim Dagdelen und Gökay Akbulut solche Mails bekommen – auch mehrere Abgeordnete der Grünen, z.B. Fraktionschef Anton Hofreiter. Äußern wollten die Betroffenen sich zunächst nicht. Sie stünden mit dem Bundeskriminalamt in Kontakt, sagte der Sprecher.“ (Spiegel online 23.7.2020) Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, erhielt eine Morddrohung.

Die „Frankfurter Rundschau“ berichtet am 21.7.2020: „Die Ermittler des hessischen LKA haben Informationen über 69 rechtsextreme Drohschreiben, die mit dem Kürzel „NSU 2.0“ versendet wurden. Diese richteten sich an 27 Personen und Institutionen in insgesamt acht Bundesländern, sagte Innenminister Peter Beuth (CDU), im Innenausschuss des hessischen Landtags ….“ Unter den Empfänger*innen der Drohmails sind viele Frauen, darunter die Bundestagsabgeordnete der Linken Martina Renner, die hessische Linken-Politikerin Janine Wissler und die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die im NSU-Prozess Opferfamilien vertreten hatte. Auch die Journalistin Maybrit Illner und der Journalist Deniz wurden bedroht. In Hessen musste das Innenministerium einräumen, dass Kontaktdaten Betroffener in vielen Fällen von Polizeicomputern abgefragt wurden. Eine Umfrage der „Welt am Sonntag“ ergab, dass wegen unberechtigter Datenabfragen seit 2018 bundesweit mehr als 400 Ordnungswidrigkeits-, Straf- oder Disziplinarverfahren gegen Polizeibeamte eingeleitet wurden, darunter sei eine zweistellige Zahl von eingestellten oder noch zu prüfenden Verfahren.

Die Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken, Amira Mohamed Ali, und die Bundestagsabgeordnete der Linken und Migrationspolitische Sprecherin der Fraktion, Gökay Akbulut, forderten in Interviews gegenüber Presse und ARD, die Bundesanwaltschaft müsse die Ermittlungen an sich ziehen. Mohamed Ali sagte dem Deutschlandfunk, in der Vergangenheit seien an vielen Stellen Drohungen auch Taten gefolgt. Sie sprach von einer „bedrohlichen Situation“.

Zwischenzeitlich wurde ein Ex-Polizist aus Landshut – rechtsextremistisch aktenkundig seit 2017 – festgenommen. Gegen ihn und seine Frau wird ermittelt. Die Polizei spricht aber von einem „Trittbrettfahrer“. Er hatte unter dem Pseudonym „Eugen Prinz“, einer Mailadresse, die für sechs der insgesamt mehr als 70 Drohmails verwendet wurde, u. a. für das Internetportal der Rechten „Politically Incorrect“ geschrieben und ein eigenes Blog betrieben. („Prinz Eugen“, ab 1697 Oberbefehlshaber der Habsburger gegen die Türken, in rechten und Nazikreisen ein Signalwort für den Kampf gegen „die Türken“).

Auch wenn fraglich ist, ob die Ermittlungsbehörden in technischer und vor allem politischer Hinsicht auf der erforderlichen Höhe des Kampfes gegen Rechts stehen, wäre darüber hinaus zu klären, ob die Forderung nach Anonymität im Internet gegenüber einem Medium, das inzwischen auch ein „Massenkommunikationsmedium“ ist und als solches öffentlichkeitswirksam genutzt wird, noch angemessen ist.