Politische Berichte Nr. 2/2021 (PDF)21
Rechte Provokationen – Demokratische Anworten

Keine öffentliche finanzierte Grabpflege für KZ-Kommandeure und Kriegsverbrecher

Christiane Schneider, Hamburg

2019 wurde öffentlich, dass Hermann Baranowski, SS-Obersturmführer, Lagerkommandant des KZ Lichtenburg (ab April 1936), Schutzhaft-Lagerkommandant in Dachau (ab November 1936), Kommandant des KZ Sachsenhausen (März 1938 bis September 1939) in Hamburg auf dem Ohlsdorfer Friedhof liegt. Er war 1940 nach Krankheit verstorben und in den 1950er Jahren auf ein Kriegsgräberfeld umgebettet worden. „Der Erhalt und die Pflege dieser (Kriegs-)Gräber sollen dazu dienen, die Erinnerung an die Gräuel des Zweiten Weltkriegs und ihre Täter ebenso wie die schrecklichen Folgen, die Krieg und Gewaltherrschaft haben, wachzuhalten,“ schrieb die Bundesregierung 2019 in einer Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke.1

Tatsächlich jedoch werden Unterschiede zwischen Opfern und Tätern nicht gemacht. Nichts wies auf die Täterschaft Baranowskis hin. Unerkannt lag er auf Kosten der Öffentlichkeit zwischen gefallenen Wehrmachtssoldaten, KZ-Insassen, hingerichteten Justizhäftlingen und Deserteuren.

Baranowski ist kein Einzelfall. Von den gut zwei Millionen Toten in deutschen Kriegsgräberstätten gehörten ca. 10% Verbänden der SS an. Durch Suchanfragen an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. ermittelte die Bundestagsfraktion neben Baranowski weitere ranghohe Nazi-Täter, u.a. den Kommandanten des KZ Mauthausen, der in Falkensee liegt, und zwei wegen Kriegsverbrechen in Griechenland hingerichtete Wehrmachtsgeneräle, die auf den deutschen Kriegsgräberstätten Maleme, Kreta, und Dionyssos-Rapendoza nahe Athen liegen.

Die deutschen Kriegsgräberfelder werden bundesweit und im Ausland aus öffentlichen Mitteln gepflegt, zeitlich ohne Begrenzung. Für die Pflege der Gräber in Deutschland sind die Länder zuständig, die Kosten trägt der Bund. Im Haushalt 1998 wurden dafür 8593 000 DM ausgewiesen, 2018 waren es bereits fast 16 Millionen Euro.

In Hamburg arbeitet seit 2013 die Initiative „Umgang mit den Weltkriegsgräbern auf dem Ohlsdorfer Friedhof“, der u.a. die VVN-BdA, die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und die Willy-Bredel-Gesellschaft angehören, für einen angemessenen Umgang mit den Anlagen und eine sachgerechte Kommentierung. Aber erst als der Senat 2019 auf Anfragen der Hamburger Linksfraktion bestätigte, dass Baranowski in Ohlsdorf liegt, tat sich erkennbar etwas. Die Medien berichteten, die Eingabe eines Bürgers erreichte die Bürgerschaft, und vor einigen Wochen wurde bekannt, dass das Grab Baranowskis aufgelöst wurde.

Hermann Baranowski trug von 1936 bis 1939 Verantwortung für den Tod Tausender Menschen. In Dachau sah er stundenlang Auspeitschungen zu und feuerte die SS-Schläger an, noch härter zuzuschlagen: „Dann dröhnte sein Lachen durch die Nacht, und er brüllte und schlug sich auf die Schenkel. Den Häftlingen rief er zu: ‚Wenn ich lache, lacht der Teufel.‘“2 Der spätere Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß, in Sachsenhausen Adjutant Baranowskis, nannte ihn später sein „Vorbild“: „Auch er hatte Momente, in denen seine Gutmütigkeit, sein weiches Herz klar zu Tage traten, und doch war er hart und unerbittlich streng in allen Dienstangelegenheiten. So hielt er mir stets vor Augen, wie das in der SS geforderte harte ‚Muss‘ alle weichen Regungen zum Schweigen bringen musste.“3

Seine Brutalität brachte ihm in Sachsenhausen den Namen „Vierkant“ ein. Man findet einige Schilderungen über seine persönliche Verantwortung für Erschießungen, Folter und Quälereien. So erinnerte sich Jahre später Heinrich Dieckmann an die Exekution seines Bruders, wie er ein Zeuge Jehovas. Boranowski, der seinen Bruder tagelang gequält und sich schließlich direkt an Himmler gewandt hatte, habe danach, am 15. September 1939, die inhaftierten Zeugen Jehovas antreten lassen und über Lautsprecher bekannt gegeben: „Der Häftling August Dieckmann aus Dinslaken, geboren am 7. Januar 1910, verweigert den Wehrdienst, weil er ein Bürger des Königreiches Gottes ist. (…) So hat er sich außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt und wird auf Anordnung des Reichsführers SS Himmler erschossen. Zu meinem Bruder gewandt schrie er: ‚Dreh dich um, du Schwein!‘ Dann gab er den Schießbefehl. Den Blick zum Kugelfang gerichtet, wurde mein Bruder von drei SS-Unterführern erschossen. Nachdem er zusammengebrochen war, ging der Lagerführer, ein hoher SS-Offizier (Rudolf Höß, CS) hin und schoss ihm noch eine Kugel durch den Kopf.“4 Dieckmann war der erste, der wegen Kriegsdienstverweigerung erschossen wurde. Auch Hans Litten, der sich als Strafverteidiger und Antifaschist einen Namen als „Anwalt des Proletariats“ gemacht hatte, wurde in Sachsenhausen in besonderem Maße Ziel der Brutalität Baranowskis und schließlich in den Tod getrieben.5

Dass Nazi-Täter ohne jeden Hinweis Seite an Seite mit Opfern des Nazi-Regimes bestattet liegen, ohne Unterscheidung, ohne Hinweis, ist nicht akzeptabel. Die Bundesregierung kündigte nach der Initiative der Bundestagsfraktion an, mit den Ländern über das Thema Grabpflege auch für Gräber von Kriegsverbrechern sprechen zu wollen. Ergebnisse wurden bisher nicht bekannt.

Abb. (PDF): Deutsche Kriegsgräberstätte in Hamburg-Ohlsdorf. Foto von Roland H. Bueb – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58344614

(1) Deutscher Bundestag, Drucksache 19/10407, 22.5.2019 (2) www.tenhumbergreinhard.de/1933-1945-taeter-und-mitlaeufer/1933-1945-biografien-b/baranowski-hermann.html (3) Zitiert nach Wikipedia aus: Rudolf Höß, Kommandant in Auschwitz. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1958, S. 69 (4) www.sachsenhausen-sbg.de/meldungen/80-jahrestag-der-ermordung-von-august-dickmann/ (5) www.hans-litten.de/sein-leben/1933-1938