Politische Berichte Nr. 1/2021 (PDF)12
Hochhausbau

München: Eine Stadt sucht nach ihrer Bestimmung Tossehof in Gelsenkirchen: Teure Korrektur eines Irrwegs der 1960er Duisburg: Wohnen im Hochhaus? Essen: Entwicklungskonzept statt Hochhaus-„Wildwuchs“! Elbtower: Gigantismus à la SPD Kommunales Thema: Sozial wohnen

Duisburg: Wohnen im Hochhaus?

Herbert Fürmann, planungspolitischer Sprecher der Linksfraktion Duisburg

In den 60er Jahren gab es in Gebiet der heutigen Stadt Duisburg einen wahren Bauboom. Heute kaum mehr vorstellbar entstanden überall im Stadtgebiet Neubauviertel mit hohen und sehr hohen Wohnhäusern. Sie wurden gepriesen als modernes und zeitgemäßes Wohnen mit allem Komfort: Bäder, Zentralheizung, fließend warmes Wasser, Aufzüge, Tiefgaragen und oft auch Müllschlucker. Oftmals gab es an der gleichen Stelle vorher Arbeitersiedlungen, die knapp 100 Jahre alt waren und all diesen „Luxus“ nicht hatten. Hier gab es einen riesigen Sanierungsstau. Und da war es einfacher, die alten Siedlungen ganz platt zu machen und neuen Wohnraum zu schaffen. Einige Bauunternehmen und voraussichtlich auch einige Kommunalpolitiker konnten sich eine goldene Nase verdienen – oder sich zumindest den Ruhm anheften, modernen Wohnraum geschaffen zu haben.

Nur die Bewohner der alten Siedlungen hat man nicht gefragt, ob sie ihr altes gemütliches Heim mit funktionierender Nachbarschaft und eigenem Garten wirklich mit einem anonymen Leben im Hochhausviertel eintauschen wollten. Von „Käfighaltung für Menschen“ sprachen einige. Viele der alten Bewohner zogen weg, teilweise sogar in andere Städte.

Andere kämpften um ihre Siedlungen. Legendär ist der Hungerstreik der Bewohner aus der Rheinpreußensiedlung vor dem Duisburger Rathaus im Jahr 1977. Bis 1973 waren bereits etwa 1200 Wohnungen dieser Bergarbeiter-Siedlung durch den selbsternannten und inzwischen pleitegegangenen Bauspekulanten Jupp Kuhn abgerissen und u.a. durch sechs 20-geschossige Klötze mit jeweils 160 bzw. 320 Wohneinheiten ersetzt worden. Als dann auch die verbliebenen ca. 600 Wohnungen Bungalows für Besserverdienenden weichen sollten, formierte sich ein Widerstand, der letztendlich zum Erfolg und Erhalt geführt hat. Die Rheinpreußensiedlung mit ihren 403 Wohnungen einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung existiert immer noch – inzwischen als selbstverwaltete Genossenschaft.

Weiteres dazu auf www.rheinpreussensiedlung.de.

Das Hochhausviertel ist inzwischen in die Jahre gekommen und ein Sanierungsgebiet. Wer es sich leisten konnte, ist irgendwann weggezogen. Falls er die Wohnung nicht irgendwann als Alterssicherung selbst erworben hat. Aber auch hier (betroffen ist vor allem einer der „Weißen Riesen“) zehren notwendige Sanierungen wegen Brandschutz und Asbest an der Existenz. In den anderen Häusern haben fehlende Sanierung und komplizierte Eigentumsstrukturen zu Leerstand und Zwangsversteigerungen geführt. Der ganze Stadtteil ist in Mitleidenschaft gezogen und zu einem Problemviertel geworden. Inzwischen hat die Stadt die schlimmsten drei der „Weißen Riesen“ mit Fördergeldern in ihren Besitz gebracht, Der Plan: Die inzwischen unbewohnbaren Hochhäuser vom Markt zu nehmen und abzureißen. Die ersten 320 Wohnruinen – bekannt als größter Taubenschlag der Republik – konnten im letzten Jahr gesprengt werden, der zweite Block soll noch in diesem Jahr folgen. Es gab Verzögerungen und Mehrkosten, denn die Asbestsanierung war deutlich aufwändiger als geplant. In einem dritten Hochhaus, dass die Stadt erworben hat, versucht man zurzeit die restlichen Bewohner umzusiedeln. Da dieses Haus in einem deutlich besseren Zustand ist als die vorherigen, hätte man hier sicherlich auch eine Sanierung und den Erhalt preiswerten Wohnraums nachdenken können. Aber ob es sinnvoll ist, so viele Menschen in prekären Situationen in einem Haus unterzubringen?

Ein weiterer Riese ist noch größtenteils von den Eigentümern bewohnt, einer wurde vor einigen Jahren saniert und mit neuem Konzept wieder auf den Markt gebracht.

Doch Hochheide ist nicht der einzige Stadtteil, der unter dem Hochhauswahn der 60er Jahre leidet. In Neumühl und im Hagenshof zum Beispiel sieht es nicht viel besser aus. Allerdings gibt es inzwischen einige Wohnungsgesellschaften, die die Probleme angehen, Hochhäuser um die Hälfte zurückbauen und ganze Blöcke sanieren. Auch die städtische GEBAG, mit mehr als 12 000 Wohnungen größtes Immobilienunternehmen in Duisburg, hat damit begonnen, Großwohnanlagen zu sanieren. Eine noch lange dauernde Mammutaufgabe. Aber es gibt nach wie vor auch Wohnungsgesellschaften, die das nicht tun. Das ist für die betroffenen Mieter und den jeweiligen Stadtteil eine Katastrophe! Nicht von ungefähr muss die Bauaufsicht immer wieder Häuser – auch ganze Hochhaus-Blocks nach Überprüfungen wegen ihres desolaten Zustands umgehend räumen.

Die Linke in Duisburg ist nicht grundsätzlich gegen Hochhäuser – aber bitte nicht als gigantische anonyme Wohnfabriken in den Vorstädten, sondern als Skyline in Innenstadtnähe, Wohnraum kombiniert mit Büro, Dienstleistungen oder Hotels. Auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände direkt neben der alten Innenstadt könnten wir uns durchaus eine höhere Bebauung als die bisher geplante vorstellen. An anderer Stelle, wie „Sechs Seen Wedau“ sind uns die geplanten sieben Stockwerke direkt am Wasser schon zu viel.

Abb.: „Wer es sich leisten konnte, ist irgendwann weggezogen“. Bildquelle: Landesregierung