Politische Berichte Nr. 1/2021 (PDF)17b
Gewerkschaften/Soziale Bewegungen

ILO-Kernarbeitsnormen in der Forstzertifizierung

Rolf Gehring, Brüssel

Weltweit werden heute wesentlich zwei Zertifizierungssysteme für eine nachhaltige Forstwirtschaft angewandt, der Forest Stewardship Council (FSC) und das Programm zur Unterstützung von Forstzertifizierungssystemen (PEFC). Der FSC geht auf eine Initiative von Menschenrechtsorganisationen, Interessenvertreter indigener Völker, Umweltgruppen, Gewerkschaften, aber auch Holzhändlern und Industriebetrieben zurück. Er wurde 1993 gegründet nachdem auf dem Umweltgipfel von Rio (1992) zwar Leitprinzipien einer nachhaltigen Forstwirtschaft verabschiedet, aber keine rechtlich verbindlichen Vorgaben definiert wurden. In diese Lücke stießen dann die Vertreter der verschiedenen Interessengruppen mit der Gründung des FSC.

Das FSC organsiert sich in drei Kammern, eine mit Vertretern der Wirtschaft, eine mit Vertretern der Umweltverbände und eine dritte mit dem Titel Soziales, wo unter anderem Gewerkschaften vertreten sind. Der FSC hat kein global angewandtes Zertifizierungsprogramm, sondern hat zehn Prinzipien formuliert, auf deren Basis auf nationaler Ebene konkrete Zertifizierungsvorgaben erstellt werden. Entscheidungen sollen möglichst im Konsens getroffen werden, Mehrheitsentscheidungen sind allerdings möglich.

War der Fokus des FSC zu Beginn ausschließlich die Waldwirtschaft, werden mittlerweile auch Betriebe der Wertschöpfungskette, also Holzhandel, Sägewerke und potenziell auch Betriebe der Möbelwirtschaft zertifiziert. Für diese Chain of Custody, also die Wertschöpfungskette, wurden eigene Zertifizierungsstandards formuliert. Heute haben weltweit etwa 45 000 Betriebe in der Wertschöpfungskette FSC-Zertifikate.

Von Beginn an diskutieren vor allem Vertreter der Kammer Soziales auch die Möglichkeit, die Prinzipien für die Zertifizierung um soziale Standards, Menschenrechte und Arbeitnehmerrechte zu erweitern. Diese Ansätze und Forderungen fanden lange keine Mehrheiten. Noch auf der letzten Generalversammlung scheiterten Vertreter der Kammer Soziales mit ihrem Antrag, die ILO-Kernarbeitsnormen in die Zertifizierungsprinzipien für die Lieferketten aufzunehmen (in der direkten Waldzertifizierung waren Sozialstandards schon länger Bestandteil des Evaluierungsprozesses). Der Antrag wurde aber insoweit aufgenommen, dass interne Strukturen eingerichtet wurden, die den Gegenstand untersuchen und Vorschläge erarbeiten sollten.

Jetzt sind in die überarbeiteten FSC-Chain-of-Custody-Standards die ILO-Kernarbeitsnormen aufgenommen worden, stellen überprüfbare Anforderungen an die Einhaltung sozialer Vorschriften. Damit steht die Umsetzung von Arbeitnehmerrechten für die Beschäftigten in vielen der zertifizierten Betriebe in der Lieferkette auf der Tagesordnung. Verbraucher können jetzt wissen, dass FSC-zertifizierten Betriebe das garantieren. Zentral dabei, die Abschaffung der Kinderarbeit, die Beseitigung aller Formen von Zwangsarbeit oder die Anerkennung des Rechts auf Tarifverhandlungen und die Vereinigungsfreiheit.

Der Forest Stewardship Council ist immer wieder auch kritisiert worden. Es konnten beispielsweise zertifizierte Forstplantagen identifiziert werden, die auf zuvor gerodeten Urwaldflächen angelegt wurden. Insbesondere Menschenrechtsverletzungen in zertifizierten Verarbeitungsbetrieben wurden bekannt. Die Vorgänge verweisen auf ein generelles Problem hin, wie es auch von Internationalen Rahmenvereinbarungen mit großen Konzernen bekannt ist: die Informationssammlung, die Überprüfung des tatsachlichen Handelns der Unternehmen und die Beurteilung, also der Zertifizierungsprozess selbst bleiben in diesen Gebilden schwierig. Die nun erfolgte Aufnahme der ILO-Kernarbeitsnormen bleibt aber ein Fortschritt, bildet einen weiteren Bezugspunkt für die kritische Beobachtung des FSC und der Zertifizierungspraxis.

Abb.: FSC-Broschüre