Politische Berichte Nr.4/2021 (PDF)09
EU-Politik

Polens nationaler Wiederaufbauplan – viele Fragen, wenig Antworten

Jakub Kus, Warschau

Der Nationale Plan für den Wiederaufbau Polens (NPP) soll die Grundlage für die polnischen Ausgaben aus dem Wiederaufbaufonds bilden. Die polnische Regierung hat den vollen Betrag an Zuschüssen und 12,1 Milliarden Euro an Darlehen beantragt (die restlichen 22 Milliarden Euro an Darlehen können von der polnischen Regierung bis 2023 beantragt werden).

Theoretisch wurden die Verhandlungen mit der polnischen Regierung Mitte Juli abgeschlossen, als man sich über klimapolitische Fragen einigte. Die Verzögerung der Kommissionsentscheidung steht jedoch im Zusammenhang mit dem eskalierenden Streit zwischen der Europäischen Kommission und der polnischen Regierung über die Unabhängigkeit der polnischen Justiz, mit Entscheidungen des polnischen Verfassungsgerichts, die die Vorrangigkeit von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in Frage stellen, und allgemein mit der Einmischung der Exekutive in die Arbeit der polnischen Gerichte. Auch muss Polen nachweisen, dass sein Justizsystem unabhängig funktioniert und dass die Urteile seiner Gerichte sowohl von inländischen als auch von ausländischen Stellen anerkannt werden. Dies gilt direkt für wirtschaftlich motivierte Verfahren im Rahmen des Wiederaufbauplans.

Auch wenn es politische Spielchen zwischen der Regierung und der Opposition gegeben hat, wird der polnische Plan von allen Seiten akzeptiert. Einwände gibt es bei der Konkretisierung.

Einige Besonderheiten des polnischen Plans gegenüber dem Anforderungen der EU

– Investitionen zur Förderung der Entwicklung diversifizierter kleiner und mittlerer Unternehmen, grüner Bereiche, der Digitalisierung der Wirtschaft, des Ausbaus des Forschungspotenzials für die Wirtschaft, Investitionen in die Humanressourcen (mindestens Einrichtung sektoraler Kompetenzzentren), Reform der Arbeitsmarktinstitutionen (einschließlich Unterstützung für Nichterwerbstätige und Migranten).

– Grüne Energie und Verringerung der Energieintensität: Programm für saubere Luft (insbesondere Ersatz von Wärmequellen und Energieeffizienz von Wohngebäuden), Entwicklung von Wasserstofftechnologien und anderen alternativen Kraftstoffen, erneuerbare Energiequellen (einschließlich Offshore-Windparks), „Begrünung“ kleiner und mittlerer Städte, Sanierung von durch die Industrie geschädigten Gebieten, Abwasserbehandlung.

– Zugänglichkeit und Qualität des Gesundheitswesens: Verbesserung der Verfügbarkeit und Qualität von Gesundheitsdiensten, Aufstockung des medizinischen Personals, Ausbau der medizinischen Forschungseinrichtungen, Verbesserung der Verfügbarkeit und Produktion von Arzneimitteln.

– Grüne, intelligente Mobilität – verstärkte Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel – Elektromobilität, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnsektors, Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Könnte es Probleme bei der Umsetzung des polnischen Plans geben? Neben den Fragen der Rechtsstaatlichkeit gibt es noch weitere. Der Plan scheint von einer weitreichenden Zentralisierung der Ausgaben auszugehen. Die polnischen Selbstverwaltungen werfen der Regierung vor, sie wolle für ihre Pläne vor allem die Subventionen einsetzen, während die Selbstverwaltungen ihre Pläne mit Krediten realisieren sollen. Die Opposition vermutet, dass die Ausgaben aus dem Fonds direkt mit den politischen Kampagnen der Regierungsparteien verknüpft werden und sich an deren potenzielle Wählerschaft richten. Sie sollen einen weiteren Wahlerfolg der PiS unterstützen, was wohl zutrifft, denn der Nationale Wiederaufbauplan stimmt eins zu eins mit dem neuen politischen Projekt der Partei, dem so genannten Polish Deal, überein. Es besteht die Gefahr, dass auch die Aufgaben im nationalen Wiederaufbauplan in erster Linie auf die Bedürfnisse der PiS-Wählerschaft, der „befreundeten“ Regionen und der von der Regierungspartei kontrollierten Staatsunternehmen ausgerichtet werden.

Polen ist nicht auf die nächste Abwanderungswelle vorbereitet, es gibt noch immer keine kohärente Migrationspolitik.

Und schließlich das Problem, mit dem wir angefangen haben. Wenn die Regierung ihr Problem mit der Rechtsstaatlichkeit nicht löst und den Standpunkt der EU-Gremien zur Unabhängigkeit der Gerichte nicht respektiert, könnte die Finanzierung der Aufgaben aus dem polnischen Wiederaufbauplan problematisch sein. Die EU verfügt bereits über Instrumente, die sie einsetzen kann. Und wenn dies nicht geschieht, könnte ein ähnliches Syndrom wie in Ungarn und Polen auf andere Länder der Gemeinschaft übergreifen.