Politische Berichte Nr. 4/2020 (PDF)30
Kalenderblätter

Kalenderblatt 26. Juli* 1833 Britisches Empire

Der Slavery Abolition Act des britischen Parlaments 1833 – Ergebnis eines langwierigen Kampfes

01 dok: Birgitta Baader-Zaar über die Rolle der Quäker für die Abschaffung von Sklavenhandel und Sklaverei

02 The Slave Ship – Gemälde von William Turner (Barbara Burckhardt)

Eva Detscher, Karlsruhe

Das Denkmal von Edward Colston (1636 bis 1721) in Bristol wurde am 7. Juni 2020 von seinem Sockel gerissen und in den Hafen geworfen – inzwischen ist sie auch wieder geborgen und die Debatte in der Stadt über den Umgang mit diesem Denkmal auf den Weg gebracht – ein Zeichen, dass die Aktion dazu geführt hat, dass die Aufklärung der zugrundeliegenden Tatsachen und die aktuellen Bezüge unter dem wachen Auge öffentlicher Aufmerksamkeit forciert werden. – 1895 stifteten vermögende Kaufleute die Statue, um einen der Gründerväter der Stadt Bristol und einen großen Geldgeber für Krankenhäuser, Schulen, Armenhäuser und Universität, auch Straßen, Schulen, Konzerthalle wurden nach ihm benannt. Ursprung des Vermögens war der Sklavenhandel unter dem Dach der Royal African Company. Laut Guardian wurden in den 17 Jahren der Beteiligung Colstons bis zu 100 000 Sklaven von Afrika nach Jamaica und in die anderen britischen Kolonien transportiert und dort verkauft. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den wirtschaftlichen Nutzen, den die britischen Guts- und Schiffsbesitzer, Handelsgeschäftsleute und die ganze auf Abgaben beruhende britische Adelsgesellschaft daraus gezogen haben, müssen genauso durchleuchtet sein wie auch der einzelne Akteur und seine persönliche Schuld, aber auch, wenn sein Handeln im Gesamten ein differenziertes Bild ergibt (siehe auch den Beitrag von H. Lechner in diesem Heft: „Lutherstadt Wittenberg, Judenhass – in Stein gemeißelt“).

S klaverei an sich ist seit jeher Bestandteil der Hochkulturen (von Mesopotamien über Rom und Sachsen, im Schwarzmeerraum und auf dem Balkan, das Alte Testament regelt den Umgang mit Sklavinnen und Sklaven …) – industrielles Ausmaß bekam der Handel mit Sklaven mit der Gründung europäischer Kolonien und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung. Bis Mauretanien als letztes Land der Erde 1980 die bis dahin bestehenden Sklavereigesetze aufhob, war es ein langer Weg. Auf das Verbot des Sklavenhandels und die normative Abschaffung der Sklaverei können sich alle stützen, die Formen moderner Sklaverei bekämpfen (siehe dazu Bericht von Bill Lawrence in den Politischen Berichten vom März 2019: „Sklaven am Bau“ – Modern Slavery Act von 2015).

1807: Zuerst das Verbot des Sklavenhandels

In Zeiten des Britischen Empires waren es im 17. und 18. Jahrhundert zuerst Methodisten, Evangelikale, Unitaristen und vor allem Quäker, die es mit ihren religiösen Werten als nicht vereinbar hielten, dass Menschen wie Ware behandelt werden.

Die Quäker

Insbesondere die Quäker nutzten ihre transatlantischen Netzwerke in Form persönlicher Kontakte und durch Ideen- und Kulturtransfers (Literatur, Flugschriften, Symbolik, Argumentation).2 Es war die Zeit der Aufklärung, in den USA wurde 1776 die Menschenrechte deklariert, 1789 spielte die Französische Revolution allen emanzipatorischen Strömungen in die Hände, wobei in direkter Folge sie eher für Rückschläge der Antisklaverei-Bewegung sorgte (die erklärte Emanzipation der Sklaven wurde von den Revolutionären als „Missverständnis“ zurückgenommen). Die Widerstände waren riesig, die britische Wirtschaft basierte auf dem lukrativen Sklavenhandel. Der Abolitionismus – Fachausdruck für die Abschaffung von Sklaverei – wurde von vielen Seiten befeuert. „Aus Abolitionismus-Bewegungen wie der 1787 aus einem Häuflein Londoner Idealisten entstandenen wuchs eine große Bürgerrechtsbewegung (es gab Aufrufe zum Boykott von Zucker aus den Plantagen), die sich the Society for Effecting the Abolition of the African Slave Trade nannte“.3 Ein Symbol der Bewegung war das Wegewood Siegel „Am I not a man and brother?“ (siehe Bild).

Stimmen von befreiten Sklaven und Sklavinnen

„Eine weitere in der Antisklavereibewegung herausragende soziale Gruppe waren die befreiten Sklaven und Sklavinnen. In Großbritannien wurden Ottobah Cugoano (ca. 1757–ca. 1803) mit seinen 1787 veröffentlichten Thoughts and Sentiments on the Evil of Slavery sowie Olaudah Equiano (ca. 1745–1797) mit der 1789 publizierten Interesting Narrative of the Life of Olaudah Equiano, or Gustavus Vassa, the African written by himself berühmt.“2 Eine Vielzahl von weiteren Wegemarken, wie der sogenannte Somerset-Fall 1772 (Gerichtsverfahren, das mit der Freilassung des Sklaven James Somerset endete), oder die Gründung des London Abolition Committee 1787 wie auch die Vielzahl an Schilderungen der Lebensverhältnisse von versklavten Menschen mündete 1807 in dem britischen Verbot des transatlantischen Sklavenhandels. Es war gelungen, eine „Massenmobilisierung zu erzeugen, die es vor dieser Zeit in den Vereinigten Staaten und auch auf dem europäischen Kontinent so nicht gegeben hatte“2.

1833: Verbot der Sklaverei

Nach 1807 überschlugen sich die Ereignisse auf allen gesellschaftlichen Ebenen: Verschiedenste Vereinigungen für die – teilweise oder vollständige – Abschaffung der Sklaverei wurden über das ganze Land und auch weithin in die Dominions (britisches Herrschaftsgebiet) wiederum mit Unterstützung durch die Quäker gegründet.

Publikationen wie der The Anti-Slavery Reporter (1825) oder The Slavery of the British West Indian Colonies Delineated (1824 und 1830) oder Henry Whiteleys Three Months in Jamaica (1832) oder auch The History of Mary Prince: A West Indian Slave, Related by Herself (1831) lösten einen heftigen Diskurs über die Folgen einer Abschaffung der Sklaverei aus und mobilisierten vor allem die Mitte der Gesellschaft. Als dann aber auch die Ausbeutung von Kindern in den Fabriken in Yorkshire in einem Report unter dem Titel Yorkshire Slavery 1830 veröffentlicht wurde, griff die Arbeiterbewegung die humanitären Argumente der Abolitionisten auf und machte die Befreiung der Sklaven zu einer Sache, die auch für die Armen und Ausgebeuten wichtig war. Ähnlich verhielt es sich mit den vierzig Frauen-Anti-Sklaverei-Vereinigungen, die 1831 aktiv waren. 5000 Petitionen mit 1,5 Millionen Unterschriften machten 1833 dem britischen Parlament diese enorme gesellschaftliche Wucht deutlich – und führten zum Beschluss für die Abschaffung der Sklaverei.

Abb. (PDF): Wegewod Siegel

Quellen: Robin Blackburn: The Overthrow of Colonial Slavery, 1776-1848. Part of the Verso World History series 2 Birgitta Bader-Zaar: Abolitionismus im transatlantischen Raum: Organisationen und Interaktionen der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei im späten 18. und 19. Jahrhundert. Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz 2010-12-03. 3 Jennifer Reber: Zur Durchsetzung der Abschaffung des Sklavenhandels. Die britische Abolitionsbewegung und die politische Auseinandersetzung im Parlament. GRIN Verlag (22. November 2017)

* Slavery Abolition Act. Das Gesetz hatte seine dritte Lesung im House of Commons am 26. Juli 1833, drei Tage vor William Wilberforces Tod. Es erhielt Royal Assent eine Monat später, am 28. August, und wurde rechtskräftig im folgenden Jahr, am 1. August 1834. (Wikipedia)

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dok: Birgitta Baader-Zaar über die Rolle der Quäker für die Abschaffung von Sklavenhandel und Sklaverei2

„Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehende Bewegung gegen Sklavenhandel und Sklaverei hatte ihre Wurzeln im angloamerikanischen Raum und erreichte auch hier ihre größte soziale Mobilisierung. Anfangs eingebettet in das transatlantische Netzwerk der Quäker, erweiterte sich die Basis der Abolitionisten vor allem im Rahmen nonkonformistischer protestantischer Gruppierungen und der evangelikalen Bewegung. Besonders das britische Engagement trug den Abolitionismus in Form ideeller und finanzieller Unterstützung nach Europa, hier vor allem nach Frankreich. Interaktionen der Abolitionisten erfolgten sowohl in Form persönlicher Kontakte als auch auf der Ebene des Ideen- und Kulturtransfers (Literatur, Flugschriften, Symbolik, Argumentation).“

„In Germantown (Pennsylvania) hatten Quäker 1688 die erste bekannte Resolution gegen die Sklaverei verabschiedet. In den 1750er Jahren setzte sich John Woolman (1720–1772) in Philadelphia gegen den Sklavenhandel und die Sklavenhaltung unter Quäkern ein, und 1758 verboten die Quäker Philadelphias ein Engagement ihrer Glaubensbrüder im Sklavenhandel. Ähnliche Beschlüsse, die zunehmend auch den Besitz von Sklaven ablehnten, wurden später in anderen Quäkerversammlungen in Neuengland und 1761 auch in London gefasst. Anthony Benezet (1713–1784), der aus Frankreich über London nach Philadelphia emigriert war, gab schließlich den Anstoß zu einer umfassenderen Agitation gegen die Sklaverei. Sklavenhandel und Sklavenbesitz sollten nicht nur bei den Quäkern verboten sein, sondern im ganzen britischen Empire abgeschafft werden.“

„Die Quäker, die ein transatlantisches Netzwerk bildeten, blieben in der Antisklavereibewegung weiterhin stark präsent. Benezet hatte bereits Anfang der 1770er Jahre den Kontakt zu den Briten gesucht, und John Woolman nahm 1772, kurz vor seinem Tod, an der Londoner Jahresversammlung der Quäker teil. Nach dem Friedensschluss Großbritanniens mit den Vereinigten Staaten waren die britischen Quäker 1783 schließlich auf Anregung ihrer amerikanischen Glaubensbrüder dazu bereit, eine Petition gegen den Sklavenhandel an das Unterhaus zu richten und eine entsprechende Schrift an den König zu schicken.“

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The Slave Ship – Gemälde von William Turner

Barbara Burckhardt, Berlin

„The Slave Ship“, deutsch: Das Sklavenschiff, ursprünglicher Titel: Slavers Throwing overboard the Dead and Dying – Typhon coming on (Sklavenhändler werfen Tote und Sterbende über Bord – ein Taifun zieht auf), ist ein Gemälde des romantischen englischen Malers JM William Turner aus dem Jahre 1840. Es zeigt im Hintergrund einen Sonnenuntergang mit dramatischer Wolkenformation, die einen stärker werdenden Sturm ankündigt. Links davon treibt ein dreimastiges Segelschiff in einer aufgewühlten See. Es ist ein Sklavenschiff, von dem sterbende und tote Sklaven über Bord geworfen wurden. Zu den im Wasser treibenden menschlichen Körpern mit schwarzen Fussfesseln stoßen verschiedene Meerestiere in teilweise fantasievoller Darstellung sowie Vögel und zwei monströs große Wesen, um die Körper zu fressen.

Turners Gemälde liegt ein tatsächliches Ereignis aus dem Jahr 1781 zugrunde. Auf Anweisung des Kapitäns Collingwood auf dem britischen Sklavenschiff „Zong“ wurden 133 Sklaven über Bord geworfen, um eine befürchtete Wasserknappheit infolge eines Navigationsfehlers abzuwenden und um von der Versicherung Geld (rund 30 Pfund pro Sklave) für den „Warenverlust“ auf See einzustreichen.

William Turner, ein Anhänger der Abolitionismus-Bewegung, stellte „The Slave Ship“ 1840 in der Royal Academy of Arts anläßlich des 1. Treffens des Kongresses „The World Anti-Slavery Convention“ – organisiert von der the Society for the Extinction of the Slave Trade – erstmals aus. Präsident der „Society“ und Redner auf dem Kongress war damals Prince Albert, der Gemahl von Königin Victoria. Turner und die anderen Abolitionisten hofften, das britische Königshaus und die britische Öffentlichkeit damit für die weltweite Abschaffung der Sklaverei zu gewinnen.

Quellen: https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Sklavenschiff, https://de.qwe.wiki/wiki/The_Slave_Ship, https://chronicle250.com/1840 (The Royal Academy Summer Exhibition: A Chronicle, 1769–2018) , https://www.blackpast.org/global-african-history/zong-massacre-1781/

Abb. (PDF): Turner, The Slave ship