Politische Berichte Nr.5/2021 (PDF)14
Aus Kommunen und Ländern

Für die Zukunft lernen: Linke Politik im KatastrophenschutzKatastrophenschutz in Sachsen Kommunale Politik in Sachen Katastrophenschutz

Katastrophenschutz in Sachsen

Aktueller Stand und Forderungen der Linken

01 Kasten: Unsere Forderungen im Überblick

Mirko Schultze, Görlitz*

Zur allgemeinen Einführung und zum besseren Verständnis: In Sachsen ist der Katastrophenschutz dreigliedrig aufgebaut (siehe Abbildung) und hat im Einsatzfall die Aufgabe Menschenleben, ihre Gesundheit und Versorgung, sowie Sachgüter und die Umwelt zu schützen.

Von einer Katastrophe wird erst dann gesprochen, wenn die regionalen Einheiten mit ihren Mitteln sowie ihrer zuständigen Behörden mit der Gefahrenabwehr an ihre Grenzen kommen und überfordert sind. Eine Katastrophe in diesem Sinne ist also nicht vom Ausmaß des Schadensereignisses abhängig, sondern sie bringt das subsidiäre Prinzip der föderalen Aufgabenbearbeitung an seine Grenzen. Zynisch formuliert kann dieses Szenario in Sachsen durchaus häufiger passieren, da bei den Einheiten der unteren Katastrophenschutzbehörde, wie zum Beispiel der Feuerwehr, ein ganz eigenes Problemfeld besteht, wie eine Mangel von freiwilligen Feuerwehrmännern und -frauen sowie deren Überalterung. Darüber hinaus herrschen unzureichende Bedingungen in der materiellen Ausstattung von Gerätehäusern bis hin zu Fahrzeugen.

Während die Sächsische Staatsregierung davon spricht,1 dass der Katastrophenschutz in Sachsen überwiegend gut aufgestellt ist und insbesondere die Warnungen, Evakuierungen und Rettungen insbesondere beim letzten großen Hochwasserereignis 2013 sehr gut funktionierten, laufen hierzulande die Katastrophenschützer*innen landauf, landab, um auf ihre prekäre Situation hinzuweisen. Besonders beeindruckend sind dabei die Petitionsanstrengungen der Initiative Status 62 sowie die Aktionen und Positionspapiere zur Helfer:innengleichstellung (2019), die in markanten Punkten, trotz Novellierung des BRKG 2019,3 kein Gehör bei der Staatsregierung fanden.

Bei der eben angesprochenen Novellierung aus dem Jahr 2019 wurden einige Forderungen übernommen. Zu nennen seien die Förderung des Feuerwehrführerscheins sowie die Zuwendungserhöhung für Nachwuchsarbeit und Ausstattung. Jedoch ist die Fördersumme von 39,5 Millionen Euro4 insbesondere bei der weiterhin angespannten finanziellen Situation der hiesigen Städte und Gemeinden nicht ausreichend, um einen modernen Brand- und Katastrophenschutz sicherzustellen. Erst im Juli dieses Jahres reichte die Fraktion der Linken im Sächsischen Landtag erneut einen Antrag ein und forderte die Staatsregierung dazu auf, einen „Bevölkerungsschutz-Bericht Hochwasserereignisse Juli 2021“ vorzulegen. Dies soll die Grundlage für Verbesserungen beim Hochwasser- und Katastrophenschutz sein und die Gefahrenabwehr als Ganzes betrachten.

Es bleibt zu analysieren, ob und inwiefern die bestehenden Schutz- und (Vor-)Warnvorkehrungen des Landes und der Kommunen wirksam sind. Wo (Vor-)Warnsysteme und stationäre oder mobile Hochwasserschutzanlagen fehlen, muss nachgebessert werden. Außerdem braucht Sachsen ein mit den Kommunen abgestimmtes, von Mobilfunk und Stromversorgung unabhängiges Bevölkerungswarnsystem. Dazu gehören flächendeckend Sirenen mit Akku-/Notstromversorgung. Länder wie Rumänien oder Polen machen uns zudem vor, wie erfolgreich funkzellenbasierte Handy-Warnsysteme sind. Da muss das Land Sachsen dringend aufholen.

Zusätzlich müssen die Ausbildungspläne für den Bevölkerungsschutz sowie die Alarm- und Ausrückordnungen betrachtet werden. Die von Rettungskräften im Katastrophenfall abzusichernden Doppelfunktionen, wie sie beispielsweise Wasserwacht und Feuerwehr oder Katastrophenschutzzüge und Freiwillige Feuerwehr ausüben, müssen eingearbeitet werden. Nicht zuletzt muss auch die technische Ausstattung der Kräfte des Bevölkerungsschutzes daraufhin überprüft werden, ob sie zur Bewältigung der künftig häufiger auftretenden Hochwasser- und Starkregenereignisse ausreicht.

Im Bund sollte Sachsen außerdem Bestrebungen unterstützen, eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden voranzubringen. 5 Ein solches Modell ist die einzige Möglichkeit, um Menschen, deren Häuser in der Nähe von Gewässern stehen, überhaupt noch eine bezahlbare Versicherungsmöglichkeit zu bieten. Außerdem ist es dringend geboten vorbeugend aktiv zu werden, damit Menschen sich bei Katastrophenereignissen selbst besser schützen und sicher handeln können. Hierfür bedarf es verlorengegangenes Wissen in der Bevölkerung neu zu lernen und mit modernen Erkenntnissen zu verknüpfen. Nicht zuletzt müssen Menschen beim Schutz ihrer Wohnungen vorbeugend unterstützt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Finanzierbarkeit, denn innovative technische Möglichkeiten können in Gebäuden auch nachgerüstet werden, doch nicht jeder kann sich diesen Schutz leisten. Deshalb braucht es ein Förderprogramm für Hochwasserschutz an privaten Gebäuden. Der individuelle und gesamtgesellschaftliche Schaden kann so um ein Vielfaches gemildert werden.

Nicht zum ersten Mal konnten wir mit der Einreichung eines Antrages, dem die regierungstragenden Fraktionen aus taktischen Erwägungen im Parlament wohl nicht zustimmen werden, Regierungshandeln anstoßen. Im konkreten Fall hatten wir schon in der letzten Legislaturperiode gefordert, den Bevölkerungsschutz ernster zu nehmen. Es spricht Bände, dass der Freistaat nicht selbständig ein Programm zum Ausbau der Sirenen-Infrastruktur aufgelegt hat, sondern es dazu erst einer neuerlichen Naturkatastrophe und eines Bundesprogramms bedurft hat. Die Staatsregierung muss nun alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Katastrophenschutz und die Warnsysteme weiter zu verbessern.

* Mirko Schulze. Die Linke, ist Mitglied des sächsischen Landtags und Sprecher für Feuerwehr, Rettungswesen, Bundeswehr und Katastrophenschutz. https://www.linksfraktionsachsen.de/fraktion/abgeordnete/mirko-schultze/

1 Drucksache7/7222 2 http://sachsen-status6.de/ 3 Brand-, Rettungs- und Katastrophenschutzgesetz 4 https://www.bevoelkerungsschutz.sachsen.de/katastrophenschutzeinheiten-4199.html 5 https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/pflichtversicherung-unwetter-hochwasser-100.html

Abb. (PDF): Grafik Zuständigkeiten

1

Kasten: Unsere Forderungen im Überblick:

Konzept von Katastrophenschutz zu ganzheitlichem Bevölkerungsschutz

Helfer:innengleichstellung: Freistellungs-, Entgeltfortzahlungs-, Ersatz- und Erstattungsansprüche wie für die freiwillige Feuerwehr

Stärkung des Ehrenamtes durch Anerkennung der Dienste am Gemeinwohl zum Beispiel durch Ehrenamtsrentenpunkte

Angemessene Finanzierung der laufenden Unterhaltskosten

Sach- und fachgerechte Koordinierung von Spontanhelfer:innen auch über soziale Medien

Zentrale Fördermittelbasierende Beschaffung

abgestimmtes, von Mobilfunk und Stromversorgung unabhängiges Bevölkerungswarnsystem

Kommunenübergreifende Bedarfsplanung

Pflichtversicherung gegen Elementarschäden

Förderprogramm für privaten Hochwasserschutz

Erste Hilfe und Katastrophenschutz sollen Teil der Lehrpläne sein

Regelmäßige moderne Informationen und Weiterbildung der Bevölkerung