Politische Berichte Nr.6/2021 (PDF)13b
Aus Kommunen und Ländern

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Impfen gegen Corona in Bremen: Die öffentliche Hand als Dienstleister

Die Impfquote der vollständig Geimpften in Bremen betrug am 1.12.21 80,2%, die Quote bei den Erwachsenen sogar 93 %. Welche Voraussetzungen waren vorhanden, um diese Ergebnisse zu erreichen? Welche Strategie öffentlicher Dienstleistungen zur Gesundheitsvorsorge wurde in Bremen u.a. durch Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) entwickelt?

Johann Witte, Bremen

Inhaltlich geht dazu einiges aus ihrer Stellungnahme vom 1.12. hervor (s.u.). Die Menschen zu erreichen, Vertrauen gegenüber den Maßnahmen zu entwickeln und den Zusammenhang zwischen sozialem Zusammenhalt und Impfbereitschaft zu beachten sind wichtige Stichworte. Eine „Impfpflicht für alle“ betrachtet sie dagegen als kontraproduktiv. In Zusammenarbeit von Gesundheitssenatorin, verschiedenen Unternehmen, der Handelskammer und öffentlichen Einrichtungen entstand die Initiative „Bremen impft“, die u.a. die Gewinnung von Personal und den Betrieb von Impfzentrum und Impfstellen unterstützt. In „sozialen Brennpunkten“ wie Gröpelingen wurden für Information und Aufklärung Gesundheitsfachkräfte eingesetzt, die sich auch auf Türkisch, Arabisch und in anderen Sprachen verständigen können. In Kindertagesstätten wurden gezielt die Eltern informiert. Impftrucks und Impfbusse fuhren in vielen Stadtteilen belebte Standorte wie Einkaufzentren u.ä. an. Mobile Impfteams wurden in Bremerhaven z.B. in Schulen eingesetzt.

Mit dem Rückgang der Impfungen im Herbst und der auslaufenden Finanzierung des Impfzentrums durch den Bund geriet der Impffortschritt mit Schließung des Impfzentrums in eine Krise. Deshalb wurden im November vier dezentrale Impfstellen in Bremen eröffnet. Mit der Entwicklung der Pandemie erwiesen sich diese Einrichtungen aber schnell als zu klein (Mitte November waren alle Termine in den Impfstellen bis Jahresende ausgebucht) und die Gesundheitssenatorin forcierte die Wiedereröffnung eines Impfzentrums. Am 3.12. soll es geöffnet werden, obwohl noch nicht alle Stellen besetzt werden konnten.

(div. Ausgaben der Bremer Nachrichten; https://www.dw.com/de/bremen-der-deutsche-corona-impf-champion/a-59298445; https://www.gesundheit.bremen.de/corona/corona/impfen-38848)

„Warum die Impfpflicht kein Königsweg ist“

…Die alles entscheidende Frage ist: Wie und auf welchem Wege erhöhe ich die Impfquote? Aus meiner Sicht gibt es mindestens zwei grundsätzliche Betrachtungsweisen, warum eine gesetzlich festgelegte Impfpflicht nicht zum gewünschten Ziel führt … Ich glaube, in Deutschland haben wir noch lange nicht alles getan, um die Menschen wirklich zu erreichen. Wo sind die flächendeckenden persönlichen Anschreiben? Wo sind die Impfangebote in Quartieren? Viele Menschen würden sich gerne in Apotheken impfen lassen, hier gibt es einen hohen Vertrauensvorschuss … es sollte endlich ermöglicht werden … Vertrauen schaffen ist die nächste wichtige Aufgabe. Es gibt immer noch viele soziale Gruppen, die wir schlecht erreichen, weil uns dort „Impfbotschafter“ und „Impfbotschafterinnen“ fehlen. Also müssen wir sie finden, denn Skeptische überzeugen, das können nur Menschen aus der „Peergroup“. Dazu kommt: Das Impfen leicht machen. Und schließlich gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen dem sozialen Zusammenhalt und der Impfbereitschaft. Dort, wo sozialer Zusammenhalt ein hoher Wert ist, ist auch die Impfbereitschaft höher. Wir brauchen also diesen Zusammenhalt, das Vertrauen. Nicht nur in der eigenen „Peergroup“, sondern am Ende auch in den Staat und seine Institutionen. Vermutlich werden wir auch durch die Zulassung von Totimpfstoffen weitere noch Impfunwillige erreichen können.

Die andere Ebene ist: Die Forderung nach einer allgemeinen Impfpflicht lässt sich zwar leicht aussprechen, die Fragen der konkreten Definition und deren Konsequenzen hinken ihr allerdings beträchtlich hinterher. Was heißt denn alle? Sind Kinder und Jugendliche eingeschlossen? Das war schon bei den Masern heiß umstritten. Welche weiteren Ausnahmen würden benannt … Was ist mit psychischen Vorbehalten und Ängsten, weltanschaulichen oder religiösen Gründen? … Die Umsetzung selbst ist völlig offen. Bußgeldvorschriften sollen verhängt werden. Aber was ist, wenn man das Bußgeld nicht zahlen kann? Folgt dann der Freiheitsentzug? Wird man es sich zukünftig leisten können, sich nicht impfen zu lassen?… Für unsere aktuelle Situation hilft es nicht weiter, und langfristig gesehen wäre es sehr von Vorteil, wenn wir die Fehler der letzten Zeit nicht wiederholen würden… Stattdessen ist der Impfstoff schon wieder knapp, die Impfzentren wurden runtergefahren, beziehungsweise geschlossen. Von den grottenschlechten Pflegebedingungen in den Krankenhäusern, die schon lange vor Corona bestanden, mal abgesehen …“

(Claudia Bernhard im Gastbeitrag der Bremer Nachrichten/Weserkurier vom 1.12.2021)