Politische Berichte Nr. 5/2020 (PDF)04b
Aktuell aus Politik und Wirtschaft

Regierung stellt Plan zur Wiederbelebung der spanischen Wirtschaft vor

Info: Wofür will die spanische Regierung die Fondsmittel verwenden?

Claus Seitz, San Sebastián

Am 7. Oktober hat die spanische Regierung in einer Online-Konferenz mit Botschaftern der europäischen Mitgliedsländer, mit Vertretern der spanischen autonomen Regionen und von Unternehmen und Gewerkschaften den ersten Aufschlag gemacht und die Hauptlinien ihres Plans zur Wiederbelebung der spanischen Wirtschaft vorgestellt. Von den 140 Milliarden Euro, die das Land 2021 bis 2026 aus den europäischen Fonds erhalten soll, sollen 72 Milliarden in den ersten drei Jahren (2021–2023) investiert werden, 59 Milliarden Euro aus dem Plan „Recuperación y resiliencia“ (Wiederaufbau und eine widerstandsfähigere Union) und 12,4 Milliarden Euro aus dem Plan „React-Eu“ (Aufbauhilfe für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas).

Zu einer großangelegten, tiefgehenden Modernisierung der spanischen Wirtschaft, die die Lücke zu anderen europäischen Ländern um zwei Drittel schließt, und zur Förderung des Wirtschaftswachstums sollen die Fonds-Mittel vor allem in die Bereiche Klimawandel und Umwelt (37 %) und digitaler Wandel (33 %) fließen, sowie in Maßnahmen für die Stärkung des sozialen und territorialen Zusammenh alts und für die Gleichstellung der Geschlechter. (Siehe Kasten.)

Im Staatshaushalt 2021 werden die ersten 26,64 Milliarden Euro dafür vorgesehen, die, bis sie tatsächlich von der EU überwiesen werden, über Schuldenaufnahmen vorfinanziert werden sollen.

Die Steuerung der Investitionsprogramme soll über eine innerministerielle Kommission unter Vorsitz von Sanchez und eine sektorielle Konferenz mit Verantwortlichen der autonomen Regionen unter Leitung der Finanzministerin erfolgen. Eine Co-Verwaltung der Programme zusammen mit den autonomen Regionen und den Gemeinden, bei denen ein Großteil der Kompetenzen bei der Umsetzung liegt, soll entwickelt werden. Am 26. Oktober wird unter Anwesenheit der EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen der Regierungsplan mit den Präsidenten der autonomen Regionen beraten werden.

Daneben plant die Regierung eine Gesetzesreform zur Beschleunigung der Verteilung der Fondsmittel und ihrer effektiven Verwendung. Ministerpräsident Sanchez: „Wir können uns nicht erlauben, dass die Bürokratie die wirtschaftliche Erholung und die Modernisierung, die unser Land fordert und braucht, behindert.“

Unternehmen, Vertreter der Sozialgesellschaft und des akademischen Bereichs forderte Sanchez auf, sich einzumischen. Zusätzlich zu den öffentlichen Investitionen werde der Schwung privater Investitionen benötigt. Auf Basis der europäischen Hilfen sollen über Finanzierungsinstrumente und öffentlich-private Zusammenarbeit 500 Milliarden Euro mobilisiert werden.

Dialogforen auf hohem Niveau zu verschieden Themen sollen geschaffen werden: Wissenschaft und Innovation, Digitalisierung, Energie, Wasser, Mobilität, Industrie, Tourismus, Demographie, Kultur und Sport.

Mit Hilfe der europäischen Mittel soll 2021 das spanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um zusätzliche 2,6 Prozent auf 9,8 % gesteigert werden und 800 000 zusätzliche Arbeitsplätze sollen entstehen. Ein sehr starker Impuls, der auf dem Kalkül der Regierung basiert, dass jeder investierte Euro mit einem Wachstum von 1,2 Euro zurückwirken wird. Verschiedene Experten werten dies „als hochgestecktes Ziel“, für dessen Erreichen bestimmte Umstände gegeben sein müssten, z.B. dass die Projekte tatsächlich eine so hohe Wirksamkeit entfalten, wie von der Regierung erwartet wird, oder dass Spanien sich in die Lage versetzt, auch so rasch und effektiv investieren zu können.

Unsicherheit und Zweifel bestehen hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Corona-Virus-Pandemie und ihrer Auswirkungen. Mit Spannung schaut man auf die Verhandlungen der definitiven Verträge für den europäischen Wiederaufbaufonds.

Im Vorfeld der Konferenz hatte die Regierung die Grenze für die öffentlichen Ausgaben im Jahr 2020 auf 196,1 Milliarden Euro angehoben. Gegenüber dem Planungsstand vor Ausbruch der Pandemie bedeutet dies eine Erhöhung um 53 %. Den autonomen Regionen wurde das mögliche Defizit von 0,1 % (vor Beginn der Pandemie vereinbart) auf 2,2 % des BIP (nicht verpflichtend, sondern zur Orientierung) angehoben.

Es wird damit gerechnet, dass der großzügige Rahmen für die öffentlichen Ausgaben Hindernisse für die Zustimmung des Staatshaushalts 2021 im Parlament beseitigt.

Die Aufhebung der Fiskalregeln und die europäischen Hilfen wirken wie ein Sauerstoffballon auf die Absicht der Regierung, eine expansive Politik durchzuführen. Die Abschaffung der Ausgabendeckelung wird die Bürgermeister der großen Städte besänftigen und einige potentielle Alliierte (wie die baskischen PNV und die katalanische ERC) zufrieden stellen.

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Info: Wofür will die spanische Regierung die Fondsmittel verwenden?

Klimawandel und Umwelt

Die quantitativen Ziele des spanischen Nationalen Integrationsplans für Energie und Chemie sollen um 40 % schneller erreicht werden:

• Ausbau der Wind- und Solarenergie, der Photovoltaik. Errichtung von 100 000 Ladestellen für Elektrofahrzeuge. Bis 2023 sollen 250 000 neue Elektrofahrzeuge verkehren.

• Mehr als eine halbe Million von Wohnungen sollen energetisch renoviert werden.

• 2 Milliarden Euro sind vorgesehen für die integrierte Verwaltung der Küsten, für Wasserressourcen und für die Restaurierung von 3 000 Flusskilometern.

Digitaler Wandel

• In Übereinstimmung mit der europäischen Digitalstrategie und mit der spanischen Digitalagenda 2025 sollen 80% der Spanier eine Ausbildung in digitaler Kompetenz erhalten.

• 75 % der Bevölkerung sollen über 5 G-Netzdeckung verfügen, alle über einen schnellen Internetanschluss. 150 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sollen in Telearbeit (Homeoffice) ausgebildet werden. Digitalisierungsprogramme für 2,5 Millionen kleine und mittlere Firmen sollen aufgelegt werden.

Weitere Bereiche

• Schaffung von mehr als 65 000 Kinderkrippenplätzen für Kinder von null bis drei Jahren.

• Schaffung von 1.460 Begleitungs- und Orientierungseinheiten für schutzbedürftige Schüler. Besondere Erziehungsprogramme für 3 000 auf bestimmte Erziehungsprobleme spezialisierte Zentren.

• Finanzierung von 250 000 elektronischen Geräten mit Internetverbindung zur häuslichen Benutzung.

• Schaffung von interaktiven digitalen Kursräumen in 19 000 Erziehungszentren.

• Schaffung von 200 000 neuen beruflichen Ausbildungsplätzen in vier Jahren.

Ausdehnung der Berufsausbildung auf 3 000 Gemeinden mit weniger als 5 000 Einwohnern.

• Rehabilitierung und Anpassung der Infrastruktur von Wohnheimen zur Verbesserung der Betreuung von 75 000 behinderten Personen.

• Erleichterung des Zugangs zu Fernbetreuungsdiensten für 870 000 Personen, die in ihren eigenen Wohnungen leben.

Die gesamten 140 Milliarden Euro sollen in folgende zehn Hauptbereiche fließen:

• Erziehung und Berufsausbildung 18 %

• Modernisierung und Digitalisierung des produktiven Bereichs 17 %

• Wissenschaft, Innovation und Stärkung des nationalen Gesundheitssystems 17 %

• Städtische und ländliche Agenda 16 %

• Infrastruktur und widerstandsfähige Ökosysteme 12 %

• Energetischer Wandel 9 %

• Pflege und Beschäftigungspolitik 6 %

• Modernisierung der öffentlichen Verwaltung 5 %

• Kultur, Sport und Modernisierung des Steuerwesens 1 %

Abb. (PDF): Präsentation des Regierungsplans durch die vier Vize-Ministerpräsidenten