Politische Berichte Nr. 6/2020 (PDF)08
Aktionen – Initiativen

Aktionen/Initiativen/Autogipfel IAA-Standort-München? Dok: BN München Dok. Kommunale Politik IGM-Debatte Mobilitätsgeschichte Europäische Autokrise

Thema: Autogipfel [DOK] Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

01 Autogipfel: Keine Verlängerung von Kaufbeihilfen – ÖPNV- statt Ladegipfel nötig

02 Mobilität für Menschen ohne Auto fördern und sichern – Weitere Kaufanreize für E-Autos gehen am Problem vorbei, kritisiert der VCD.

03 Deutsche Umwelthilfe kritisiert geplante Milliarden-Subventionen für klima- und gesundheits- schädliche Lkw

04 Was treibt Autos in Zukunft an? VCD Faktencheck

05 Bis 2030 braucht Deutschland mindestens 440 000 Ladesäulen

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Autogipfel: Keine Verlängerung von Kaufbeihilfen – ÖPNV- statt Ladegipfel nötig

Im Vorfeld des erneuten Treffens von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Vertretern der Automobilindustrie macht der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) klar, dass es keine weiteren Steuergeschenke an die Automobilindustrie geben darf. Es hat sich gezeigt, dass die großen Konzerne auch im Jahr 2020 deutliche Gewinne verzeichnet haben, während kleinere Unternehmen und andere Branchen schwer zu kämpfen hatten. Die Unterstützung in der Krise muss dort ansetzen, wo sie auch wirklich gebraucht wird. Jens Hilgenberg, BUND-Verkehrsexperte:

„Eine Verlängerung der mit Steuergeld finanzierten Kaufbeihilfe für E-Autos und Plug-in-Hybride über das Jahr 2021 hinaus ist inakzeptabel. Besonders die Förderung von Plug-in-Hybriden, die sich in der Nutzung allzu oft als Mogelpackung erweisen, ist mit Blick auf den Klimaschutz fatal. Statt weiter die Anschaffung zu großer, schwerer und leistungsstarker Autos zu fördern, muss die Bundesregierung das Geld in eine sozial-ökologische Transformation des Mobilitätssektors investieren. Dafür muss unter anderem die Zulieferindustrie darin unterstützt werden, mit neuen Produkten die Abhängigkeit vom Auto zu durchbrechen, und Anbieter im Bereich der öffentlichen Verkehre müssen in die Lage versetzt werden, ihr Angebot nachhaltig und zukunftsfähig auszubauen.“

Der BUND fordert zudem den Rufen der Autolobby nach einem „Ladegipfel“ nicht nachzukommen. Aus Sicht des BUND ist die Wirtschaft und nicht die öffentliche Hand für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für elektrisch betriebene Pkw zuständig. Stattdessen sollte die Bundesregierung Geld vermehrt in die Elektrifizierung der öffentlichen Verkehre mit Bus und Bahn investieren. Sollten dennoch öffentliche Gelder fließen, muss klar geregelt werden, dass bei einer Ladesäule mit zwei Ladepunkten einer dieser Punkte für die öffentliche Nutzung, beispielsweise für stationsgebundenes Carsharing, Taxis oder den städtischen Lieferverkehr reserviert sein muss. Hilgenberg:

„Statt dem x-ten Autogipfel oder einem Ladegipfel muss es endlich den von Gewerkschaften und Klimaschützern angeregten und geforderten ÖPNV-Gipfel geben.

https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/autogipfel-keine-verlaengerung-von-kaufbeihilfen-oepnv-statt-ladegipfel-noetig/

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Mobilität für Menschen ohne Auto fördern und sichern – Weitere Kaufanreize für E-Autos gehen am Problem vorbei, kritisiert der VCD.

Keine Förderung für Diesel-LKW, sondern Unterstützung auch für Menschen, die mit Bus, Bahn oder Fahrrad unterwegs sind.

Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des ökologischen Verkehrsclub VCD kommentiert:

„Ein Autogipfel jagt den nächsten, das hilft vor allem denen, die bisher recht gut durch die Krise kommen: den großen Konzernen. Gerade jetzt gilt es aber, gute Mobilität für alle zu ermöglichen, und all denen, die sich in der Krise kein Auto leisten können oder wollen, mit einem „Startgeld grüne Mobilität“ unter die Arme zu greifen. Dies könnte für sämtliche Formen nachhaltiger Mobilität verwendet werden: eine Jahreskarte für den ÖPNV, ein neues Fahrrad oder Lastenrad, eine BahnCard oder Carsharing-Angebote. Mobilität muss für alle verfügbar und für alle bezahlbar sein. Dringend brauchen wir auch einen ÖPNV-Gipfel, wie wir ihn gemeinsam mit Gewerkschaften und anderen Umweltschutzorganisationen schon länger fordern.

Diskutiert wird stattdessen nur darüber, wie man mehr Autos verkaufen kann. Die Kaufprämie für Elektroautos bis 2025 zu verlängern, ist aber sehr kostspielig und hilft nur einer kleinen Nutzergruppe. Geradezu absurd ist es, Prämien für das Abwracken älterer Lkw zu zahlen und damit den Kauf neuer Diesel-Lkw nach der Schadstoffnorm Euro VI zu vergünstigen. Die aktuelle Lkw-Abgasnorm gilt bereits seit 2013 für Neufahrzeuge und schon heute werden über 80 Prozent der Fahrleistungen mautpflichtiger Lkw mit solchen Fahrzeugen erbracht. Unternehmen, die jetzt mit staatlicher Hilfe einen neuen Diesel-Lkw kaufen, werden in den kommenden Jahren nicht auf einen klimaschonenden Antrieb umsteigen.“

https://www.vcd.org/service/presse/pressemitteilungen/mobilitaet-fuer-menschen-ohne-auto-foerdern-und-sichern/

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Deutsche Umwelthilfe kritisiert geplante Milliarden-Subventionen für klima- und gesundheits- schädliche Lkw

Anlässlich des Autogipfels im Bundeskanzleramt fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ein Ende der Förderung klimaschädlicher Fahrzeuge. Anstelle von Kaufprämien für Diesel-Lkw braucht es eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene sowie Instrumente zur Förderung CO2-freier und -sparsamer Antriebe, unter anderem durch eine veränderte Besteuerung und Maut. „Während die Schweiz erfolgreich den Gütertransport auf die Schiene verlagert und den Straßengüterverkehr systematisch verteuert, kämpft Autominister Scheuer für weitere Vergünstigungen des Straßengüterverkehrs in Deutschland. Erneut zeigt sich überdeutlich, wer im Verkehrsministerium wirklich entscheidet: Es ist wenig überraschend weiterhin die Automobilindustrie. Mit seinem Eintreten für eine Befreiung der Spediteure vom kommenden CO2-Preis und den absurden fünfstelligen Kaufprämien für Euro-VI-Diesel-Lkw verabschiedet er sich von der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Dass Euro-VI-Lkw massiv zur Luftbelastung beitragen, interessiert ihn dabei nicht: Er versäumt es nicht nur, bei Pkw eine wirksame Abgasreinigung auf den Weg zu bringen – auch bei der Kontrolle von Lkw-Emissionen legt er die Hände in den Schoß“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. Aktuelle Messungen der DUH belegen einen verdoppelten Ausstoß von gesundheitsschädlichem Stickoxid der Gesamtflotte durch defekte oder manipulierte Lkw – ein Zustand, den die Behörden bislang ignorieren. Der auf den Kraftstoffpreis aufgeschlagene CO2-Preis soll mit der neuen Lkw-Maut verrechnet werden, die eine CO2-Komponente enthält. Damit entgehen dem Staat jährlich Einnahmen in Höhe von rund 400 Millionen Euro und der Anreiz zum Umstieg auf verbrauchsarme Fahrzeuge verpufft. Die Kosten für die Lkw-Abwrackprämie werden laut Medienberichten mit 500 Millionen Euro für die Jahre 2020 bis 2022 beziffert. Die Kaufprämie sieht einen Zuschuss beim Tausch von Euro-V-Lkw von 15 000 Euro vor, beim Tausch von Euro-III- oder Euro-IV-Fahrzeugen von 10 000 Euro.

https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/deutsche-umwelthilfe-kritisiert-geplante-milliarden-subventionen-fuer-klima-und-gesundheitsschaedlich/

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Was treibt Autos in Zukunft an? VCD Faktencheck

Das Rennen um den Antrieb der Zukunft läuft. Batterieantrieb, Plug-In-Hybride, Brennstoffzelle oder flüssige Kraftstoffe – VCD Faktencheck nimmt Vor- und Nachteile unter die Lupe

Das Ende des Verbrennungsmotors ist in Sicht … Doch was treibt uns künftig an? Batterieantrieb, Plug-In-Hybride, Brennstoffzellen oder flüssige Kraftstoffe auf Basis von Biomasse und Strom – was eignet sich am besten, um den Autoverkehr emissionsfrei zu machen? … Entscheidend für die Bewertung der Antriebe sind aus Sicht des VCD diese Faktoren: Klima- und Umweltnutzen über den gesamten Lebensweg, technologische Reife, Infrastruktur, Menge und Verfügbarkeit der Antriebsenergie sowie Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher und für die Gesellschaft. Im VCD Faktencheck schneidet das batterieelektrische Auto am besten ab. Die direkte Stromnutzung gekoppelt mit einem Elektromotor ist unter allen Antriebsoptionen am effizientesten und klimaschonendsten. Je nach verwendetem Strommix und Größe der Batterie überholt das E-Auto bereits nach 20 000 bis 40 000 Kilometern einen vergleichbaren Benziner oder Diesel in der Klimabilanz. Der hohe Energiebedarf für die Produktion der Batterien und die sozialen und ökologischen Folgen des Abb. (PDF): aus von Kobalt und Lithium verschlechtern zwar zunächst die ökologische Gesamtbilanz. Aber der Rohstoff- und Energiebedarf neuester Batterien sinkt ständig und die Forschung an Batterien ohne diese Rohstoffe läuft.

Als Mogelpackung bezeichnet der VCD weiterhin Plug-In-Hybride, die den extern aufladbaren Batterieantrieb mit einem Verbrennungsmotor kombinieren. Die sehr niedrigen Herstellerangaben zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß werden in der Realität um das Mehrfache überschritten. Das Problem: die Autos sind meist schwer und ineffizient und werden überwiegend nicht elektrisch gefahren … Brennstoffzelle und strombasierte Kraftstoffe, auch E-Fuels genannt, sind aus Sicht des VCD noch Zukunftsmusik. Denn Grundlage für beide Antriebe ist Wasserstoff, der erst unter hohem Energieaufwand hergestellt werden muss. Wirklich nachhaltig ist nur grüner Wasserstoff, der auf Basis zusätzlich erneuerbaren Stroms erzeugt wird. Noch gibt es keine entsprechenden Produktionsanlagen, außerdem fehlt es in Deutschland an den benötigten erneuerbaren Strommengen. Darum wird der Aufbau einer Wasserstoffproduktion in den sonnenreichen Gegenden der Erde, wie z.B. in Nordafrika in den Fokus genommen. „Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft muss an strenge Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden. Zunächst wird der regenerative Strom in den Ländern zuerst selbst benötigt, bevor er für die Wasserstoffproduktion eingesetzt werden kann. Auch der Wasserbedarf ist in den vorwiegend trockenen Gegenden ein weiteres Thema, das gelöst werden muss, ohne die Wasserversorgung der Bevölkerung zu gefährden“, fordert Müller-Görnert.

Erdgasfahrzeuge und Benzin-Vollhybride ohne externe Aufladung sind dagegen ausgereifte Technologien und derzeit noch eine umweltschonende Alternative zu Benzin und Diesel. Wegen der fehlenden regenerativen Komponente sind sie aber keine Lösung für einen emissionsarmen Antrieb. Das gleiche gilt für Biokraftstoffe, die seit Jahren herkömmlichem Benzin und Diesel beigemischt werden. Zwar werden beim Verbrennen der Biokraftstoffe nur die Mengen an CO2 frei, die die Pflanzen vorher aufgenommen haben, allerdings sorgen Düngung, Anbau in Monokulturen und andere Faktoren für desaströse Folgen für Klima und Diversität. Die sogenannten indirekten Landnutzungseffekte (ILUC) führen dazu, dass viele Biokraftstoffe eine deutlich schlechtere Klimabilanz haben als herkömmliche Kraftstoffe. „In absehbarer Zeit haben Biokraftstoffe auf Basis von Nahrungs- und Futtermitteln nichts im Tank zu suchen. Die EU begrenzt zu Recht deren Anteil am Kraftstoffmix. Auch Biosprit aus Rest- und Abfallstoffen ist mengenmäßig begrenzt und zu kostbar, um in Autos zu verbrennen“, resümiert Müller-Görnert.

https://www.vcd.org/service/presse/pressemitteilungen/was-treibt-autos-in-zukunft-an-vcd-faktencheck-zu-alternativen-antrieben-und-kraftstoffen/

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Bis 2030 braucht Deutschland mindestens 440 000 Ladesäulen

Bis 2030 könnten in Deutschland 14,8 Millionen Elektroautos zugelassen sein, zeigt eine aktuelle Studie der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums. Und irgendwo müssen diese aufgeladen werden. Deshalb wird bis zum Ende des laufenden Jahrzehnts der Bedarf an öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur auf 440 000 bis 843 000 Ladepunkte beziffert. Derzeit installiert sind rund 33 000 Ladesäulen – es müssen also mindestens 407 000 weitere Ladepunkte in den kommenden neun Jahren installiert werden. Jedoch könnte diese Zahl sogar auf 810 000 ansteigen. Laut der Studie ist der exakte Bedarf davon abhängig, wie viel private Ladeinfrastruktur verfügbar sein wird und wie stark dementsprechend die öffentliche Ladeinfrastruktur ausgelastet ist. Aber auch das Ladeverhalten spielt eine Rolle: Rücken zukünftig Schnellladepunkte in den Fokus der Nutzer, wird der Bedarf geringer ausfallen.

Grundsätzlich wird in der Studie „Ladeinfrastruktur nach 2025/2030: Szenarien für den Markthochlauf“ davon ausgegangen, dass an etwa 61 Prozent der privaten Stellplätze am Wohnort ein Ladepunkt zur Verfügung stehen wird. Mit anderen Worten: Es gibt eine deutliche Lücke an Lademöglichkeiten, die zwingend durch öffentlich zugängliche Ladepunkte abgedeckt werden müssen.

Zudem zeigt die Studie, dass sich das Verhältnis von E-Fahrzeugen zu öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur – das derzeit 10:1 beträgt – wandeln wird. Demnach könnten zukünftig auf jede Ladesäule etwa 20 Elektroautos kommen, was einer Verdopplung des aktuell angenommen Verhältnisses entspricht. Die Experten begründen dies einerseits mit der besseren Verfügbarkeit von privaten Lademöglichkeiten, aber auch mit der steigenden Ladeleistung. Während das Verhältnis im urbanen Raum zukünftig 14:1 betragen wird, steigt es im ländlichen Raum auf 23:1. … Ein wesentliches Ziel des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung ist der zügige Aufbau einer flächendeckenden und nutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur. Dafür wurde bereits vor einem Jahr der sogenannte „Masterplan Ladeinfrastruktur“ beschlossen, der nun mit den Erkenntnissen aus der Studie überarbeitet und wissenschaftlich gedeckt werden kann. „In Zukunft sollte ein regelmäßiger Austausch mit Akteuren stattfinden, der den Aufbau von Ladeinfrastruktur in Deutschland wissenschaftlich begleitet“, sagt Johannes Pallasch, Sprecher der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur. Auf diese Weise ließen sich die Interessen der Akteure verbinden und die Ladebedarfe der Nutzenden besser abschätzen …

https://www.energiezukunft.eu/mobilitaet/bis-2030-braucht-deutschland-mindestens-440000-ladesaeulen/

Abb. (PDF): Verbandslogio BUND, VCD, Umelthilfe, LINKE-Plakat „Grüner Wasserstoff