Politische Berichte Nr.5/2021 (PDF)19
Gewerkschaften/Soziales

Corona im Pazifik

Seeleute zwischen Hamburg und Kiribati

Von Edda und Helmut Lechner, Norderstedt

Etwa 210 Seeleute aus Kiribati, die durch die Corona-Pandemie in verschiedenen Häfen der Welt festgehalten wurden und schließlich 2020 in Hamburg in Quarantäne gehen durften, konnten inzwischen in ihre pazifische Heimat zurückkehren. Aber die Rückkehr auf ihre Heimatinseln war alles andere als erfreulich: es wartete auf sie weder eine gesundheitliche Fürsorge noch die menschliche Wertschätzung von Seiten ihrer Regierung.

Reedereien in aller Welt beschäftigen gerne Seeleute aus Kiribati im Pazifik, denn sie werden in einer mit hohen finanziellen Mitteln aus Neuseeland unterstützten Seefahrtsschule gut ausgebildet. Sie sind für die an Rohstoffen, Fabriken und Arbeitsplätzen armen Inseln im Pazifik ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, denn die Seeleute finanzieren sich und ihre Familien durch regelmäßige Rücküberweisungen. 500 von ihnen waren im vergangenen Jahr für deutsche Reedereien tätig.

Als Maschinen- und Decksleute auf den Schiffen der Hamburger Reeder mussten sie in der Corona-Zeit irgendwo in aller Welt von Bord gehen. Ihre Regierung wollte sie aber – trotz intensiver Vermittlungsversuche – auf keinen Fall zurücknehmen, denn sie hatte Angst: „Die Seeleute haben uns Aids gebracht, jetzt bringen sie uns den tödlichen Corona-Virus“. Deshalb erhielten die Seeleute aus Kiribati keine Erlaubnis über den Flughafen in Fidschi nach Hause zurückzufliegen. Zurückreisende Familienangehörige und rückkehrende Soldaten aus mehreren UN-Friedenseinsätzen hatten den Virus dort bereits eingeschleppt. 100 Personen infizierten sich bis Mitte Mai dieses Jahres und es gab auch Todesopfer.

Ab 2020 bemühten sich daraufhin verschiedene deutsche Reedereien, 210 ihrer Seeleute in Hamburg sammeln lassen. Dort kamen sie zunächst in der Seemannsmission unter, wurden dann aber in der Jugendherberge „Horner Rennbahn“ mit Unterkunft und Verpflegung versorgt. Sogar ihre sonst übliche Heuer wurde weiter an ihre Familien ausgezahlt! Es gab viel Engagement von kirchlicher Seite, durch das Diakonische Werk, aber auch zahlreiche private HelferInnen, diese „gestrandeten“ Menschen zu unterstützen. Die Seeleute litten unter der winterlichen Kälte, hatten keine passende Kleidung und taten sich schwer mit der deutschen Verpflegung. Ihnen fehlte vor allem der gewohnte Fisch auf dem Teller und sie vermissten ihre Familien. Es gelang schließlich, zumindest eine (un-)regelmäßige Internet-Verbindung herzustellen. In der Hansestadt konnten sie erfreulicherweise Deutschunterricht erhalten und es wurden ihnen immer wieder Hamburg-Touren per Fähren und zu Fuß angeboten.

Als im April dieses Jahres nun die ersten Rückflüge mit 150 Seeleuten Richtung Kiribati über den Bonriki Airport in Fidschi gestartet werden konnten, hofften die Betroffenen und ihre UnterstützerInnen: Alles wird gut! Doch das war eine arge Täuschung. Nach ihrer Ankunft wurden sie vom Flughafen sofort in das 35 km entfernte Betio am anderen Ende der dortigen Tarawa-Lagune gebracht. Ohne Gepäck! Dies musste für zwei Wochen auf dem Fidschi-Flughafen in Quarantäne bleiben. Einige Seeleute haben sich dagegen gewehrt, auf sie wartet jetzt ein Strafverfahren. In Betio stellten die Seeleute fest, dass für sie zu diesem Zeitpunkt in einer leeren Seefahrtsschule ein „Quarantänezentrum“ eingerichtet worden war. Unter katastrophalen Bedingungen! Die 150 Seeleute wurden gemeinsam in einem großen Schlafraum, einem großen Speisesaal und mit fünf Duschen und acht Toiletten untergebracht. Reinigungsmittel mussten eingeschmuggelt werden. Kein Wunder, dass sich ein Durchfallerreger rasend verbreitete, und die Seeleute erkrankten.

Nach einer Woche Quarantäne trat ein ernster medizinischer Notfall auf. Die Polizei weigerte sich aus Angst vor Ansteckung, den erkrankten Seemann zu transportieren und in ein eh weit entferntes Krankenhaus zu bringen. Dieses extreme Panikverhalten war zuvor von einer der Regierung nahestehenden Zeitung geschürt worden.

Die Folge: Noch in der gleichen Nacht starb der betroffene junge Seemann an einem Herzanfall. Er hinterlässt eine Frau und drei Töchter. Neben der großen Trauer um ihren verstorbenen „Seemannsbruder“, sind die Seeleute überaus empört darüber, wie wenig Wertschätzung sie von ihrer eigenen Regierung erfuhren. Das äußerten sie auch öffentlich. Während die regierungsnahe Zeitung „Uekera“ diesen eklatanten Fall ganz einfach verschwieg, berichtete der (unabhängige) „Kiribati Newsstar“ ausführlich darüber. Die Regierung ist gerade mit Wichtigerem befasst: nämlich für den Präsidenten Maamau einzutreten, der die bisherigen Beziehungen zu Taiwan kappen und diplomatischen Kontakt zu China aufbauen will, von dem er sich größere Unterstützungssummen verspricht. Im pazifischen Raum hat seit langem diese außenpolitische Neuorientierung offensichtlich Vorrang vor der Lösung innerer Probleme.

Siehe auch: https://duckdalben.de/spenden/kiribati/?deutsche-seemannsmission-hamburg-harburg-e-z/spende