Politische Berichte Nr. 3/2021 (PDF)19
Gewerkschaften – Soziale Bewegungen

Tarifauseinandersetzung Einzelhandel NRW

Farina Kerekeš, Essen, verdi-Mitglied

In NRW befindet sich Verdi mitten in der Tarifauseinandersetzung im Einzel- und Großhandel. Nachdem der Handel ein turbulentes Jahr hinter sich hat, starten die Tarifverhandlungen eher zaghaft. Verdi fordert eine Erhöhung der Gehälter, Löhne und Auszubildendenvergütungen von 4,5 % plus 45 Euro, ein Mindestentgelt von 12,50 Euro pro Stunde und eine Laufzeit von 12 Monaten. Das ist deutlich weniger, als in der Tarifrunde 2019 gefordert wurde: 6,5 % mehr Gehalt und Lohn, 100 Euro mehr Auszubildendenvergütung, eine Mindesterhöhung von 163 Euro und ebenfalls eine Laufzeit von 12 Monaten.

Zu tun gibt es im Handel so einiges. Verkäuferinnen und Verkäufer gelten zurecht als systemrelevant, verdienen aber im Schnitt nur 12,77 Euro brutto pro Stunde. Ein Hilfsarbeiter in der Metallindustrie verdient im Schnitt 19,65 Euro brutto pro Stunde. Da ist noch deutlich Luft nach oben. Obwohl der Handel insgesamt im Jahr 2020 den größten Umsatzzuwachs zum Vorjahr seit 1994 verzeichnen konnte, hat der Handelsverband Deutschland (HDE) ein unterirdisches Angebot vorgelegt. Es soll für Unternehmen, die gut durch die Pandemie gekommen sind nach zwei Nullmonaten eine Erhöhung von 1 % geben, ab Mai 2022 weitere 1,4 % und ab Mai 2023 noch mal 2 %.

Noch schlimmer wird es für die Unternehmen, die unter der Pandemie gelitten haben: Erst nach 10 Nullmonaten 1 % Erhöhung zum März 2022, nach weiteren 6 Nullmonaten 1,4 % zum November 2022 und nach weiteren 6 Nullmonaten 2 % zum November 2023. Beides mit einer Laufzeit von 36 Monaten. Dieses Angebot wird nicht einmal die jährliche Inflation von 2 % ausgleichen und bedeutet einen realen Einkommensverlust für die Angestellten im Einzelhandel.

Auch bei der Tarifbindung hakt es gewaltig. Die Branche leidet massiv unter Tarifflucht. Nur noch ein Viertel aller Angestellten wird nach Tarif bezahlt. Deswegen fordert Verdi, dass die Tarifverträge wieder für allgemeinverbindlich erklärt werden. Das geht allerdings nur mit dem HDE gemeinsam und der weigert sich seit Jahren die Allgemeinverbindlichkeit zu beantragen.

Nach der zweiten Verhandlungsrunde hat Verdi bereits angekündigt, mehr Druck von außen aufzubauen. Wir können also weitere Warnstreiks erwarten. Das Angebot des HDE muss sich deutlich verbessern, damit Verkäuferinnen und Verkäufer für ihren Einsatz in der Pandemie nicht nur mit einem Danke und Warengutscheinen abgespeist werden, sondern auch gut von ihrem Einkommen leben können.