Politische Berichte Nr.5/2021 (PDF)18a
Gewerkschaften, Soziale Bewegungen

Gewerkschaft versus Gewerkschaft

Bruno Rocker, Berlin

Mit Hilfe zweier Ministerpräsidenten als Vermittler gelang der Deutschen Bahn noch vor dem Wahltag am 26. September ein Tarifabschluss mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Die Bahn zahlt in zwei Etappen eine Tariferhöhung von 3,3 Prozent. Dazu kommen zwei Corona-Prämien von zusammen 1000 Euro sowie der Erhalt der Betriebsrente. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit bis Oktober 2023.

Nach dem Abschluss verbreitete der Vorstand der Eisenbahngewerkschaft EVG die folgende Erklärung: „Wir haben immer gesagt: Dieser Tarifkonflikt ist zu Ende, wenn wir ihn beenden. Der Bahnvorstand ist aufgefordert, unmittelbar und zügig neue Verhandlungen mit uns aufzunehmen.“ Inzwischen liegen die Forderungen der EVG vor: Eine Corona-Beihilfe in Höhe von 1500 Euro für alle, die unter den Tarifvertrag der EVG fallen, Überarbeitung des Entgeltsystems im gesamten Konzern, ein neues Zulagensystem sowie die Weiterentwicklung der betrieblichen Altersvorsorge. Die EVG hatte in ihrem Tarifvertrag 2020 ein Sonderkündigungsrecht vereinbart, sofern nach dem Tarifabschluss mit der GDL Verhandlungen der EVG mit der Bahn zu keinem Ergebnis führen.

Die Deutsche Bahn kommt also nicht heraus aus den Tarifkonflikten. Die GDL konkurriert nämlich mit der deutlich größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG um Mitglieder. Bis Ende 2020 regelte noch ein Grundlagentarifvertrag bei der Bahn, dass auch die Tarifverträge der GDL angewendet wurden. Der Vertrag ist ausgelaufen. Nunmehr kommt seit diesem Jahr das Tarifeinheitsgesetz zur Geltung, welches für den Fall der Kollision von zwei Tarifverträgen in einem Betrieb vorsieht, dass nur der Tarifvertrag zur Geltung kommt, der mit der mitgliederstärkeren Gewerkschaft abgeschlossen wurde. Laut „Deutsche Bahn“ hat die GDL derzeit lediglich in 16 von insgesamt 300 Betrieben eine Mehrheit bei den Mitgliedern. Die GDL kämpft also um Ausdehnung auf weitere Berufsgruppen und um mehr Mitglieder. Der Konflikt mit der EVG eskaliert. Betriebsräte klagen bereits vor den Arbeitsgerichten auf Gültigkeit oder Ungültigkeit von tariflichen Regelungen, Kollegialität und Solidarität ist in den Betrieben der Deutschen Bahn verloren gegangen, der betriebliche Frieden ist dahin. Was wird aus dem Unternehmen? Was kommt noch?

Ganz anders hat in einem vergleichbaren Fall die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) bereits 2017 agiert. Nachdem das neue Tarifeinheitsgesetz vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform erklärt wurde, ging die DGB-Gewerkschaft eine Kooperationsvereinbarung mit der Ärzte-Gewerkschaft „Marburger Bund“ für den Bereich der Krankenhäuser ein. Diese Vereinbarung stellt sicher, dass die Tarifverträge beider Gewerkschaften fortgelten und Tarifkollisionen dennoch v Tarifkollisionen dennoch vermieden werden. Die Vereinbarung funktioniert, die Beschäftigten haben den Vorteil. Ein Vorbild auch für GDL und EVG?