Politische Berichte Nr. 5/2020 (PDF)07
Aktuell aus Politik und Wirtschaft

Wie Frankreich die Krise bewältigen will

DOK: France Relance

Matthias Paykowski Karlsruhe

Das hundert Milliarden Euro umfassende Programm „France Relance“ (Aufschwung für Frankreich) wird von der französischen Regierung als „beispielloser Plan zum Wiederaufbau“ bezeichnet. 40 Milliarden Euro davon sind aus dem EU-Fonds vorgesehen. Der Plan wurde Anfang September vorgestellt, die Größenordnung entspricht etwa einem Drittel des französischen Staatshaushalts.

Drei Säulen, „Herzstück“ des Programms, formulieren die Ansprüche: „1. Den ökologischen Wandel beschleunigen“ (30 Milliarden Euro). „2. Unsere Wirtschaft souveräner und wettbewerbsfähiger machen“ (34 Milliarden Euro) Und „3. Der soziale und territoriale Zusammenhalt in den Diensten von Beschäftigung und Kompetenzen“ (35 Milliarden Euro).

Zum im Frühjahr aufgelegten Corona-Hilfspaket von 460 Milliarden Euro (!) sind weitere 70 Projekte als förderungswürdig befunden. Investiert werden soll in Zukunftstechnologien und -kompetenzen, in Stärkung des „Wachstumsvermögen Frankreichs“ sowie den Umbau der Wirtschaft (Stichwort Digitalisierung). Adressaten der drei Säulen sind: 1. Transport, Wohnen, Energie, Landwirtschaft. 2. die französischen Unternehmen und 3. Arbeitsmarkt und Bildung (Siehe auch Kasten).

Die Wette, die Präsident Macron und die französische Regierung eingehen, ist, dass die Maßnahmen nicht nur die Verwerfungen der Corona-Krise mildern und auffangen, sondern auch einen zukunftssichernden Umbau der Gesellschaft befördern, sowie dazu beitragen, dass Wirtschaft und Konjunktur wieder anspringen.

Die Maßnahmen sind überwiegend auf 2022 und 2023 terminiert. Etliches geht darüber hinaus: Bis 2030 stehen z.B. sieben Milliarden Euro allein für die Entwicklung der Wasserstofftechnologie bereit. Für Flugzeugbau, Automobilindustrie und Tourismus wird es weiter staatliche Unterstützung geben. Der Arbeitsmarkt wird durch finanzielle Mittel für die Unternehmen und die Kurzarbeitsregelungen gestützt. So ist Kritik aus den Gewerkschaften auch eher verhalten. Die Gewerkschaft CFDT merkt an, dass bei allen Maßnahmen, die vor allem auf die Wirtschaft zielen, die Ärmsten der Armen der französischen Gesellschaft nicht vergessen werden dürfen!

Nicht wirklich überraschend: Die Idee vom „Aufbau der industriellen Souveränität“ ist für die französische Gesellschaft nicht ganz neu. „Relokalisierung in strategischen Sektoren“ meint aktuell Gesundheit, bestimmte industrielle Vorstoffe, Elektronik, 5G sowie Nahrungsmittel. Das bleibt hoffentlich nicht die einzige Antwort auf die dramatische Erfahrung mit nicht- bzw. nicht ausreichend vorhandenen Schutzmasken.

Quellenhinweis: https://www.economie.gouv.fr/files/files/directions_services/plan-de-relance/annexe-fiche-mesures.pdf (in franz. Sprache)

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DOK: France Relance

1. Den ökologischen Wandel beschleunigen

• das Transportwesen zu revolutionieren, indem der Zugverkehr der heutigen Zeit angepasst wird und dem Schienennetz wieder der Anspruch zukommt, alle Gebiete des Landes zu beleben (4,7 Milliarden Euro für den Zugverkehr, 1,2 Milliarden Euro für die Fahrradinfrastruktur und die Alltagsverkehrsmittel);

• überall im Land in die energetische Gebäudesanierung zu investieren (4 Milliarden Euro für öffentliche Gebäude, 2 Milliarden Euro für private Wohnungen, 500 Millionen Euro für Sozialwohnungen und 200 Millionen Euro für kleine und mittlere Unternehmen sowie Kleinstunternehmen);

• sich der Herausforderung der Energieversorgung und der Technologien zu stellen, indem in grünen Wasserstoff (2 Milliarden Euro), in grüne Technologien (3,4 Milliarden Euro) und in die Dekarbonisierung unserer Industrie (1,2 Milliarden Euro) investiert wird;

in eine hochwertige Ernährung für alle mittels einer gesunden Landwirtschaft und einer Rückbesinnung auf lokale Produkte zu investieren (1,2 Milliarden Euro).

2 . Unsere Wirtschaft souveräner und wettbewerbsfähiger machen

• eine massive Senkung der Steuerlast für die Unternehmen. Diese Senkung wird allen Branchen zugutekommen, jedoch insbesondere der Industrie und dem Handel;

• eine Beihilfe zum Tagesgeschäft der Unternehmen, indem ihnen langfristig Eigenmittel und Geldfluss garantiert werden (3 Milliarden Euro zur Unterstützung der Finanzierung von Unternehmen);

• den Aufbau einer industriellen Souveränität: 1 Milliarde Euro für die Rückverlagerung der Produktion, davon 600 Millionen Euro, um in strategische Branchen für die Zukunft zu investieren, und 400 Millionen Euro für Projekte im Rahmen der Initiative „Territoire d’industrie“.

3 . Der soziale und territoriale Zusammenhalt im Dienste von Beschäftigung und Kompetenzen

• ein Jugendprogramm (6,7 Milliarden Euro) mit Beihilfen zur Einstellung und Ausbildung sowie subventionierten Arbeitsplätzen;

• die Einrichtung eines Schutzschirms gegen Arbeitslosigkeit (7,6 Milliarden Euro), der die Implementierung der Kurzarbeit auf lange Sicht beinhaltet;

die Entwicklung von Kompetenzen, um aus dieser Krise mit Hilfe von Investitionen in Höhe von 900 Millionen Euro in ein Investitionsprogramm zugunsten der Ausbildung und 1 Milliarde Euro für France compétences und Pôle emploi eine Chance zu machen.

Quelle: https://de.ambafrance.org/France-Relance-Ein-Plan-zum-Aufbau-des-Frankreichs-von-morgen