Politische Berichte Nr. 2/2021 (PDF)13
Aus Kommunen und Ländern

Thema: Wohnungsnot

Wohnungslosigkeit – Aktionen / Initiativen. [DOK] Marktversagen Wohnungspolitik – Kommunale Gegenwehr mit gemeinnützigen Projekten organisieren! + INFO:Der Housing-First Ansatz Kommunale Politik gegen Wohnungsnot – [dok]

Marktversagen Wohnungspolitik – Kommunale Gegenwehr mit gemeinnützigen Projekten organisieren!

01 INFO:Der Housing-First Ansatz

Jörg Detjen, Michael Weisenstein, Köln

Immer mehr Menschen zahlen mehr als 30% ihres Einkommens für Mietkosten. Waren es seit vielen Jahren Haushalte mit niedrigen Einkommen, erfasst es nun auch die Mittelschichten. Dass es ein Marktversagen in der Wohnungspolitik gibt, bezweifeln nur noch wenige. Dieses Marktversagen bewirkt weitere soziale und politische Verwerfungen. Es ist ein Marktversagen der Privatwirtschaft und auch ein Versagen staatlicher Politik von Bund, Land und Kommunen.

Interessant ist, dass sogar die Europäische Gemeinschaft diesem Umstand Rechnung trägt und das Thema „Wohnraum und Hilfe für Wohnungslose“ in den Geltungsbereich der „Europäischen Säule sozialer Rechte“1 aufgenommen hat.

2018 veröffentlichten 250 bundesdeutsche Wissenschaftler eine Erklärung „Für eine wirkliche soziale Wohnungspolitik“ und stellten fest „Der Markt versagt“: „Investitionen werden so getätigt, dass sie eine möglichst hohe Verzinsung des eingesetzten Kapitals garantieren, während die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum Renditeabstriche nach sich zieht. Investiert wird außerdem dort, wo die renditestärksten Standorte erwartet werden, und entgegen der ökonomischen Lehre ist dies nicht immer dort, wo es auch notwendig wäre.“2 Dieses Marktversagen3 kann man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Wir wollen das aus unserer Erfahrung der westdeutschen Kommunalpolitik darstellen.

Seit dem 19. Jahrhundert ist die Wohnversorgung privatwirtschaftlich organisiert worden. Durch die Industrialisierung wuchsen Städte enorm. Schon damals gab es massive Eingriffe in den Wohnungsmarkt durch Fabrikbesitzer, Kirchen, Kommunen, aber auch von einer aufkommenden Bewegung von Wohnungsbaugenossenschaften. Aus heutiger Sicht betrachtet kann man sagen, schon am Ende des 19. Jahrhunderts wird klar, Wohnraum ist ein öffentliches Gut. Die Privatwirtschaft alleine konnte die damaligen Wohnungsprobleme nicht lösen. Bis heute sind öffentliche und gemeinnützige Wohnungsunternehmen nicht wegzudenkender fester Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge. Als in Köln die Wohnungsnot immer drastischer wurde, erwirkte 1911 der Kölner Stadtrat die Gründung einer sozialen Wohnungsbaugesellschaft (GAG), an der sich die örtlichen Kapitalisten zu 50 % beteiligen mussten. Derartige kommunalwirtschaftliche Eingriffe kennen viele Kommunen aus der damaligen Zeit, aber auch aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Diskussion über die Bodenfrage

In den 1970er Jahren entwickelte sich eine Diskussion über die Bodenfrage über den Münchener Stadtrat und den damaligen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel. Vogel berichtet in seinem Büchlein „Mehr Gerechtigkeit“, dass in München 1969 die Bodenpreise vom Basiswert 1961 auf 237 % gestiegen waren.4 Es begann eine Debatte über Bodenpreise. Eine Planungsgewinnabgabe scheiterte 1974 im Deutschen Bundestag. Die Bodenpreise stiegen immer weiter.

Der inzwischen verstorbene Hans-Jochen Vogel schrieb kurz seinem Tod in seinem Buch:

„In den soeben geschilderten Entwicklungen steckt für mich auch ein Stück Selbstkritik. Denn ich habe mich nach 1977 in den verschiedenen Funktionen, die ich bis 1991 in der Partei innehatte, auch nicht mehr für reale neuerliche Schritte meiner Partei auf diesem Gebiet eingesetzt. Auch die Aufspaltung des Eigentums in Verfügungs- und Nutzungseigentum habe ich nicht mehr weiter betrieben.“

Die Gewerkschaften hatten mit der Neuen Heimat eine Wohnungsbaugesellschaft, die Anfang der 60er Jahren einen Bestand von 200 000 Wohnungen hatte. Sie baute weitere Großsiedlungen und stieg bei den Kommunen in den Schul- und Kitabau ein, aber auch in aufwendige Neubausiedlungen und Stadtteilsanierungen. Die Neue Heimat war gemeinnützig und hatte auf dem Wege auch steuerliche Vorteile.

Die Kommunen nutzten das Knowhow der Neuen Heimat auch als preisgünstiger und sozialer Akteur und Konkurrent gegenüber der Privatwirtschaft.

Die Geschäftspolitik der Neue Heimat nahm absurde Züge an, sie expandierte im Ausland und bauten z. B. Wohnungen in Brasilien. Als 1982 Betrug und Bereicherungen der Vorstandmitglieder bekannt wurden, ließ der damalige Kanzler Kohl keine Ruhe, bis die Neue Heimat zerschlagen wurde und die Gemeinnützigkeit abgeschafft wurde.

Das war ein Schlag gegen den sozialen Wohnungsbau und auch ein Schlag gegen die Kommunen.

Neben den steigenden Bodenpreisen waren jetzt Kostenvorteile für die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften futsch und deren Ansehen war erst einmal dahin.

Einbruch des sozialen Wohnungsbaus

Der soziale Wohnungsbau brach ein. 1987 gab es noch 3,9 Millionen Sozialwohnungen. 2001 waren es nur noch 1,8 Millionen.

Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre setzte in den Kommunen eine Welle von Privatisierungen ein. Viele Städte verkauften ihren kommunalen Wohnungsbestand. Dresden ist vielleicht der bekannteste Fall.

Die Pläne der Kölner CDU/FDP-Koalition, die 42 000 Wohnungen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GAG zu verkaufen, scheiterten am Protest der Stadtgesellschaft und aufrechten CDUlerinnen. Selbst konservative Kölnerinnen und Kölner sehen dies heute positiv.

Diese Welle der Privatisierung wurde begleitet von der Theorie der schrumpfenden Städte. Erst in den Jahren 2007/8 wurde deutlich, dass dies wissenschaftlicher Unsinn war. Aber die kommunalen Verwaltungen waren auf diese Theorie bereits abgefahren. Es dauerte Jahre, bis diese Irrtümer wieder ausgeräumt waren, und wieder einige Jahre, bis das nötige Personal wieder aufgestockt war.

München entwickelte bereits 1994 den Grundsatz der „Sozialgerechten Bodennutzung“ und entwickelte ein Modell, wie der Profit der Investoren zum Teil abgeschöpft wird und der Wohnungsbau auf städtischen Grundstücken mit Auflagen versehen wird, z. B. 30 % Anteil geförderter Wohnungen, Kita-Bau, Zuschuss an ÖPNV-Anschluss usw. Es dauerte mehr als zehn weitere Jahre bis andere Kommunen dieses Modell aufgriffen.

Dagegen kamen von der rot-grünen Schröder-Fischer-Regierung keine Initiativen in Sachen gemeinnütziger Wohnungsbau.

Allein 2019 gab es 39 000 weniger Sozialwohnungen. Der Gesamtbestand beträgt derzeit nur noch 1,14 Mio. Wohnungen. Gab es in Köln im Jahre 2000 noch einen Bestand von 12,5 % geförderte Wohnungen, so sind es 2019 nur noch 6,8 %. Der Druck auf den Wohnungsmarkt wächst. Die Bedingungen in den großen Städten sind aber unterschiedlich. Das Wohneigentum z.B. in Berlin liegt unter 20 %, in Köln über 50 %. Die Brisanz des Themas ist aber immens groß. Einwohnerproteste sind an der Tagesordnung zu sehr unterschiedlichen Themen.

Auffällig ist auch, dass in den Verwaltungen der Städte ein Umdenken einsetzt. München, Hamburg, Leipzig, Berlin wollen städtische Grundstücke nicht mehr verkaufen, sondern nur noch in Erbbaurecht für z. B. 99 Jahre an den Nutzer vergeben.5 Köln diskutiert das gerade auch. Der Vorteil für Köln wäre, dass geförderte Wohnungen nicht mehr nur für 20 Jahre sozial gebunden werden können, sondern über die gesamte Laufzeit des Erbpachtvertrages. Das wäre ein gezielter Eingriff in das Marktgeschehen.

Ein weiterer erfolgreicher Eingriff in den Markt könnte die Forderung des DGB und des Mieterbundes sein, die „Neue Gemeinnützigkeit“6 einzuführen. Für die Gründung von Wohnungsbaugenossenschaften und Wohngruppen könnte das ein Vorteil sein. Die Linke und auch Teile von SPD und Grünen unterstützen diese Forderung.

Auf kommunaler Ebene gibt es zahlreiche Initiativen und Aktivitäten für sozialen, preisgünstigen und gerecht verteilten Wohnraum:

Wohngeld kommunal nutzen

Das Wohngeld ist eigentlich das beste Beispiel für das Marktversagen in der Wohnungspolitik. Wohngeld wird gezahlt, wenn das Einkommen der betroffenen Personen zu niedrig ist. D.h. das Wohngeld fließt faktisch an den Vermieter. Im Kölner Stadtrat setzen sich die Ratsmitglieder parteiübergreifend dafür ein, dass das Wohngeld ausreichend ist. Die Bundesregierung hat das Wohngeld vor einigen Jahren erhöht und auch dynamisiert. Die Wohngeldstärke bemisst sich nach der Einsortierung der Region/Stadt. Köln ist z.B. in der höchsten Mietstufe VI. Der Höchstbetrag für eine Person betrug 2019 522 Euro und 2020 575 Euro.

Die Kölner Ratsfraktion Die Linke setzt sich dafür ein, dass diese Bundes- und Landesmittel voll genutzt werden. Die personelle Aufstockung der Wohngeldstelle ist immer wieder ein Thema. Köln zahlte 2019 20,4 Mio. Euro an betroffene Personen aus.

Mietobergrenze und Obdachlosigkeit

Bei Kosten der Unterkunft bei ALG-II-Bezug gibt es eine Mietobergrenze. Die wird in den Kommunen sehr unterschiedlich ausgelegt. Es hängt zum Teil von den örtlichen Kräfteverhältnissen ab, ob diese gesetzliche Grenze überschritten werden kann oder zusätzlich aus kommunalen Mitteln gezahlt wird. Steht die Kündigung der Wohnung bevor und droht die Obdachlosigkeit, übernehmen Kommunen auch die kompletten Mietkosten.

Wohnungs- und Obdachlosigkeit steigt in den großen Städten enorm an. Neue Wohnformen für Obdachlose wie z.B. „Housing first“ werden gerade erprobt. Spannend sind auch Hausbesetzungen von Obdachlosen und die Übertragung des Wohnraumes in Selbstverwaltung und Selbstorganisation. Der Kölner Stadtrat unterstützt solche Projekte.

Geflüchtete: Das Recht auf Abstand halten

Die Unterbringung der Geflüchteten in Wohnheimen ist in der Pandemie lebensgefährlich – auch für das Personal. Geflüchtete müssen in geschlossenen Wohneinheiten untergebracht werden, z. B. in Hotels. Die Ansteckungsrate in den schlechten Wohnheimen ist hoch. Auf öffentlichen Druck musste die Stadt Köln das Wohnheim Herkulesstraße von über 600 Personen auf 90 Personen reduzieren. Auch dann sind die Standards von Gemeinschaftsverpflegung und Duschen und Toiletten katastrophal. Hier darf man nicht lockerlassen!

Die Stadt Köln fördert ein Auszugsmanagement, das Wohnungen für Geflüchtete organisiert. Eine wirkungsvolle Hilfe. Der Bau von abgeschlossenen Wohneinheiten im sozialen Wohnungsbestand ist in Köln seit vielen Jahren überfällig.

Zweckentfremdung von Wohnraum

Es gibt unterschiedliche Arten. Wird eine Wohnung zu einer Arztpraxis, Rechtsanwaltskanzlei oder ähnlichem umgewandelt, ist dies eine Zweckentfremdung von Wohnraum. Auch die überwiegend kommerzielle Vermietung als Ferienwohnung und andere Kurzzeitvermietungen oder der willkürliche Leerstand von Wohnungen stellt – je nach Rechtslage – eine illegale Wohnraumzweckentfremdung dar und kann gegebenenfalls ordnungsrechtlich verfolgt werden. In Nordrhein-Westfalen können Kommunen eine solche Satzung erlassen. Die entsprechende Kommune kann also gegen Verstöße vorgehen. Je nach Intensität des Verstoßes können Bußgelder in vierstelliger Höhe pro Wohnung auf den Eigentümer zukommen. Köln hat eine Zweckentfremdungssatzung erlassen. Im zweiten Halbjahr 2020 hat das Kölner Wohnungsamt 346 Fälle untersucht, in 212 Fällen wurde ein Verfahren wegen Kurzzeitvermietung oder illegaler Umwandlung in Gewerbe eingeleitet. Während der Pandemie sind der Tourismus und Veranstaltungen, wie z.B. Messen, deutlich zurückgegangen. So auch mutmaßlich die (illegalen) Kurzvermietungen. Nach der Pandemie wird sich das wieder ändern. Dann brauchen die Wohnungsämter mehr Personal, um die Verstöße ahnden zu können. Genauso wichtig ist aber eine transparente Darstellung von Mietangeboten der Anbieter wie Airbnb. Solange die Internetportale nicht Adressen und Vermieter benennen müssen, bleibt der Kampf gegen illegale Kurzzeitvermietung von Wohnraum ein Kampf gegen Windmühlen.

Soziale Erhaltungssatzung

auch Milieuschutzsatzung genannt, ist eigentlich kein Instrument zum Schutz von Mieter*innen. Die soziale Erhaltungssatzung ist ein Instrument des Baurechts und ist dementsprechend im Bundesbaugesetz geregelt. Die Intention der Vorschrift ist der Erhalt der bestehenden Bevölkerungsstruktur, um die von der öffentlichen Hand errichtete (soziale) Infrastruktur zu ihrem Zweck zu erhalten. Das bedeutet: Die gebauten Kitas und Schulen in einem Stadtteil können nur genutzt werden, wenn dort auch Kinder leben. Wenn nun in einem Viertel, das bisher überwiegend von Familien in Drei- bis Vier-Zimmer-Mietwohnungen bewohnt wurde, plötzlich viele dieser Mietwohnungen zu luxussanierten Einraumappartements als Eigentumswohnung umgewandelt werden, werden Familien und somit die Nutzer*innen von Kitas und Schulen, verdrängt. Die vorgehaltene Infrastruktur wäre nutzlos. Um dies zu verhindern, kann die Kommune eine Soziale Erhaltungssatzung gemäß § 172 BauGB für ein präzise definiertes Gebiet erlassen.

Dies geschieht in der Regel, wenn für ein Gebiet eine hohe Aufwertung im Gange ist oder zu erwarten ist. Aktuell wurde eine Soziale Erhaltungssatzung für das Kölner Severinsviertel eingeführt. Für Teile von Köln-Mülheim steht diese bevor. In anderen Großstädten, zum Beispiel in München, ist die Anzahl der Sozialen Erhaltungssatzungen um ein Vielfaches höher. In Gebieten mit Erhaltungssatzungen gibt es für Immobilienbesitzer Einschränkungen. Modernisierungen dürfen nicht über das übliche Maß hinausgehen.

Konkret bedeutet das, es darf kein zweites Bad, keine Fußbodenheizung, keine Videosprechanlage und kein neuer Außenbalkon angebaut werden. Wichtig: Es darf in der Regel keine Zusammenlegung von vormals zwei kleinen in eine große Wohnung erfolgen.

Leider hat die NRW-Landesregierung der Erhaltungssatzung einen scharfen Zahn gezogen. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist nun wieder erlaubt.

Mietendeckel ist in Berlin ein Erfolg.

Die Mieten für circa 90 % der Berliner Mietwohnungen sind auf dem Stand vom 18.6.2019 für fünf Jahre eingefroren worden. Ab 2022 dürfen die Mieten allerdings um 1,3 % pro Jahr erhöht werden. Der Mietendeckel gilt nicht für geförderte Wohnungen und nicht für Neubauwohnungen, die nach 2014 erstmalig bezogen oder einer Generalmodernisierung unterzogen worden sind. Umlagefähige Modernisierungskosten sind auf einen Euro pro Quadratmeter begrenzt. Das Gesetz stellt überteuerte Mieten unter Strafe und wird sehr konkret: Vermieter*innen, die 20 % über dem Mietspiegel vermieten, machen sich strafbar und die Miete ist unzulässig. Der Mieter hat Anspruch auf Schadensersatz. Verstöße gegen das Gesetz können mit bis zu 500 000 Euro geahndet werden. Seit vielen Jahren sind in Berlin die Angebotsmieten erstmalig wieder gesunken. Dies kann man auf den Mietendeckel zurückführen. In anderen Boomregionen – ohne eine ähnliche Gesetzeslage – ist trotz der Pandemie kein Rückgang der Angebotsmieten zu verzeichnen. Es wird also Zeit, die konservativ bürgerliche Regierung in Düsseldorf abzuwählen, um eine sozial gerechte Wohnungspolitik zu verwirklichen.

Betriebswohnungen der Stadtwerke erwirken

Die Kölner Stadtwerke GmbH hat mit der WSK eine eigene Wohnungsgesellschaft mit 1900 Wohnungen. Nachdem die WSK in den letzten Jahren den Wohnbestand saniert hat, wird neuer, weiterer Wohnraum geschaffen. Das Thema Betriebswohnungen wird inzwischen bundesweit diskutiert. Sogar die FAZ lobte das Kölner Projekt. Die Arbeitnehmervertreter und Teile der Aufsichtsratsmitglieder im Stadtwerke-Konzern unterstützen die Investition in weiteren Wohnraum. Die WSK prüft auch neue Modelle. Zum Beispiel die Verwaltung von Betriebswohnungen anderer Unternehmen. So sind sogar örtliche Handwerksunternehmen an Kooperationen und dem Erwerb von einzelnen Wohnungen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interessiert. Interessant ist, dass auch die Vorstandsetagen der Stadtwerke den Wohnungsbestand wertschätzen, weil sie so Arbeitskräfte gewinnen können.

Quellenhinweise: (1) https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1226&langId=de (2) Für eine wirkliche soziale Wohnungspolitik, Zeitschrift suburba.de, 2018, Heft 2/3 (3) Ein öffentliches Gut definiert sich also über die zwei Eigenschaften Nicht-Ausschließbarkeit und Nicht-Rivalität. Sind diese Kriterien vollständig erfüllt, spricht man auch von reinen öffentlichen Gütern, ansonsten von unreinen öffentlichen Gütern. Öffentliche Güter können ein Grund von Marktversagen sein. Um dieses Problem zu lösen, kann der Staat selbst das öffentliche Gut zur Verfügung stellen oder Anreize für private Unternehmen schaffen, das Gut zu produzieren. (Wikipedia) (4) Hans-Jochen Vogel, Mehr Gerechtigkeit. Wir brauchen eine neue Bodenordnung nur dann wir auch Wohnen wieder bezahltbar, Herder-Verlag 2020. (5) Erbbaurechte – ein Beitrag zur Bereitstellung von Wohnbauland für den bezahlbaren Wohnungsbau? Herausgegeben von Deutscher Verband für Wohnungswesen. (6) https://www.mieterbund.de/presse/pressemeldung-detailansicht/article/58186-neuauflage-eines-gemeinnuetzigen-wohnungssektors-gefordert.html

Abb. (PDF): 5 000 Personen beteiligten sich am 6.4.2019 an der Kundgebung und Demonstration des Mieterbundes, des DGB und der Wohlfahrtsverbände „Gegen den Mietenwahnsinn in Köln“. Foto: Die Linke Köln

Abb. (PDF): Logo / Verweis auf auf Mietendeckel Berlin

01

INFO:Der Housing-First Ansatz

Das Housing-First Konzept beendet Wohnungslosigkeit unmittelbar und bietet flexible wohnbegleitende Hilfen zum dauerhaften Wohnungserhalt an. Regulärer Wohnraum wird an erste Stelle gerückt – ein entscheidender Unterschied zum derzeit meist praktizierten System. Darin müssen Betroffene oft ihre „Wohnfähigkeit“ zunächst unter Beweis stellen: Unterkünfte und Trainingswohnungen müssen durchlaufen werden. Oftmals ist die Zurverfügungstellung von Wohnraum an die Erfüllung von Auflagen und Wohlverhalten gekoppelt. Der Aufstieg in ein normales Mietverhältnis scheitert häufig an nicht vorhandener Wohnungen auf dem Markt und so droht die erneute Wohnungslosigkeit: Ein „Drehtür-Effekt“ stellt sich ein. Auch sind solche Wohnraumformen häufig zeitlich befristet. Housing First hingegen bedeutet: Es besteht von Anfang an ein normales, unbefristetes Mietverhältnis mit allen Rechten und Pflichten. Wohnbegleitende Hilfen werden aktiv angeboten: Betroffene werden dazu ermutigt, Probleme mit Unterstützung anzugehen, aber nicht dazu verpflichtet. Dort wo Housing-First bereits praktiziert wird, sind die Ergebnisse überzeugend.

Housing-First wurde Anfang der 90er Jahre in den USA unter der Leitung von Dr. Sam Tsemberis entwickelt. In den USA wird es seither in einigen Städten erfolgreich praktiziert. In Deutschland ist der Ansatz noch nicht weit verbreitet. Tsemberis stellte acht Grundprinzipen auf, die den Housing-First Ansatz ausmachen ….

1. Wohnen als Menschenrecht. Housing First betont das Recht von wohnungslosen Menschen auf Wohnen. Wohnraum wird zuerst und nicht zuletzt angeboten. Wohnraum wird ohne jegliche Erwartung, dass sich eine wohnungslose Person in einer bestimmten Art und Weise zu entwickeln hat zur Verfügung gestellt. Zustimmung zu einer Behandlung oder zu Abstinenz von Drogen oder Alkohol sind nicht erforderlich, bevor ein Wohnraum angeboten wird. Housing First verlangt nicht, dass sich wohnungslose Menschen das Recht auf Wohnen oder das Recht in einer Wohnung bleiben zu können, verdienen müssen.

2. Wahlfreiheit und Entscheidungsmöglichkeit für Betroffene. Ein zentraler Grundsatz von Housing First ist, dass den Personen, welche das Angebot nutzen, zugehört und deren Meinung respektiert wird. Housing First NutzerInnen sind in der Lage gültige Entscheidungen darüber zu treffen, wie sie leben wollen und welche Art von Unterstützung sie erhalten möchten.

3. Trennung von Wohnen und Betreuung. Housing First bietet Unterstützung so lange wie nötig an. Wird das Betreuungsangebot nicht mehr in Anspruch genommen, können Betroffene in der bestehenden Wohnung verbleiben. Wenn jemand die Betreuung nicht mehr benötigt, muss er/sie nicht umziehen. Eine räumliche und personelle Trennung von Vermietung und Sozialberatung sollte gegeben sein.

4. Recovery-Orientierung. Ein Angebot mit Recovery-Orientierung richtet das Augenmerk ganzheitlich auf das Wohlbefinden der/des Einzelnen. Besonders im Blickpunkt stehen dabei die physische und psychische Gesundheit eines Individuums, das soziale Umfeld und der Grad an sozialer Inklusion.

5. Harm-Reduction. Harm-Reduction stellt Betreuung und Behandlung zur Verfügung, verlangt aber nicht die Abstinenz von Drogen und Alkohol.

6. Aktive Beteiligung ohne Druck und Zwang. „active engagement without coercion“ ist eine amerikanische Terminologie und kann als eine auffordernde, jedoch nicht aggressiv bedrängende Art beschrieben werden, mit Housing First Nutzer*innen zu arbeiten.

7. Personenzentrierte Hilfeplanung. Housing First Angebote arbeiten mit personenzentrierter Hilfeplanung. Das bedeutet im Wesentlichen die Organisation von Betreuung und Behandlung rund um die Bedürfnisse des/der individuellen Nutzer*in. Dieser Fokus spiegelt die Bedeutung von Wahlfreiheit und Entscheidungsmöglichkeit wider.

8. Flexible Unterstützung für so lange wie nötig. Die Bereitstellung von Hilfen ist nicht an die Wohnung gebunden: Zieht ein Mieter aus und benötigt weiter Hilfe bekommt er sie. Benötigt er keine Hilfe, kann er trotzdem in der Wohnung bleiben.

Quelle: https://www.housingfirstfonds.de/59/housing-first-beendet-wohnungslosigkeit-dauerhaft

*Abb. (ebd.): https://housingfirsteurope.eu/assets/files/2017/12/housing-first-guide-deutsch.pdf, 108 S. A4.