Politische Berichte Nr. 1/2021 (PDF)21
Rechte Provokationen – demokratische Antworten

Redaktionsnotizen

Zusammengestellt von Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 Wir klagen an und fordern Taten! Erinnern heißt verändern!

02 Über rassistische und rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Bremer Berufsfeuerwehr

03 Das Urteil im Lübcke-Mordprozess kommentiert die Linksfraktion im Hessischen Landtag

01

Wir klagen an und fordern Taten! Erinnern heißt verändern! Die Angehörigen der Opfer des rassistischen Mordanschlags in Hanau am 19.2.20 klagen am Jahrestag der Morde das Versagen der Behörden an, vor, während und nach der Tat, die Schwerfälligkeit und Kälte der Bürokratie bei der Unterstützung und Hilfe, selbst beim Erkennen gravierendster Probleme.

Sie schildern das unverzeihliche Fehlverhalten der Sicherheitskräfte in der Tatnacht, die Unwilligkeit und Schludrigkeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei den Ermittlungen, bei der Verfolgung von Spuren, bei dem Ernstnehmen neuer Bedrohungslagen, beim Schutz der Angehörigen und – sie sehen dies als Normalzustand von institutionellem Rassismus.

Die Initiative 19. Februar in Hanau wünscht sich nicht nur Beistand in der Trauer, sondern auch die gemeinsame Durchsetzung ihrer Forderungen. Nur gemeinsam konnte etwas in Bewegung gesetzt werden. Innenminister Beuth musste öffentlich eingestehen, dass keine telefonische Polizei-Notruf-Weiterleitung existierte, die am 19.2. vielleicht Morde verhindert hätte. In vielen Städten finden Solidaritätsveranstaltungen statt, um die Forderungen der Angehörigen der Opfer von Hanau zu unterstützen.

Aus dem Aufruf der Initiative 19. Februar in Hanau

02

Über rassistische und rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Bremer Berufsfeuerwehr übergaben mutige Feuerwehrleute Anfang Oktober 2020 umfangreiches Material an die Innenbehörde. Sechs Wochen später veröffentlichten zeitgleich „Taz“, „Süddeutsche Zeitung“ und Radio Bremen die Vorwürfe. Am gleichen Tag erklärt Innensenator Mäurer, dass gegen den Hauptverdächtigen ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet wurde. Er ist vom Dienst suspendiert. Er hatte ein Foto seiner Kinder vor einer Hakenkreuzfahne in der Wache herumgezeigt. In Chatgruppen mehrerer Beamter wurden kommentierte Bilder geteilt wie z.B. eine Kinderrutsche auf einem Hochhaus endet im Abgrund, Kommentar „Neuer Spielplatz fürs Asylantenheim“. „Menschen sind wie Bananen … Keiner mag die Schwarzen!“ Beschwerden darüber sollen von Vorgesetzten ignoriert worden sein. In einer von Radio Bremen dokumentierten Zeugenaussage heißt es: „Es wird nicht nur so geredet, sondern auch so gehandelt. Ich habe erlebt, dass Hilfesuchende mit Migrationshintergrund nicht oder nur unzureichend behandelt worden sind, weil man keinen Bock auf sie hatte“. Eine Feuerwehrfrau mit ausländischen Wurzeln berichtet, sie sei während eines Einsatzes von ihrem Vorgesetzten als „Kanake“ angeschrien worden. Ihre lesbische Einstellung wurde mit übelsten sexistischen Drohungen beantwortet. Die vom Innensenator eingesetzte Sonderermittlerin K. Buse erklärte ihre Ziele, anlässlich der jetzt bekannt gewordenen Vorkommnisse nicht nur das Wertegefüge der Bremer Berufsfeuerwehr zu untersuchen und gegebenenfalls strukturelle Probleme aufzudecken. Sie wolle auch klären, ob es im Feuerwehrapparat eine Kultur des Mobbings, eine Kultur des Rechtsextremismus und eine Kultur der Ausländerfeindlichkeit gibt.

Michael Juretzek, Bremen

03

Das Urteil im Lübcke-Mordprozess kommentiert die Linksfraktion im Hessischen Landtag so: In den Ermittlungen habe man dieselben Fehler gemacht, wie man sie von Ermittlungsverfahren gegen die militante Rechte allzu häufig kenne. Viel zu früh sei von einem Einzeltäter ausgegangen und die Spuren beim Mordversuch an Ahmed I. in die rechte Szene nicht richtig verfolgt worden. Die Bundesanwaltschaft habe weder banden- und gewerbsmäßigen Waffenhandel noch die Bildung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. „Der Mordversuch an Ahmed I. bleibt ungesühnt, die Rolle von Markus H. bei der Hetzkampagne und beim Mord an Walter Lübcke auch. Der illegale Waffenhandel und Schießtrainings wurden ebenso nicht angeklagt wie die Bildung einer terroristischen Vereinigung. Und nicht einmal ansatzweise aufgearbeitet wurde das Versagen der Behörden!“ Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags könne keinen Ersatz für polizeiliche Ermittlungen und juristische Aufarbeitungen leisten, habe aber den Auftrag, herauszuarbeiten, wer für Fehler verantwortlich ist.

„Warum bei Markus H. die Waffenbeschaffung, Schießtrainings, die Hasskampagne und die Löschung aller Kommunikation direkt nach dem Lübcke-Mord nicht reichten, um ihn mindestens der Beihilfe zum Mord zu verurteilen, ist schwer vermittelbar. In diesem Punkt haben nicht nur die Ermittlungen, sondern auch die Anklage und der Prozess versagt.“

H. Schaus, Linksfraktion im Hess. Landtag, 28.1.21