Politische Berichte Nr. 6/2020 (PDF)25
Rechte Provokationen – demokratische Antworten

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München: AfD scheitert mit Polemik gegen öffentliche Einrichtungen

Vom Widerstand gegen die Rechten in Gremien

Jürgen Fischer, München

In der Sondersitzung zur Sanierung und Erweiterung des Münchner Kulturzentrums Gasteig konnte der Bezirksausschuss Au-Haidhausen einen Auftritt der AfD verhindern. Die betreffende Person, Erich Drosen, versuchte ein Positionspapier zu verlesen, das er bereits vorher ohne Angabe seiner Parteizugehörigkeit über die Stadt München an die Mitglieder des Bezirksausschusses adressiert hatte. Von Drosen ist wenig bekannt, aber ein älterer Beitrag im Internet weist ihn für 2015 als Vorstandsmitglied der AfD auf Münchner Landkreisebene aus. In der „Süddeutschen Zeitung“ wurde er als humoristischer Schriftsteller vorgestellt. Eine Recherche durch einen der beiden Sprecher der Beauftragten gegen den Rechtsextremismus im BA und Mitglied der Linken klärte rasch, wem man zu einem Auftritt verhelfen sollte. Die Information wurde fraktionsübergreifend als wichtig und hilfreich aufgenommen. Da Drosen nicht im Stadtteil wohnt, konnte ihm der BA das Rederecht verwehren. Leider ist eine rechtlich begründete Lösung höchstens die zweite Wahl. Die BA-Sitzungen sind öffentlich, Wortmeldungen der Bewohner des jeweiligen Stadtbezirks vorgesehen und grundsätzlich erwünscht.

Bezirksausschüsse sind – jedenfalls in Bayern – großstädtische kommunale Wahlgremien auf der untersten Ebene. Als Teil der Verwaltung besitzen sie Mitwirkungsrechte. Sie können Anfragen und Anträge an die Stadt stellen, die dann dort behandelt, aber nicht zwingend umgesetzt werden müssen. Dennoch sind sie als Bindeglied zwischen der Wohnbevölkerung und der Stadtverwaltung nützlich und akzeptiert und ein wichtiger Raum für zumeist kleinteilige Belange und quartierbezogene Forderungen. Die AfD und andere scharf rechte Organisationen sind im Stadtbezirk Au-Haidhausen nicht vertreten.

Die Münchner Bezirksausschüsse mit AfD-Beteiligung haben in ihren konstituierenden Sitzungen im Frühjahr Grundsatzbeschlüsse zur Zusammenarbeit mit Mandatsträger*innen der AfD gefasst, die sich gegen eine Zusammenarbeit aussprechen. Die Faschisten versuchten sich als Opfer zu inszenieren und widersprachen der Vorgehensweise. Das ist vorerst gescheitert. Auf ein Ersuchen des Oberbürgermeisters um eine Beratung durch die Regierung von Oberbayern (Regierungsbezirk) als Rechtsaufsichtsbehörde liegt inzwischen deren Stellungnahme vor. Zusammengefasst hält die Regierung von Oberbayern die Beschlüsse zwar für rechtswidrig, weil diese zum einen keinen zulässigen Beschlussgegenstand enthalten und zum anderen gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot verstoßen. Eine Beanstandung der Grundsatzbeschlüsse durch den OB muss und kann nach Einschätzung der Regierung jedoch nicht erfolgen, da die Beschlüsse ohnehin nicht vollzugsfähig sind. Sie müssen demnach nicht aufgehoben werden. Die Regierung hat lediglich um entsprechende Information der BA-Mitglieder gebeten. Das ist in Haidhausen inzwischen geschehen.

Um was geht es der AfD eigentlich? Vordergründig macht Drosen eine „Vandalisierung“ des Gasteigs aus. Damit meint er die Kosten für den Umbau in Höhe von 400 bis 450 Millionen Euro und weitere 90 Millionen Euro für eine Interimslösung für die Dauer der Bauarbeiten. Das ist eine Menge Geld, aber Kultur und Daseinsvorsorge kosten auch etwas. Der Gasteig beherbergt neben der Philharmonie, der zentralen Stadtbücherei mit Archiv, der Hochschule für Musik und Theater, der Volkshochschule und zahlreichen Übungs- und Gruppenräumen auch mehrere Bühnen und Vortragssäle. Er ist in verschiedenen Teilbereichen als Ort der nicht kommerzialisierten Begegnung konzipiert und wird auch so von den Bewohnern des Viertels und darüber hinaus seit vielen Jahren gut angenommen. So können beispielsweise abseits vom Mainstream Filmtage mit internationalem Bezug durchgeführt oder Veranstaltungen und Ausstellungen zu Themen stattfinden, die anderswo schwer unterkommen.

Der 1985 fertiggestellte Gebäudeverbund ist in die Jahre gekommen. Die technische Anlage ist komplex, veraltet und im Laufe der Zeit durch den Dauerbetrieb verschlissen und nicht mehr wirtschaftlich reparaturfähig. Ein Totalabriss mit Neubau wäre ca. 150 Millionen Euro teurer und wenig nachhaltig, die Anwohner einer deutlich längeren und höheren Baubelastung ausgesetzt, erklärt dazu die Stadt auf ihrer Homepage zurecht.

Worauf die Polemik der AfD tatsächlich abzielt, wird erst im Laufe ihres Textes klar. Der Gasteig ist nur das Vehikel, um gegen die Ausstattung öffentlich notwendiger Einrichtungen für die werktätige Bevölkerung zu polemisieren. Dass es dabei schon lange nicht mehr nur um München geht und die Auswahl der Ziele beliebig und ohne die geringste Hinterlegung mit Fakten erfolgt, stört ihren Verfasser nicht die Bohne. Aber lesen wir selber: „Nun, da wird es ja dieser Art in Bayern viel zu tun geben: die vielen anderen Musiksäle im Lande, Opernhäuser, Theater, Krankenhäuser, Schulen, Kitas, Universitäten, Kirchen, Konferenzsäle, Bibliotheken, Kinos, Hallenbäder, Turnhallen, Wirtssäle, das Münchner Rathaus usw. – alles Kandidaten für einen Totalumbau!“ Mit dem Totalumbau scheint sich die AfD ja auszukennen, wenn man den Ausführungen ihres Führungspersonals folgt.

Abb. (PDF): Der Gasteig in München ist eines der größten Kulturzentren Europas. Er umfasst den großen Konzertsaal Philharmonie mit 2.572 Sitzplätzen, zahlreiche Veranstaltungsräumlichkeiten und den Sitz der Münchner Philharmoniker, der Münchner Volkshochschule, der Münchner Stadtbibliothek und der Hochschule für Musik und Theater München. Die Einrichtungen haben täglich mehrere tausend Nutzer; die Veranstaltungen werden von 750 000 Menschen jährlich besucht. (Wikipedia)