Politische Berichte Nr. 1/2021 (PDF)08
Aktionen – Initiativen

Thema: Impfung

[DOK] Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

01 Für eine transparente Forschung und Entwicklung sowie faire Verteilung von Covid-19-

02 Corona-Schutzimpfung: Position des Sozialverbands VdK Deutschland e. V.

03 Corona-Virus: Der Paritätische lehnt eine Impfpflicht ab

04 SoVD zur Debatte um Corona-Lockerungen für geimpfte Menschen

Aktionsbündnis gegen AIDS + Ärzte der Welt e.V. + Ärzte ohne Grenzen + Brot für die Welt + Medico Inter-national e.V. + Universities Allied for Essential Medicines (UAEM) e.V. World Vision Deutschland e.V.

01

Für eine transparente Forschung und Entwicklung sowie faire Verteilung von Covid-19-Arzneimitteln

Die Covid-19-Pandemie ist eine globale Herausforderung und erst vorbei, wenn sie weltweit überwunden ist … Die Pandemie kann jedoch nur wirksam eingedämmt werden, wenn weltweit kooperiert wird. Covid-19-Arzneimittel müssen daher schnell, sicher und bedarfsgerecht entwickelt, produziert und als globales öffentliches Gut allen Menschen zur Verfügung stehen.

Forderungen an die Bundesregierung

Um Transparenz und fairen sowie bezahlbaren Zugang für alle Menschen zu Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostika zur Eindämmung von Covid-19 sowie von anderen Krankheiten sicherzustellen, sollte die Bundesregierung:

• darstellen, durch welche Maßnahmen sichergestellt werden wird, dass Covid-19-Impfstoffe, -Medikamente und -Diagnostika öffentliche globale Güter sind. • Transparenz, Übersichtlichkeit sowie Nachprüfbarkeit über alle Finanzzusagen Deutschlands zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie schaffen. Zudem sollte Transparenz über die Vergabe öffentlicher Mittel und den Anteil der öffentlichen Förderung an den tatsächlichen Forschungs- und Entwicklungskosten geschaffen werden.

• Die öffentliche Mittelvergabe an Bedingungen eines weltweit gerechten Zugangs, faire Preise und die Teilnahme am Technologiepool C-TAP knüpfen und C-TAP als nachhaltiges Instrument zur gerechten globalen Arzneimittelversorgung ausdrücklich unterstützen.

• Die Vergaberichtlinien für Forschungsgelder an Privatunternehmen, die bisher mit keinen Konditionen für den Zugang zu den entwickelten Produkten verbunden sind, entsprechend anpassen, sodass eine Überprüfung möglich ist und klare Bedingungen für die Verwendung von Forschungsergebnissen gestellt werden können.

• Sich dafür stark machen, dass eine übergeordnete Struktur wie der ACT- Accelerator mit einheitlichen und klaren Vorgaben und verbindlichen Bedingungen für die Mittelvergabe („conditionality“) sowie mit klaren Überprüfungsmechanismen („accountability mechanism“) ausgestattet wird, insbesondere angesichts des hohen Anteils an öffentlichen Geldern bei den zugesagten Mitteln.

• Sich für mehr und für angemessene („meaningful“) Beteiligung der Zivilgesellschaft im ACT-A und insbesondere auch bei COVAX einsetzen. Eine Beteiligung an den Governance-Strukturen des ACT-A sollte prinzipiell gegeben sein.

• Als wichtiger Global Health Player eine von Solidarität getragene globale Antwort auf Covid-19 forcieren und sich gegen egoistische, destruktive Dynamiken wie das Horten von Schutzkleidung oder einen „Vaccine Nationalism“ stellen.

• Den indisch-südafrikanischen Vorschlag zur Aussetzung der Regeln im TRIPS- Agreement nicht blockieren, um allen Ländern Zugang zu Know-how für die Entwicklung und Produktion von Covid-19-Impfstoffen und -Medikamenten zu ermöglichen.

• Sich aktiv für die Einhaltung und Umsetzung des WHO „Equitable Allocation Frameworks“ zur gerechten Verteilung von zukünftigen Covid-19-Impfstoffen einsetzen.

• Sich dafür stark machen, dass ein künftiger Covid-19-Impfstoff seitens der Hersteller für Nichtregierungsorganisationen zum Selbstkostenpreis bereitgestellt wird.

• Anteile von bereits für Deutschland reservierten Impfstoffen erstens für ein humanitäres Krisenkontingent zur Verfügung stellen, damit geflüchtete Menschen, Asylsuchende, marginalisierte Bevölkerungsgruppen und Menschen in Konfliktgebieten schnell mit Impfungen geschützt werden können. Zweitens sollte sie sich dafür einsetzen, dass Gesundheitspersonal weltweit prioritären Zugang zu einem künftigen Covid-19-Impfstoff erhält.

• Sich dafür aussprechen, dass die EU auf ihren Anspruch auf über die COVAX-Fazilität gesicherte Impfstoff-Kontingente zugunsten ärmerer Länder verzichtet. Die EU sollte sich nicht zusätzlich zu den bilateralen Verträgen mit Pharmaunternehmen über die COVAX-Fazilität weitere Impfstoffe reservieren.

• Die Sicherheit von Neuentwicklungen wie Impfstoffe trotz des Zeitdrucks als elementar erachten und dabei auch Hersteller in die Verantwortung und Haftung einbeziehen.

• Sich dafür einsetzen, dass Instrumente und internationale Initiativen zur Eindämmung von Covid-19 durch die WHO gesteuert werden (die dafür das Mandat und entsprechende Expertise innehat) und den Einfluss von sogenannten „Public Private Partnerships“, die dieses Mandat aushöhlen, zurückzudrängen.

• Sich für eine vollfinanzierte, gleichzeitig unabhängige und funktionstüchtige WHO engagieren und dafür Sorge tragen, dass die Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten für die WHO erhöht werden.

• sich im Rahmen der WHO dafür einsetzen, dass die im Jahr 2001 berechnete WHO-Empfehlung mindestens 0,1 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für gesundheitsbezogene Entwicklungshilfe auszugeben, neu berechnet wird. Eine neue Zielmarke zur Finanzierung sollte sich an dem UN-Nachhaltigkeitsziel für Gesundheit (SDG3) und seinen Unterzielen orientieren sowie die Folgen der Covid-19-Pandemie berücksichtigen.

• Sich vor dem Hintergrund ihrer Vorreiterrolle bezüglich einer Gesundheitssystemstärkung dafür einsetzen, dass eine Antwort auf die Pandemie umfassend gestaltet und nicht nur punktuell auf Covid-19 bezogen bleibt.

Abb.: Grafik, sowie INHALT: 1. Einleitung 2. Entwicklung neuer Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente 2.1. Zugangsbarrieren durch geistiges Eigentum 2.2. Ein Technologie-Pool als Ausdruck globaler Solidarität 2.3. Der Access to COVID-19 Tools Accelerator („ACT-A“) 2.4. EU-Initiativen zur Beschaffung und Sicherung von Impfstoffen 3. Transparenz und Nachprüfbarkeit bei öffentlichen Mitteln 4. Forderungen an die Bundesregierung

Text und Abbildungen https://www.aerztederwelt.org/presse-und-publikationen

02

Corona-Schutzimpfung: Position des Sozialverbands VdK Deutschland e. V.

Der Sozialverband VdK Deutschland wird sich nicht zur Reihenfolge der zu impfenden Personengruppen positionieren. Der Sozialverband VdK hat über zwei Millionen Mitglieder, die alle einen gleichrangigen Anspruch auf die Vertretung ihrer berechtigten Interessen haben. Als allgemeiner Behindertenverband vertritt der VdK nahezu alle Personenkreise, die besonders schutzwürdig sind. Bei begrenzten Impfkapazitäten würde jede Forderung für eine einzelne Personengruppe die Nachrangigkeit einer anderen Gruppe bedeuten. Kommt eine Personengruppe früher an die Reihe der Impfung, muss eine andere Personengruppe länger warten und ist länger dem Risiko der Erkrankung ausgesetzt. Der VdK kann diese Entscheidung auch für seine Forderung an die Politik nicht treffen. Insbesondere kann der VdK nicht bewerten, wie hoch zum Beispiel das gesundheitliche Risiko einer Personengruppe wegen schlechterer allgemeiner Verträglichkeit von Impfstoffen ist. All diese Aspekte müssen aber bei der Entscheidung über eine Rangfolge bei der Impfung bedacht werden.

• Der VdK begrüßt die Impfung durch die mobilen Impfteams für Pflegeeinrichtungen und andere Einrichtungen. Es wäre ein großer logistischer Aufwand und den Bewohnern kaum zumutbar, sie in den Impfzentren impfen zu lassen.

• Bei der Impfung ist mit dem Risiko von Impfschäden in geeigneter Weise umzugehen. Dies deshalb, da ja gerade gesundheitlich vulnerable Personengruppen betroffen sind und gleichzeitig die Impfstoffe noch nicht jahrzehntelang erprobt sind. Es muss ein vereinfachtes Verfahren bei auftretenden Impfschäden geben. Dazu bietet sich der schon im Infektionsschutzgesetz angelegte Verweis auf Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz (ab 2024 nach dem neuen SGB XIV) an. Dazu bedarf es einer Ergänzung der Coronavirus-Impfverordnung, um diese Rechtsfolge sicherzustellen.

• Der Zugang zu den Impfzentren und zur Terminvergabe muss barrierefrei sein. Gerade da Menschen mit ihren vielfältigen Beeinträchtigungen zu den Risikogruppen gehören, müssen all diese Menschen auch die faktische Möglichkeit zum Zugang zur Impfung haben.

• Der VdK begrüßt, dass die privaten Krankenversicherungsunternehmen zur Finanzierung herangezogen werden. Allerdings bleibt der Beitrag mit 3,5 Prozent unter dem Niveau des Anteils der privat Versicherten in Deutschland. In Deutschland sind 10,63 Prozent der Bürger privat krankenversichert. Die Länder tragen die Hälfte der Kosten. Dadurch müsste der Beitrag der privaten Versicherungsunternehmen bei wenigstens 5,3 Prozent liegen.

• Der VdK hofft, dass bei gleichzeitiger Impfung von Mitarbeitern und Bewohnern von Pflegeheimen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung zusätzliche Schutzmaßnahmen unnötig werden. Es gibt aus guten Gründen keinen Immunitätsausweis und wir plädieren auch nicht für einen solchen. Aber innerhalb dieser geschlossenen Systeme wären Ausnahmen zu begrüßen. Das ist gerade bei der Pflege von Demenzkranken oder kognitiv beeinträchtigten Menschen sehr viel wert, da diese Menschen die Corona-Krise und die Einschränkungen aufgrund der Schutzmaßnahmen nicht immer ganz verstehen können.

https://www.vdk.de/deutschland/pages/service/corona/81012/corona-schutzimpfung?dscc=ok

03

Corona-Virus: Der Paritätische lehnt eine Impfpflicht ab

Die aktuelle Debatte um eine Corona-Impfpflicht für Pflegepersonal kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband als populistisch und kontraproduktiv. Notwendig sei vielmehr eine Ausweitung von Aufklärungs-, Beratungs- und Informationsangeboten, um das Vertrauen in die zugelassenen Impfstoffe gegen das Corona-Virus in der Bevölkerung insgesamt zu steigern. Der Verband appelliert darüber hinaus an die Politik, bestehende Hürden abzubauen, die es in der Praxis noch beim Zugang zur Impfung gibt. Eine allgemeine Impfpflicht sowie eine Impfpflicht für einzelne Bevölkerungs- oder Berufsgruppen lehnt der Paritätische ab. „Wir müssen Vertrauen schaffen, Hürden abbauen und Informationsangebote ausbauen … Wir benötigen ein gesellschaftliches Klima, indem Personen mit Bedenken gegen eine Impfung ernst genommen werden und gleichzeitig motiviert werden, Beratungs- und Informationsangebote zu nutzen. Der Schlüssel liegt in Aufklärung“, so der Gesundheitswissenschaftler und Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbands Prof. Dr. Rolf Rosenbrock. Die Risikokommunikation der Bundesregierung sei vor diesem Hintergrund bisher „mehr als unglücklich“. Neben einer Ausweitung von Informationsangeboten seien vor allem auch zielgruppengerechte wie mehrsprachige Angebote erforderlich. Zudem müsse ein barrierefreier Zugang zu Informationsangeboten und Impfversorgung sichergestellt werden, fordert der Verband.

Überhaupt kein Verständnis zeigt der Paritätische Wohlfahrtsverband, unter dessen Dach rund 2 000 Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste organisiert sind, für Vorwürfe von Politiker*innen gegenüber Beschäftigten in der Pflege, die angeblich zu geringe Impfbereitschaft zeigten. „Es ist unerhört und zutiefst unanständig, wenn ausgerechnet diejenigen, die seit Monaten an den Grenzen ihrer Kräfte für unsere Gemeinschaft außerordentliches leisten, jetzt an den Pranger gestellt werden, um von politischen Versäumnissen abzulenken“, kritisiert Rolf Rosenbrock. „Man kann es nur absurd nennen, wenn ausgerechnet den Menschen mangelndes Verantwortungsbewusstsein unterstellt wird, die sich Tag für Tag einem besonderen Infektionsrisiko aussetzen, um für andere pflege- und hilfsbedürftige Menschen da zu sein.“

Fakt sei, dass der Sachstand zu den Impfungen des Personals in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen über alle Bundesländer hinweg sehr heterogen ist. Vielfach seien die organisatorischen Hürden noch extrem hoch. So können Mitarbeiter*innen ambulanter Pflegedienste beispielsweise bisher nur in Impfzentren nach Einzelterminvergabe geimpft werden. In vielen Impfzentren gibt es zudem keine Priorisierung für das Gesundheitspersonal oder auch Sammeltermine für Teile der Belegschaft, was bei vorhandener Bereitschaft eine schnelle Impfung deutlich erleichtern würde.

https://www.der-paritaetische.de/presse/corona-virus-der-paritaetische-lehnt-eine-impfpflicht-ab/

04

SoVD zur Debatte um Corona-Lockerungen für geimpfte Menschen

Sollten die coronabedingten Einschränkungen für Menschen, die geimpft wurden, gelockert werden oder nicht? Für den SoVD die falsche Frage zum falschen Zeitpunkt. „Grundsätzlich kann es nicht darum gehen, ob die verhängten Regeln für einzelne Personen gelockert werden oder nicht, sondern darum, wann wir gesamtgesellschaftlich zu einer stückweisen ‚Normalität‘ zurückkehren können“, sagt SoVD-Präsident Adolf Bauer. Diese Frage hängt jedoch sehr stark davon ab, zu welchem Zeitpunkt entsprechende Lockerungen gegenüber besonders gefährdeten Menschen und dem Gesundheitssystem vertretbar sind. „Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt keine verlässlichen Informationen darüber, ob nach einer Corona-Impfung noch eine Ansteckungsgefahr besteht oder nicht. Auch wenn es schwerfällt, sollten wir geduldig sein und hier das Ergebnis abwarten“, so Bauer. So oder so ist dem SoVD wichtig, dass alle Menschen, die laut Ständiger Impfkommission (STIKO) zu einer der besonders gefährdeten Gruppen zählen, die Chance bekommen, sich schnellstmöglich durch eine Impfung zu schützen.

https://www.sovd.de/index.php?id=700768