Politische Berichte Nr.4/2021 (PDF)20
Rechte Provokationen – Demokratische Antworten

Rechte Provokationen – demokratische Antworten – Redaktionsnotizen. Zusammengestellt von Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 Schluss mit der Lethargie gegenüber der AfD und ihrer Stiftung!

02 Die AfD will historisch an die deutsche Rolle vor 1945 anknüpfen.

03 ... die politische Grenze des Abendlands an den Amur verschieben

04 Standortnationalismus – Völkischer Nationalismus – Autoritärer Staat

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Schluss mit der Lethargie gegenüber der AfD und ihrer Stiftung! Dreizehn prominente zivilgesellschaftliche Organisationen rufen in einem „Manifest der Zivilgesellschaft“ die Fraktionen im deutschen Bundestag dazu auf, ihre apathische Haltung gegenüber Parteien wie der AfD und ihrer Desiderius-Erasmus-Stiftung aufzugeben. Sie sollen schnellstmöglich ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen, das sicherstellt, dass Verfassungsfeinde keine Steuergelder erhalten.

Der Initiative der Bildungsstätte Anne Frank haben sich Amadeu Antonio Stiftung, campact, DGB, Fridays for Future, Gesicht Zeigen, Katholische Akademie Rabanus Maurus, medico international, Paritätisches Bildungswerk Bundesverband e.V., Pro Asyl, Stiftung Topographie des Terrors, Verdi und Zentralrat der Juden in Deutschland angeschlossen.

https://www.stiftungstrick-der-afd.com/kontakt/

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Die AfD will historisch an die deutsche Rolle vor 1945 anknüpfen. Besonders liegen ihr die Erinnerung an die deutschen „Volksgruppen“ in Osteuropa und an deren Schicksal nach 1945 am Herzen. Wilhelm von Gottberg, langjähriger Vertriebenenfunktionär und Weggefährte von Erika Steinbach (jetzt Leiterin der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung), mit der er zusammen in der CDU aktiven Geschichtsrevisionismus betrieb und als Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen den Schulterschluss mit verschiedenen Organisationen der extremen Rechten suchte, verdeutlicht in seiner Abschiedsrede zur Förderung der Kulturarbeit im Rahmen des Bundesvertriebenengesetzes, wofür die AfD steht: „Die Landesmuseen werden heute institutionell gefördert. Die Förderung ist nicht üppig. Gleichwohl, es wurden damit Erinnerungsorte geschaffen, die an das wirkliche Ostdeutschland erinnern sollen. Die ehemaligen preußischen Ostprovinzen sind Teil der deutschen Geistes- und Kulturgeschichte. Ob mit den Einrichtungen eine dauerhafte Erinnerung an diesen Teil unserer Geschichte möglich sein wird, ist zweifelhaft. Das kann nur gelingen, wenn der Geschichtsunterricht an den Schulen entsprechende Lehrinhalte vermittelt. Leider kann man da nicht optimistisch sein. (…) Zu kurz kommt im Bericht die Lage der deutschen Volksgruppen in Polen. Unter meiner Federführung gründete die Landsmannschaft im polnischen Teil Ostpreußens 22 deutsche Vereine. (…) Ich habe bei meinen zahlreichen Besuchen im heutigen polnischen Teil Ostpreußens aus meiner preußischen und deutschen Gesinnung keinen Hehl gemacht. Dafür wurde mir Respekt bekundet.“

(Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 237. Sitzung – Gerd Wiegel, AfD im Bundestag: 23. bis 25.6.21).

03

... die politische Grenze des Abendlands an den Amur verschieben. Die AfD-Delegation im EU-Parlament hat im Mai 2020 ein Gutachten zu den strategischen Grundlagen einer engeren Zusammenarbeit zwischen der ID- und EKR-Fraktion im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben. Auf dem Hintergrund des im Juli 2021 gegründeten europäischen Bündnisses für „freie Vaterländer und gegen EU-Zentralismus“, für eine neue Fraktion im EU-Parlament, dem 16 Parteien beigetreten sind, ist diese Studie von Bedeutung. Mit bei diesem Bündnis sind u.a. FPÖ, Fidesz, PiS, RN und Lega, aber nicht die AfD.

Das Gutachten von Prof. Dr. David Engels geht auf die Differenzen zwischen AfD (ID-Fraktion) und PiS (EKR) ein. Das Ziel: nicht nur die tieferliegenden Gründe der gegenwärtigen Distanz, sondern auch strategische Optionen zur Verbesserung der Beziehungen zu skizzieren.

Aus dem Gutachten: „Die meisten der Punkte, welche Distanz und Verstimmung erzeugt haben, liegen eher in der Erinnerungspolitik beider Kräfte begründet … Wäre es möglich, hier gerade auch auf der Ebene des kulturellen Gedächtnisses ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzielen, wäre ein wichtigster Schritt zur Schaffung eines einheitlichen konservativen Lagers innerhalb der gesamten EU getan und, … die Grundlage gelegt für einen Umbau der europäischen Institutionen.“ Zunächst werden viele völkisch nationalistische Übereinstimmungen von AfD und PiS aufgeführt, als wichtigstes trennendes Element die Haltung gegenüber der Russischen Föderation, Polens „Traumatisierung durch die fast 250-jährige russische Besatzung seines Territoriums“. Die pro-russische Haltung vieler Politiker der AfD stoße bei der PiS wie auch in ganz Polen auf Unverständnis. Zur Entschärfung der Russlandfrage sollte die Tatsache ins Feld geführt werden, daß die wahren Probleme des 21. Jh. nicht mehr in der Frontstellung zwischen dem westlichen Bündnis und Russland liegen, sondern vielmehr in der Gefahr, welche die chinesische Expansion, der muslimische Fundamentalismus, die afrikanische Armutsimmigration oder die Ideologie politischer Korrektheit für das Überleben und die Identität der europäischen Völker darstellen. „Bedenkt man zudem die ideologische Nähe zwischen der gegenwärtigen russischen Regierung und den konservativen Kräften Europas, ließe sich darauf verweisen, daß eine konstruktive Einbeziehung Russlands in das Gefüge der konservativen Kräfte Europas die politische Grenze des Abendlands an den Amur, anstatt diejenige Chinas faktisch nach Weißrussland und somit vor die Tore Warschaus tragen würde“.

https://www.id-afd.eu/wp-content/uploads/2020/12/AfD-PiS-Gutachten-zur-Publikation-1.pdf

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Standortnationalismus – Völkischer Nationalismus – Autoritärer Staat: damit kennzeichnet Helmut Kellershohn das Bundestagswahlprogramm der AfD im Diss-Journal 41/21. Ihr oberstes wirtschaftspolitisches Credo ist: „Wir wollen die Wirtschaft von politisch herbeigeführten Belastungen komplett befreien.“ Als solche wird z.B. der „klimakommunistische Umbau Europas“ bezeichnet, womit der Umbau der Wirtschaft auf umweltfreundliche Ressourcen gemeint ist. „Wir lehnen den ‚Green Deal‘ der EU sowie jegliche weiteren Formen von Planwirtschaft ab.“ Zur Entlastung der Wirtschaft greift die AfD (Programmpunkt „Klima, Energie, Technik und Digitalisierung“) auf die Sicherstellung der Energieversorgung durch Erdgas und auf Braun- und Steinkohle sowie auf Kernkraft zurück. Deutschland soll die Technologieführerschaft mittels eines „Blue Deal“ erringen, der deutsche Erfindergeist wird überschwänglich gelobt. Kellershohn: „Im Gegensatz zu einer Auffassung, es ginge der AfD darum, so weiterzumachen wie bisher oder sich gar rückwärts zu orientieren, muss betont werden, dass sie sich eher an die alte Devise von Franz Josef Strauß hält, konservativ sei, an der Spitze des technischen Fortschritts zu marschieren. Sie schlägt allerdings einen anderen Entwicklungspfad vor als den, der mit dem „Great Reset“ geplant ist. Betrachtet man das Ganze im Hinblick auf die Interessen kapitalistischer Unternehmen, so lautet das Kalkül der AfD: Ökologisches Wirtschaften (samt gesellschaftlicher Akzeptanz) mag gut sein, aber der Profit muss stimmen. Wenn nicht, werden Unternehmen nach Alternativen Ausschau halten, von denen die AfD glaubt, sie bieten zu können.“

http://www.diss-duisburg.de/2021/06/diss-journal-41/

Abb. (PDF): Cover DISS Journal