Politische Berichte Nr. 2/2021 (PDF)03a
Blick in die Medien

Dänemark plant Predigt-Zensur

Karl-Helmut Lechner, Norderstedt. Die sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen will per Gesetz allen Religionsgemeinschaften nur noch Predigten in dänischer Sprache erlauben. Das Ziel sei, so die dänische Kirchenministerin Joy Mogensen, die „Transparenz religiöser Verkündungen und Predigten in Dänemark zu vergrößern, wenn diese in einer anderen Sprache als Dänisch gehalten werden“. Dabei muss die Leserin und der Leser wissen: Die Evangelisch-Lutherische Dänische Volkskirche (Folkekirken) ist eine Staatskirche, die über ein Kirchenministerium verwaltet wird.

Anders verhält es sich mit den vielen sonstigen Konfessionen und Kirchen, die in Dänemark als eigenständige nichtstaatliche Religionsgemeinschaften anerkannt sind. Das geplante Verbot anderssprachiger Predigten stößt deshalb bei ihnen auf breiten Widerstand. Für die deutschsprachige sowie alle anderen Minderheiten würde die Regelung bedeuten, dass sie alle Predigten simultan übersetzen oder in Übersetzung schriftlich dem Kirchenministerium vorlegen müssten. Ein massiver Angriff auf die Meinungsfreiheit. Von der Praktikabilität oder der Bezahlung von ständigen DolmetscherInnen noch gar nicht zu reden.

„Die von der Regierung angekündigte Forderung nach Übersetzung von Predigten schreit zum Himmel“, so Mette Bock, die ehemalige Kirchenministerin in Kopenhagen von der „Liberalen Allianz“ und kritisiert weiter: „Jeder weiß, dass das Ziel ist, tollwütige (islamische) Imame ins Visier zu nehmen. So müssen nun auch deutsche, englische, französische, schwedische und spanische Prediger in allen Religionsgemeinschaften ihre Predigten übersetzen — ganz zu schweigen von den dänischen Staatsangehörigen, die auf Färöisch und Grönländisch predigen, die ja bekanntlich anerkannte Sprachen im Königreich sind … Das hässliche Gesicht der Zensur und der Gedankenkontrolle zeigt sich in seiner ganzen undemokratischen, verdrehten, unlutherischen Innerlichkeit.“

Auf dänischer Seite in Nordschleswig (Sønderjylland) gibt es 30 deutsche lutherische Kirchengemeinden, die betroffen wären. Mit der Gesetzesinitiative könnte die dänische Regierung riskieren, eine hundertjährige Tradition zunichtezumachen, an die gerade mal vor ein paar Monaten in Kiel und Kopenhagen feierlich erinnert wurde. Das Recht auf „Gottes Wort in Deutsch“ ist nach der Volksabstimmung von 1920 über die Grenzziehung zwischen Deutschland und Dänemark entstanden. Nach der Abstimmung wohnten etwa 30 000 Deutsche in Dänemark, die damals sprachliche und konfessionelle Sonderrechte erhielten, z.B. auch auf eigene Schulen. Diese Rechte wurden 1955 mit den Bonn-Kopenhagen-Erklärungen bestätigt und erweitert.

Passend zu dem Gesetzesvorhaben wurde zeitgleich in der Presse und Öffentlichkeit „enthüllt“, wie einige in Dänemark lebende Imame Frauen gezwungen haben sollen, Ehescheidungen zu unterschreiben, in denen eine Frau das Recht auf ihre eigenen Kinder verliert, wenn sie einen neuen Mann heiraten würde. Dies wolle die Regierung verhindern — sagt sie.

Die Pastorin der deutschen Gemeinde in Kopenhagen, Rajah Scheepers, aber fragt öffentlichkeitswirksam: „Was würde Dänemark sagen, wenn Deutschland Predigten auf Dänisch verbieten würde?“ Natürlich wird auf deutscher Seite in Südschleswig in den dänischen lutherischen Kirchen dänisch gesprochen.