Politische Berichte Nr. 1/2021 (PDF)02b
Blick auf die Medien

Europaparlament zum Recht auf Nichterreichbarkeit

Rolf Gehring, Brüssel. Unter dem Stichwort „Arbeiten ohne Ende“ thematisieren Gewerkschaften seit etwa 15 Jahren die Probleme moderner Arbeitsbeziehungen, Arbeitsformen und Arbeitsabläufe, die eine Trennung von Arbeitszeit und Freizeit stärker verschwimmen lassen. Der Fokus wird auf moderne Kommunikationstechnik gelegt. So auch ein Bericht des Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments (EP), der dem EP vorgelegt wurde. „Digitale Tools, einschließlich IKT, bringen flexiblere Arbeitsformen mit sich und können dabei helfen, mit der Arbeit verbundene Aufgaben besser zu organisieren. Gleichzeitig entsteht eine Kultur der ständigen Erreichbarkeit, auch außerhalb der Arbeitszeit.“ (Pressemitteilung) Die Abstimmung der auf Basis des Berichtes verabschiedeten Entschließung des EP am 1. Dezember letzten Jahres zeigt, dass das Problem breite Anerkennung findet. 472 Stimmen für die Entschließung, 126 dagegen und 86 Enthaltungen.

Damit Telearbeiter das Recht erhalten, nach der üblichen Arbeitszeit (Verweis auf Arbeitszeitrichtlinie, Höchstarbeitszeit und zu Ruhezeiten) im Wortsinn abzuschalten, soll die Kommission eine entsprechende Richtlinie vorlegen. Mindestanforderungen sollen festgelegt werden zur Verwendung digitaler Geräte außerhalb der Arbeitszeit, zur Einhaltung der Arbeitszeitrichtlinie, zur Anerkennung aller Formen der Weiterbildung. Die zentrale Rolle der Sozialpartner wird hervorgehoben und als Ziel eine Kultur der Trennung von Arbeit und Freizeit benannt. Letzteres führt aber direkt zu der Frage, ob die Fokussierung auf digitale Werkzeuge das Thema richtig trifft, denn: die Fortsetzung der Arbeit außerhalb der festgelegten Zeiten kennt (schon lange) viele Wege.

Auch wichtig in diesem Zusammenhang: Es war Kommissionspräsidentin von der Leyen, die in ihrer Bewerbung vor dem Parlament versicherte, auf Legislativvorschläge des Parlaments unter Berücksichtigung (u.a. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit) künftig mit einer Gesetzesvorlage zu reagieren. Durchaus eine weitreichende Aussage von Frau von der Leyens, die dem Parlament faktisch ein begrenztes legislatives Initiativrecht eröffnet. Als nächste plant der Beschäftigungsausschuss einen Vorschlag zur Revision der Arbeitsschutzrichtlinie zu Asbest vorzulegen, dann für eine Revision der Richtlinie zu europäischen Betriebsräten.

Quelle: www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20210121STO96103/auch-mal-abschalten-konnen-parlament-fordert-recht-auf-nichterreichbarkeit.