Politische Berichte Nr. 2/2021 (PDF)10
Aktionen – Initiativen

Thema: Wohnungsnot

Wohnungslosigkeit – Aktionen / Initiativen. [DOK] Marktversagen Wohnungspolitik – Kommunale Gegenwehr mit gemeinnützigen Projekten organisieren! + INFO:Der Housing-First Ansatz Kommunale Politik gegen Wohnungsnot – [dok]

Wohnungslosigkeit – Aktionen / Initiativen. [DOK] Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

01 BAG Wohnungslosenhilfe meldet bereits 17 Kältetote in diesem Winter

02 Diakonie Infoportal: Stichwort Obdachlosigkeit:

03 Wohnungslose Menschen sollten auch 2021 ihr Wahlrecht wahrnehmen

04 ETHOS – Europäische Typologie für Wohnungslosigkeite (Große Tabelle)

01

BAG Wohnungslosenhilfe meldet bereits 17 Kältetote in diesem Winter

Berlin, 5.2.2021. Nach Kenntnis der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), dem Dachverband der Hilfen in Wohnungsnotfällen in Deutschland, sind in diesem Winter 2020/2021 bereits siebzehn wohnungslose Menschen erfroren. Sie erfroren im Freien, unter Brücken, auf Parkbänken, in Hauseingängen, unter Planen, in Zelten und sonstigen notdürftigen Unterständen. Seit dem Winter 2009/2010 hatte es nicht mehr so viele erfrorene Wohnungslose in Deutschland gegeben. Seit Beginn der Dokumentation der Kältetoten im Jahr 1991 sind mindestens 335 wohnungslose Menschen aufgrund einer Unterkühlung verstorben … Die Lage der wohnungslosen Menschen ist besonders dramatisch, da viele Einrichtungen und Dienste ihre Angebote coronabedingt eingeschränkt oder ganz eingestellt haben. Um die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus zu minimieren, musste vielerorts die Zahl der untergebrachten Personen reduziert werden. Zusätzliche Angebote können diese Ausfälle nicht überall ausgleichen. Hinzu kommt, dass auch Personalengpässe die Versorgungslage erschweren. Für Menschen, die auf der Straße leben, stellt aber eine Covid-19-Erkrankung eine besondere Gefahr dar, da sie häufig unter Vorerkrankungen leiden und geschwächte Immunsysteme haben. Außerdem fehlen für sie adäquate medizinische Stellen, um Krankheiten auszukurieren …

Die BAG Wohnungslosenhilfe e. V. bekräftigt ihre Appelle und Forderungen an die Kommunen:

• Rund-um-die-Uhr-Öffnung von Notübernachtungsstellen und Tagesaufenthalten mit ausreichend Platz für alle wohnungslosen Menschen. Keine Abweisung von hilfesuchenden Personen. Um dies sicherzustellen, müssen zusätzliche Räumlichkeiten bereitgehalten werden.

• Bei Bedarf die Anmietung von leerstehenden Hotels, ggf. die Öffnung von U-Bahnstationen und anderen geeigneten öffentlichen Gebäuden.

• Ergreifen von wirksamen Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckung mit dem Corona-Virus. Dazu gehören die gute Ausstattung der Hilfesuchenden und der Hilfeangebote bspw. mit FFP2-Schutzmasken, aber auch die Möglichkeit der Hilfeeinrichtungen und -angebote Hilfesuchende und Mitarbeitende mit Corona-Schnelltests präventiv zu testen.

• Einrichten von Kältebussen und die öffentliche Bekanntgabe der Notfall-Telefonnummern, bei denen gefährdete Menschen gemeldet werden können.

• Aussetzen von Zwangsräumungen im Winter – die eigene beheizbare Wohnung bietet den besten Schutz.

Die BAG W weist erneut darauf hin, dass grundsätzlich jeder unfreiwillig wohnungslose Mensch in Deutschland ein Anrecht auf eine ordnungsrechtliche Unterbringung durch die Kommune hat, in der er sich aufhält. Die Herkunft des Betroffenen, der Ort des Wohnungsverlustes, die Staatsangehörigkeit und der Aufenthaltsstatus spielen hierbei keine Rolle. Auch für diese Unterkünfte muss gelten:

• Keine menschenunwürdigen Asyle, sondern Ermöglichung eines Mindestmaßes an Privatsphäre.

• Dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für kleinere Gruppen von Wohnungslosen (auch mit Hunden).

• Schutz und Sicherheit vor Diebstahl und Gewalt.

• Keine Befristung des Aufenthaltes.

• Testungen, Quarantäne und Isolation sicherstellen, Impfungen ermöglichen.

Geschäftsführerin Werena Rosenke: „Viele wohnungslose Menschen sind aufgrund ihrer Lebenssituation stark gefährdet. Deswegen müssen in den Diensten und Einrichtungen Corona-Tests durchgeführt werden. Dies geschieht bislang vollkommen unzureichend. Häufig müssen die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe die Kosten für Testungen selbst finanzieren – weder Bund, Länder noch Kommunen beteiligen sich ausreichend an den Kosten. Dies bringt viele Einrichtungen schnell an ihre finanziellen Grenzen. Hinzukommen müssen Räumlichkeiten, um Quarantäne und Isolation sicherzustellen.“

• Wohnungslose Menschen müssen dringend bei der Corona-Impfstrategie berücksichtigt werden, denn wohnungslose Menschen leiden häufiger als die Mehrheitsbevölkerung unter Mehrfacherkrankungen. Sie gehören also zur Corona-Risikogruppe. Ihnen muss ein niedrigschwelliger Zugang zu Impfungen ermöglicht werden.

Nachrichtlich: In ihrer aktuellen Schätzung hatte die BAG W im November 2019 für das Jahr 2018 eine Jahresgesamtzahl von knapp 680 000 wohnungslosen Menschen in Deutschland geschätzt, darunter ca. 440 000 wohnungslose Geflüchtete und ca. 240 000 Menschen im Wohnungslosensektor. Die Zahl der Menschen, die ganz ohne Unterkunft auf der Straße leben, schätzt die BAG W für das Jahr 2018 auf 41 000.

https://www.bagw.de/de/presse/show/news.8491.

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Diakonie Infoportal: Stichwort Obdachlosigkeit:

Ein ausreichender Bestand an bezahlbaren und für arme Menschen zugänglichen Wohnungen in jeder Kommune ist die wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Bekämpfung von Wohnungslosigkeit und beugt gleichermaßen der Gefahr vor, wohnungslos zu werden.

Deshalb sind günstige Rahmenbedingungen für eine soziale Wohnungspolitik ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Bekämpfung von Wohnungslosigkeit. Aus diesem Grund fordert die Diakonie von Bund, Ländern und Kommunen, ihrer Verantwortung für eine ausreichende Wohnraumversorgung gerecht zu werden, u.a. durch entsprechende Förderprogramme. Die vom Bund bereitgestellten Mittel für den öffentlich geförderten Wohnraum müssen von den Ländern vollständig und zweckentsprechend eingesetzt werden und dazu dienen, Wohnraum insbesondere für am Wohnungsmarkt benachteiligte Menschen zu schaffen.

Was bedeutet Obdachlosigkeit? Als obdachlos werden Menschen bezeichnet, die im öffentlichen Raum wie beispielsweise in Parks, Gärten, U-Bahnhöfen, Kellern oder Baustellen übernachten oder über die jeweiligen Ländergesetze der Sicherheit und Ordnung vorübergehend untergebracht sind.

Was bedeutet Wohnungslosigkeit? Als wohnungslos werden alle Menschen bezeichnet, die über keinen mietvertraglich abgesicherten oder eigenen Wohnraum verfügen, obdachlos sind, vorübergehend bei Bekannten untergekommen sind, in Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege oder in kommunalen Einrichtungen leben. Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit werden im alltäglichen Sprachgebrauch oft verwechselt oder gleichgesetzt.

Wohnungslosigkeit ist der übergreifende Begriff, Obdachlosigkeit bezeichnet lediglich einen Teil der Wohnungslosigkeit. Allen diesen Lebenssituationen, zu denen auch das Leben in Wohnungen mit gravierenden baulichen Mängeln oder eingereichte Räumungsklagen zählen, gemeinsam ist die existierende Wohnungsnot.

Deshalb wird fachlich häufig von Wohnungsnotfällen gesprochen. Die dadurch ausgedrückte Vielfalt der darunterfallenden Lebenslagen dient dazu, Ausgrenzung und Hilfeausschluss zu verhindern und schlägt sich in den differenzierten Angeboten der Wohnungsnotfallhilfe nieder.

https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/obdachlosigkeit

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Wohnungslose Menschen sollten auch 2021 ihr Wahlrecht wahrnehmen

Berlin. Wohnungslose Bürgerinnen und Bürger ohne feste Meldeadresse besitzen selbstverständlich ein Wahlrecht. Darauf weist die BAG Wohnungslosenhilfe (BAG W) erneut heute hin. Wohnungslose Menschen sollten von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, denn die Ergebnisse der Landtagswahlen können sich auch direkt auf verschiedene Lebensbereiche der Betroffenen auswirken. Seit Jahren weist die BAG W auf das Fehlen von dringend erforderlichen gesetzlichen Standards bei der ordnungsrechtlichen Unterbringung der Kommunen hin. In der Konsequenz leben viele Betroffene in baulich unzureichenden Behausungen, beengt in Mehrbettzimmern mit schlechter Ausstattung, ohne Privatsphären, ohne ausreichenden Schutz vor Gewalt. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass ein Infektionsschutz unter solchen Bedingungen nicht zu gewährleisten ist. Für viele wohnungslose Menschen würde also eine Verständigung der Arbeits- und Sozialminister der Bundesländer auf eine substanzielle Verbesserung der Standards in der ordnungsrechtlichen Unterbringung eine wesentliche Verbesserung der persönlichen Lebensumstände bedeuten. Es gilt, wohnungslosen Menschen ohne Meldeadresse den Gang zur Wahlurne ohne großen bürokratischen Aufwand zu gewährleisten.

https://www.bagw.de/de/presse/show/news.8776.html

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ETHOS – Europäische Typologie für Wohnungslosigkeite (Große Tabelle)

FEANTSA ist die Europäische Föderation der nationalen Organisationen, die mit Obdachlosen arbeiten. Wir sind die einzige europäische NRO, die sich ausschließlich mit dem Kampf gegen Obdachlosigkeit befasst. Unser oberstes Ziel ist das Ende der Obdachlosigkeit in Europa.

https://www.feantsa.org/download/ethos_de_2404538142298165012.pdfeoff