Politische Berichte Nr. 5/2020 (PDF)12
Aus Kommunen und Ländern

Grüne im Aufschwung, CDU gefestigt. SPD und Linke sind Verlierer derKommunalwahl in NRW

Köln: Statt Schwarz-Grün – jetzt Grün-Schwarz?

dok: Wahlanalyse von Peter Heumann und Wolfgang Freye für das kommunalpolitische forum nrw (Auszug, vorab)

dok: Wahlanalyse von Peter Heumann und Wolfgang Freye für das kommunalpolitische forum nrw (Auszug, vorab)

2.1 Wahlbeteiligung

An den Kommunalwahlen 2020 beteiligten sich mit 7.386.217 wahlberechtigten Einwohner*innen 253.945 Menschen mehr als noch an den Wahlen in 2014. Die prozentuale Wahlbeteiligung stieg damit leicht von 50,0 % auf 51,9 % der Wahlberechtigten, den Wert der Kommunalwahlen 2009. Damit bleibt die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen in NRW bei leichten Schwankungen auch im Vergleich zu anderen Wahlen auf niedrigem Niveau. Es gibt dabei deutliche räumliche Unterschiede. (…) Deutlich wird, dass sich Kommunen mit geringer Wahlbeteiligung insbesondere im Ruhrgebiet häufen, wo viele Städte und Gemeinden hohe und in den letzten Jahren noch gestiegene Armutsquoten ausweisen. Diesen Zusammenhang hat auch das Kölner Amt für Stadtentwicklung und Statistik (dies., 2020a) für die Domstadt bezogen auf die Stadtteile ausgemacht und auch aus weiteren Wahlen ist er bekannt (FAZ.net, 2017). Höher ist die Wahlbeteiligung vor allem in den Landkreisen des Münsterlandes sowie in Westfalen und im südlichen Rheinland. Wahlforscher sprechen von immer stärker „gespaltenen Wahlen“.

2.2 Landesweite Ergebnisse der Parteien

Die großen Gewinner*innen der Kommunalwahlen sind eindeutig Bündnis 90/Die Grünen. Die Partei konnte ihr landesweites Ergebnis deutlich steigern und wurde in drei Städten des Rheinlandes stärkste Kraft. Die deutlichsten Verluste erlitt die SPD, die nur noch in Teilen des Ruhrgebietes sowie Herford und Lippe die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die CDU wurde landesweit und in den meisten Kommunen erneut stärkste Kraft, blieb aber hinter ihrem Ergebnis von 2014 zurück und fuhr ihr schlechtestes Ergebnis bei einer NRW-Kommunalwahl überhaupt ein (Tabelle 1).Im Folgenden werden die Ergebnisse der Parteien CDU, SPD, Grüne, FDP, Die Linke und AfD sowie der sonstigen Parteien im Einzelnen betrachtet.

CDU

Die CDU wurde landesweit erneut die stärkste Partei mit 34,3 % der Stimmen (minus 3,2 Prozentpunkte im Vergleich zu 2014). Ihre (relativen) Hochburgen hat die Union weiterhin in den Landkreisen. In der Rangfolge der Stimmenanteile unter den 54 Landkreisen und kreisfreien Städten in NRW werden folglich die ersten 23 Plätze von Landkreisen belegt. Erst auf den Plätzen 24 und 25 folgen mit Essen (34,4 %) und Mönchengladbach (34,0 %) kreisfreie Städte. Die schwächsten Ergebnisse erzielte die CDU in kreisfreien Städten an Rhein und Ruhr, insbesondere in Herne (20 %), Bochum (20,8 %) sowie Duisburg und Köln (je 21,5 %).

SPD

Die deutlichsten Verluste musste die SPD hinnehmen, die NRW-weit mit 24,3 % ganze 7,1 Prozentpunkte hinter ihrem Ergebnis aus 2014 blieb. Damit blieb die Partei unter ihren Ergebnissen in NRW bei den Landtags- (31,2 %) und Bundestagswahlen (26,0 %) in 2017, schnitt aber deutlich besser ab als bei der Europawahl 2019 (19,2 %). Bei dieser Kommunalwahl reichten die Ergebnisse von 44,1 % in Herne bis 15,5 % im Kreis Paderborn, jeweils 15,6 % in Bonn und im Kreis Heinsberg sowie 15,8 % im Kreis Borken und wiesen somit die stärkste Streuung aller Parteien auf. Fast alle SPD-Hochburgen liegen im Ruhrgebiet. Das wurde auch noch mal bei den Stichwahlen für die Oberbürgermeister*innen bestätigt, die die SPD in so wichtigen Städten wie Dortmund und Hamm teilweise knapp für sich entscheiden konnte, in Düsseldorf jedoch verlor.

Bündnis 90/Die Grünen

Die größten landesweiten Zugewinne konnten Bündnis 90/Die Grünen verzeichnen. Sie haben sich mit 20,0 % der Stimmen (plus 8,3 Prozentpunkte) nah an die zweitplatzierte SPD (24,3 %) herankämpfen können und wurden in den Räten der kreisfreien Städte Aachen (34,1 %), Bonn (27,9 %) und Köln (28,5 %) jeweils stärkste Kraft. In Münster blieb die Partei mit 30,3 % nur knapp hinter der CDU (32,7 %). Selbst die schwächsten Ergebnisse in Gelsenkirchen und Olpe (je 12,2 %) sowie Hamm (12,7 %) und Bottrop (12,8 %) waren deutlich zweistellig und erheblich besser als bei den letzten Wahlen.

FDP

Durchweg einstellig blieb bei diesen Kommunalwahlen die FDP, die aber ihr landesweites Ergebnis aus 2014 leicht von 4,8 auf 5,6 % verbessern konnte. Das mit Abstand stärkste Ergebnis erreichte sie in der Landeshauptstadt Düsseldorf (9,2 %) gefolgt vom Kreis Euskirchen (7,9 %) und dem Märkischen Kreis (7,5 %). Ihre schwächsten Ergebnisse lagen im Ruhrgebiet, insbesondere in Essen und Oberhausen (jeweils 3,0 %) und Duisburg (3,1 %). Im Ruhrgebiet ist die FDP insgesamt schwächer als Die Linke.

Die Linke

Die Linke blieb mit 3,8 % 0,8 Prozentpunkte hinter ihrem Ergebnis von 2014 zurück. Sie konnte nur in sieben Kreisen und kreisfreien Städten absolut Stimmen hinzugewinnen (Bonn, Borken, Heinsberg, Märkischer Kreis, Münster, Rhein-Erft-Kreis sowie Rheinisch-Bergischer Kreis). Relative Stimmanteile gewann die Partei im Kreis Heinsberg, im Märkischen Kreis und im Rhein-Erft-Kreis – in Bonn, Bochum und im Kreis Borken blieben die Anteile stabil.

Die zehn relativ besten Ergebnisse erzielte Die Linke bis auf den Rhein-Erft-Kreis im Braunkohlen-Abbaugebiet in kreisfreien Städten, insbesondere in Wuppertal (6,6 %), Köln (6,5 %), Bonn (6,2 %) und Bochum (6,1 %). Mit einer Ausnahme: Das beste Ergebnis überhaupt erhielt Die Linke in Iserlohn im Märkischen Kreis mit 7,52 %, der Bürgermeisterkandidat der Linken, Manuel Huff, erhielt mit 8,58 % sogar 1 % mehr als die Grüne-Kandidatin.

Die schwächsten zehn Ergebnisse lagen ausschließlich in Landkreisen, hier insbesondere in Höxter und Kleve (je 1,8 %) sowie im Hochsauerlandkreis und im Kreis Olpe (je 2,0 %). Dabei zeichnet sich im Mittelfeld der übrigen 34 Kreise und kreisfreien Städte durchaus ein durchmischtes Bild ab, so dass sich nicht per se sagen ließe „je städtischer, desto besser das Ergebnis“. Die größten Verluste hatte Die Linke in den Städten des Ruhrgebietes, wo sie im Durchschnitt 1,2 % verlor, am meisten in Oberhausen mit – 2,8 %.

AfD

Die Befürchtung, dass der AfD die Mobilisierung wie bei den letzten ostdeutschen Landtagswahlen besonders gelingt, hat sich im Landesschnitt und den meisten Kreisen und Städten nicht erfüllt. Mit 5,0 % konnte die AfD zwar ihr Ergebnis aus 2014 verdoppeln, bleibt aber landesweit unter ihrem Potential aus den jüngsten Wahlen.

In einigen Ruhrgebietsstädten sind die AfD-Ergebnisse jedoch überproportional. An der Spitze stehen Gelsenkirchen (12,9 %), Hagen und Duisburg (je 9,3 %) sowie Herne (8,5 %). Die schwächsten Ergebnisse holte die Partei im stark katholisch beeinflussten Kreis Coesfeld (0,6 %) sowie in Remscheid (1,0 %).

Weitere Parteien

Unter den weiteren Parteien verdienen insbesondere die Piratenpartei, die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI) sowie die erst 2017 als „paneuropäisches“ Projekt gestartete Volt eine genauere Betrachtung.

Die Piratenpartei erzielte nach ihren kurzlebigen Erfolgen in den frühen Jahren des Jahrzehnts bei den Kommunalwahlen 2014 noch 1,7 % der Stimmen und zog insbesondere in Großstädten mit teils mehreren Mandaten in die Kommunalparlamente ein. Mit dem zunehmenden bundesweiten Bedeutungsverlust erreichte die Partei bei den Kommunalwahlen 2020 nur noch 0,3 % der Stimmen und ist damit weitgehend marginalisiert.

Zulegen konnte hingegen die satirisch angelegte Die PARTEI, die ihren Stimmanteil von 0,1 % 2014 auf 1,0 % deutlich anheben konnte und vor allem in den Großstädten vermehrt in den Räten vertreten ist. Wie sich dies bei teils knappen Mehrheitsverhältnissen auf die kommunalpolitische Praxis vor Ort auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Die Partei Volt, die in Deutschland 2019 erstmals zur Europawahl antrat, ist zwar mit 0,5 Prozentpunkten landesweit kaum relevant, erzielte aber in einzelnen Kommunen zum Teil erstaunliche Ergebnisse. So ist sie im Bonner Rat mit 5,1 % künftig mit drei Mandaten in Fraktionsstärke vertreten. Auch bei den Wahlen für den Kölner Rat erreichte Volt mit 5,0 % der Stimmen und vier Mandaten die Fraktionsstärke. Dort stammen ihre Stimmen zum allergrößten Teil (11.600 Stimmen) von vorherigen Grüne-Wähler*innen (Stadt Köln – Amt für Stadtentwicklung und Statistik, 2020a und 2020b). Auch im Falle von Volt bleibt abzuwarten, wie sich die Partei in konkreten kommunalpolitischen Fragen sowie bündnispolitisch verhalten wird und ob es ihr gelingt, sich dauerhaft – auch kommunalpolitisch – zu verankern.

2.3 Wahlentscheidende Themen

Wahlentscheidend waren nach einer Erhebung von Infratest dimap landesweit vor allem die Themen Umwelt und Klima (32 %) sowie Wirtschaft (28) %. Es folgten Schule und Bildung (23 %), Einwanderung und Integration (20 %) sowie Verkehr und Stadtplanung (19 %). Dies unterscheidet sich aber teils deutlich nicht nur zwischen den Wähler*innen der jeweiligen Parteien, sondern auch je nach Kommune – und das nicht nur, wie man erwarten könnte, zwischen Stadt und Land (WDR, 2020).

So ist in Dortmund der Themenkomplex Umwelt und Klima (32 %) zwar auch der wichtigste, allerdings relativ dicht gefolgt vom Thema Wirtschaft (28 %). Es folgen mit größerem Abstand Einwanderung und Integration (22 %), Schule und Bildung (21 %) sowie Verkehr und Stadtplanung (20 %). Letzterer Themenkomplex ist in Köln hingegen auf dem zweiten Platz (29 %), noch deutlich hinter Umwelt und Klima (41 %). Es folgen Wohnungsbau und Mieten sowie Schule und Bildung (je 22 %) und abschließend Einwanderung und Integration (21 %). Bei den diversen Themen muss beachtet werden, dass unklar ist, in welcher Weise das Thema wahlentscheidend war. So können beispielsweise für Wähler*innen der Linken Einwanderung und Integration wichtig sein, weil sie eine möglichst offene Politik wollen, während es für die AfD-Wähler*innen aus der völlig entgegengesetzten Position heraus von Bedeutung sein kann.

Umwelt und Klima. Wenig überraschend waren für 80 % der Grünen-Wähler*innen landesweit Umwelt und Klima wahlentscheidend, ebenso wie für 38 % Linke-Wähler*innen, 24 % der SPD-Wähler*innen, 15 % der CDU-Wähler*innen, 13 % der FDP-Wähler*innen und acht % der AfD-Wähler*innen.

Wirtschaft spielte für 45 % der CDU-Wähler*innen sowie 44 % der FDP-Wähler*innen eine wahlentscheidende Rolle. Es folgen 23 % der SPD-Wähler*innen, 18 % der Linke-Wähler*innen, 14 % der AfD-Wähler*innen und nur acht % der Grüne-Wähler*innen.

Verkehr und Stadtplanung. Bei diesem Themenkomplex war die Streuung deutlich weniger breit. Für 23 % der Wähler*innen der Grünen war dieses Thema wahlentscheidend, es folgen die Wähler*innen von SPD, CDU, FDP und Die Linke mit 19, 18, 17 beziehungsweise 16 % und weit abgeschlagen die Wähler*innen der AfD mit sieben %.

Wohnungsbau und Mieten spielten für die Linke-Wähler*innen am ehesten eine wahlentscheidende Rolle (27 %). Mit deutlichem Abstand folgten die SPD-Wähler*innen mit 18 %, FDP-Wähler*innen mit 13 %, CDU- und Grüne-Wähler*innen mit jeweils zehn % und die Wähler*innen der AfD mit sieben % … Für die Wähler*innen keiner Partei war der Themenkomplex Wohnungsbau und Mieten so wichtig wie für diejenigen der Linken. Hier werden der Partei anscheinend durchaus Lösungskompetenzen zugeschrieben, wobei dies hier nicht konkret abgefragt wurde (WDR, 2020).

Abb. (PDF): Tabelle Stimmen und Stimmanteile 2014 und 2020

Abb. (PDF): Tabelle wahlentscheidende Themen