Politische Berichte Nr. 6/2020 (PDF)04
Aktuelles – US-Aussenpolitik

Internationale Entwicklungen, die USA und die Nato – nicht Eigenheiten einzelner US-Präsidenten bestimmt den Kurs USA und Internationaler Strafgerichtshof (ICC) Welthandelsorganisation: vom Instrument des Westens zum Streitobjekt von Entwicklungsdiktaturen und traditionellen Kapitalmächten

Internationale Entwicklungen, die USA und die Nato – nicht Eigenheiten einzelner US-Präsidenten bestimmt den Kurs

In fast allen politischen Lagern Europas werden Hoffnungen geäußert, dass mit dem neugewählten US-Präsidenten Joe Biden die multilateralen Organisationen gestärkt werden. Die folgenden drei Artikel machen deutlich, dass solche Hoffnungen vor dem Hintergrund der Interessenslage der USA in den verschiedenen Politikfeldern zu betrachten sind, die einen größeren Einfluss hat als die Eigenheiten bestimmter US-Präsidenten.

Christoph Cornides, Mannheim

Aus dem Zweiten Weltkrieg sind die USA als Weltmacht hervorgegangen. Diese Rolle verfolgen sie bis heute. Basis der Nato (Organisation des Nordatlantikvertrags) ist der 1949 geschlossene Nordatlantikvertrag, der sich auf Art. 51 der UN-Charta (Selbstverteidigungsrecht von Staaten) beruft. Die Nato ist ihrem Selbstverständnis nach und real nicht nur ein Verteidigungsbündnis, sondern auch eine militärische Organisation von inzwischen 30 europäischen und nordamerikanischen Mitgliedstaaten. Als solche war ihre Strategie nach dem Auseinanderfall der Anti-Hitler-Koalition und während des kalten Krieges bestimmt von der Strategie der „massiven Vergeltung“ (Abschreckung durch Fähigkeit, jeden Angriff mit einem atomaren Gegenschlag zu beantworten). Diese wurde ab 1968 flexibilisiert zur Fähigkeit stufenweisen Vorgehens von konventionellen Gegenangriffen bis zu Nuklearschlägen unterschiedlicher Dimension („flexible Antwort“).

Für die USA war und ist die Nato ein Mittel ihrer Außen- und Militärpolitik, dem sich die einzelnen Staaten oder Staatenverbünde (EU-Mitglieder der Nato) ein- und zuordnen unter Verfolgung eigener Interessen, was zu begrenzten politischen Konflikten zwischen den Mitgliedstaaten führen kann (z.B. Aus- und wieder Eintritt Frankreichs bei den Militärstrukturen der Nato). Mit dem Zerfall des Staatssozialismus Ende der 1980er Jahre, dem Beitritt der DDR zum Staatsgebiet der BRD (Einigungsvertrag 1990) und der Auflösung des Warschauer Paktes änderte sich die internationale Lage grundlegend. Mit der Bombardierung Belgrads im Jugoslawien-/Kosovo-Krieg 1999 führte die Nato unter Beteiligung Deutschlands ihre erste Militäraktion ohne UN-Mandat durch. Anschließend schlug sie unter US-Führung und im wachsenden Konflikt mit Russland den Weg der Osterweiterung durch Beitritt ehemaliger Staaten des Warschauer Paktes und des ehemaligen Jugoslawiens ein. 40 US-Senatoren warnten vor der Gefahr einer Konfrontation mit Russland. (Aussetzen der Beitrittspolitik vorerst bei Ukraine und Georgien).

Nach dem islamistischen Terroranschlag vom 11.9.2001 begannen die USA unter der Fahne des Krieges gegen den Terror und gegen Schurkenstaaten mit zunehmenden Interventionen in Nah- und Mittelost mit dem Ziel der Regimewechsel (Irak, Libyen, Syrien, Iran-Konflikt). Ein Resultat war das Entstehen des Islamischen Staates (IS).

Schon am Ende der Regierungszeit von G.W. Bush, aber vollends unter Obama und Trump, zeichnetet sich das Scheitern dieser Interventions- und Regime-WechTabesondern zur Entwicklung ständig neuer Konflikte und militärischen Brandherde führte. Zum Scheitern dieser Politik dürfte auch die Aufnahme einer aktiven Rolle durch Russland im Syrienkonflikt beigetragen haben.

Bereits unter Obama und fortgesetzt von Trump thematisierte die USA wachsende Interessenskonflikte mit China und gegenüber einer Allianz von China und Russland.

Im eigentlichen, jetzt erweiterten Bündnisgebiet der Nato im „Norden“, wollten USA und die Nato-Verbündeten – darunter auch die neu hinzugetretenen osteuropäischen Staaten unter US-Beistand – mit dem Nato-Manöver Defender 2020 die schnelle Truppenbewegung bis an die Grenzen Russlands demonstrieren – was Corona verhinderte.

Zieht man bei Trumps internationalem Gehabe seine „Stilbesonderheiten“ ab – (z.B. immer erst „Druck“ aufbauen, dann „Deals“), so passt sich auch die Trump-Außenpolitik in die Grundlinien der US-Außen- und Militärpolitik der letzten Jahrzehnte ein. Für die Politik Bidens (Vizepräsident unter Obama) ab 2021 dürfte das in großen Zügen also ähnlich gelten.

Stiftung Wissenschaft und Politik, (SWP), „Die Rolle der Nato für Europas Verteidigung“, Berlin 2019; Tobias Hecht, „Die Haltung der USA zur Nato-Erweiterung, Halle 2014; Mariana Babic, „Die Nato und ihre Geschichte“, 2020; Wikipedia, div. Zeittafeln

Abb. (PDF): Tabelle „Int. Konflikte, Interventionen/Kriege“