Politische Berichte Nr.5/2021 (PDF)18c
Gewerkschaften/Soziale Bewegungen

Die „Ley Rider“ erfüllt nicht die Erwartungen

01 dok Nur durchwachsene Fortschritte für Plattformarbeiter in Spanien

02 dok Einkommen als Plattformarbeiter nur selten sozialversichert

03 dok EU-Parlament fordert gerechte Arbeitsbedingungen auf Online-Plattformen

Rolf Gehring, Brüssel


01

dok Nur durchwachsene Fortschritte für Plattformarbeiter in Spanien

Mit Wirkung zum 12. August ist in Spanien ein Gesetz in Kraft getreten, welches eigentlich den über elektronischen Plattformen arbeitenden Fahrern mehr soziale Rechte geben sollte. Allerdings gelingt es offenbar einigen Plattformen, den neuen Regelungen auszuweichen. Geschaffen wurde nämlich nur eine Beweislastumkehr: Die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses, wenn nicht das Gegenteil bewiesen wird, d.h. das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit.

Deliveroo kündigte an, seine Aktivitäten in Spanien einzustellen. Dadurch werden mehr als 3 000 Fahrer erst einmal ihren Job verlieren.

Glovo, die größte auf diesem Gebiet in Spanien tätige Plattform, wird nur 2 000 seiner ca. 12 000 Fahrer fest einstellen und nutzt für die übrigen Fälle Einfallstore, welche der Europäische Gerichtshof im Fall „Yodel“ eröffnet hat. Danach genügen im Ergebnis schon relativ geringfügige Änderungen im Zugangsalgorithmus, um eine Einstufung als Selbständiger zu rechtfertigen.

Die Praxis von Glovo wird allerdings bereits gewerkschaftlich vor der Arbeitsinspektion angefochten. Es wird mit weiteren nationalen Gerichtsverfahren gerechnet. Die möglichen Kläger berufen sich auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Spaniens, die angeblich immer dann von einem Beschäftigungsverhältnis ausgeht, wenn der Plattformbetreiber Eigentümer der vom Plattformarbeiter eingesetzten Software ist (…)

Eine weitere Strategie der Plattformbetreiber besteht darin, den Status eines Arbeitnehmers über die Einschaltung eines Subunternehmers zu vermeiden. Auch er stößt jedoch rechtlich auf Widerstand.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die „Ley Riders“ eher weitere Rechtsunsicherheiten provoziert und erst einmal wenig hilfreich ist. Nun wird ein weiteres Mal viel Arbeit auf die Gerichte zukommen.

Quelle: Only mixed progress for platform workers in Spain / Deutsche Sozialversicherung Europavertretung (dsv-europa.de)

02

dok Einkommen als Plattform- arbeiter nur selten sozialversichert

In einer Studie für die Europäische Kommission gibt das „Centre for European Policy Studies“ (CEPS) einen sehr informativen Überblick über die Geschäftsmodelle der digitalen Arbeitsplattformen in der EU. So werden z.B. alle Fahrer des Konzerns Takeaway (u.a. Lieferando in Deutschland und Thuisbezorgd in den Niederlanden) als Arbeitnehmer beschäftigt, während dies bei anderen Plattformen wie Deliveroo oder UberEats nicht der Fall ist. Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Feststellung, dass ca. 80% der Plattformen ausschließlich Selbständige einsetzen bzw. vermitteln. Der Marktanteil dieser Plattformen ist so groß, dass ca. 95% aller Einkünfte von Plattformarbeitern über sie erwirtschaftet werden. Als Konsequenz der überwiegenden Einstufung als Selbständige verfügt nur ein verschwindend geringer Anteil der Plattformarbeiter über eine Arbeitslosenversicherung; 97% aller Einkünfte sind nicht geschützt. Immerhin 23% der Plattformen bieten ihren selbständigen Plattformarbeitern eine Unfallversicherung an.

Quelle: Einkommen als Plattformarbeiter nur selten sozialversichert / Deutsche Sozialversicherung Europavertretung (dsv-europa.de)

03

dok EU-Parlament fordert gerechte Arbeitsbedingungen auf Online-Plattformen

In einer am 16.9.21 im Plenum in Straßburg angenommenen Entschließung fordern die Abgeordneten des EU-Parlaments einen europäischen Rahmen, der den Arbeitnehmern von digitalen Arbeitsplattformen das gleiche Maß an sozialem Schutz bietet wie anderen Arbeitnehmern. Dazu gehören Sozialversicherungsbeiträge, Verantwortung der Plattformen für Gesundheit und Sicherheit und das Recht, in Tarifverhandlungen faire Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Wesentliche Forderungen der Entschließung des Europaparlaments sind:

• Neue Arbeitsplätze sollten den gleichen sozialem Schutz bieten wie traditionelle Berufe

• Beweislastumkehr: Wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt, sollten Arbeitnehmer nicht als Selbstständige betrachtet werden, es sei denn, die Unternehmen können nachweisen, dass kein Arbeitsverhältnis besteht.

• Unfallversicherung für Fahrerinnen und Fahrer

• Transparente und nicht-diskriminierende Algorithmen für Aufgabenzuweisung, Bewertungen und Preisgestaltung von Online-Plattformen.

aus: DGB-Newsletter EUROPA aktuell