Politische Berichte Nr.6/2021 (PDF)16
Kommunale Politik

* 14-rekommunalisierung-chancen-risiken-e-d-jannoff-2.html * 16-kompol-thema-privat-oeffentlich-d-jaeckel-2.html

Kommunale Politik – Thema: privat versus öffentlich

dok: Ulli Jäckel, Hamburg

01 Bündnis Klinikrettung startet neue Kampagne: Kliniken erhalten, Versorgung sichern! Göttingen.
02 Keine Privatisierung der imland-Klinik. Rendsburg.
03 Schützt unsere S-Bahn! Worum geht es? Die Berliner S-Bahn
04 Ein klares „Ja“ für die Erbpacht stadteigener Grundstücke! Bremerhaven.
05 Erbpacht in Sicht: Köln.
06 Petition: Schluss mit der Staatslobby für mehr Privatisierung: „Partnerschaft Deutschland – Berater der öffentlichen Hand GmbH“ schließen!

01

Bündnis Klinikrettung startet neue Kampagne: Kliniken erhalten, Versorgung sichern! Göttingen. VertreterInnen 14 lokaler Initiativen versammelten sich am Wochenende in Göttingen zum Bundestreffen des Bündnisses Klinikrettung. Ihre Bestandsaufnahme lautet: Deutschlandweit hat sich die gesundheitliche Versorgungslage durch Klinikschließungen drastisch verschlechtert. Das Bündnis will gegensteuern und beschloss zu diesem Zweck eine Kampagne unter dem Motto „Kliniken erhalten, Versorgung sichern!“ Denn auch nach der Bundestagswahl ist trotz andauernder Pandemie die Fortsetzung der Politik der flächendeckenden Krankenhausschließungen zu erwarten. In ihren Verhandlungen haben die Koalitionsparteien bisher keine klaren Pläne entwickelt, wie sie Krankenhausschließungen stoppen wollen. Das Bündnis Klinikrettung wird daher zahlreiche Aktivitäten entfalten, um den Kahlschlag zu skandalisieren und aufzuhalten. … In einem Brief* fordert das Bündnis Klinikrettung die Koalitionsparteien auf, im Koalitionsvertrag klar zu benennen, welche Schritte die nächste Regierung gehen wird, damit neue rechtliche Rahmenbedingungen die ausreichende Finanzierung einer flächendeckenden, bedarfsgerechten Krankenhausversorgung gewährleisten.“

* Die Briefe des Bündnisses Klinikrettung an die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP: „Die Bedeutung kleinerer Häuser für die Gesundheit der Bevölkerung steht außer Frage. Aber die verantwortlichen PolitikerInnen sorgen nicht dafür, dass sie finanziell ausreichend ausgestattet sind. Reformbedarf besteht einerseits auf Bundesebene, denn geltende Regelungen des Bundes führten zur Verschuldung von Krankenhäusern und zu schlechten Arbeitsbedingungen für das Personal rund um die stationäre Versorgung. Andererseits haben auch die Bundesländer einen Anteil an der Situation der Kliniken, denn sie kommen ihren Verpflichtungen zur Investitionsfinanzierung nicht genügend nach.

Das Bündnis Klinikrettung fordert das Ende der stetigen Verschlechterung der Daseinsvorsorge vor Ort. Lange Wege zu entfernten Krankenhäusern gehen am Bedarf der Menschen vorbei. Eine stärkere Konzentration auf weniger Krankenhäuser löst die Probleme nicht, schon heute arbeiten alle Häuser am Limit, und die Kapazitäten sind mehr als ausgeschöpft. Ein weiter so beschert schlechtere Krankenhausversorgung. (17. Nov. 2021)

https://www.gemeingut.org/buendnis-klinikrettung-startet-neue-kampagne-kliniken-erhalten-versorgung-sichern/

02

Keine Privatisierung der imland-Klinik. Rendsburg. Infolge der Corona-Krise ist die imland-Klinik mit den Standorten in Rendsburg und Eckernförde in finanzielle Schieflage geraten. Ein Grund hierfür ist, dass die Klinik Intensivbetten für Corona-Patienten bereithalten musste, aber wegen der vergleichsweise niedrigen Inzidenzen im Kreisgebiet keine Zuschüsse aus Bundesmitteln hierfür erhalten hat. Um die Finanzierung der Klinik wieder auf eine stabile Grundlage zu stellen, wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG beauftragt, ein Sanierungskonzept zu erarbeiten, welches inzwischen vorgelegt wurde. In Folge dieses Sanierungskonzeptes sind Kürzungen im Bereich der Versorgung zu erwarten. So könnte die Geburtshilfe, die Frauenheilkunde und die Geriatrie am Standort Eckernförde geschlossen werden. Auch eine mögliche Reduzierung auf rein ambulante Versorgung am Standort Eckernförde wird in Betracht gezogen. „Ein Krankenhaus muss der Versorgung der Menschen dienen und darf nicht nach Renditekriterien geführt werden. Alle – insbesondere die stationären Angebote – an beiden Standorten müssen erhalten bleiben. Hierfür muss ausreichend Geld bereitgestellt werden“, so Maximilian Reimers, Fraktionsvorsitzende der Linken im Kreistag Rendsburg-Eckernförde und Kandidat für den Bundestag auf der Landesliste. Die imland-Klinik befindet sich derzeit noch im Eigentum des Kreises Rendsburg-Eckernförde. In der Vergangenheit wurden bereits viele kommunale Krankenhäuser an private Träger veräußert. „Derzeit sind auch in Schleswig-Holstein Krankenhauskonzerne auf Einkaufstour. Die Linke fordert daher, dass die imland-Klinik weiterhin vollständig im Eigentum und der Kontrolle des Kreises bleibt“, so Reimers weiter. Durch die Sanierungsvorschläge von KPMG droht auch eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingung für die Beschäftigten. Möglicherweise könnten bis zu 450 Arbeitsplätze wegfallen.

https://linke-rdeck.de/2021/die-linke-fordert-keine-kuerzungen-bei-der-imland-klinik/

03

Schützt unsere S-Bahn! Worum geht es? Die Berliner S-Bahn befördert jährlich fast 500 Millionen Menschen auf einem Streckennetz von 327 Kilometern. Keine Stadt der Welt hat ein solch intelligentes System aus Kreuz- und Ringbahn wie Berlin. Dieses kluge System ist in Gefahr. Im Jahr 2012 schrieb der Senat, bestehend aus einer Koalition aus SPD und CDU, den S-Bahn-Ring als erstes Teilnetz aus. Damals gab es erheblichen Widerstand. Der Widerstand veranlasste den Senat immerhin, die Ausschreibung so zu gestalten, dass außer der DB AG alle anderen Bieter aussteigen mussten. Der Betrieb inklusive der Anschaffung neuer Züge wurde wieder an die S-Bahn Berlin GmbH vergeben, so dass bislang weiter alles in einer Hand liegt. Allerdings war die Sollbruchstelle gelegt – denn der S-Bahn-Ring ist nur ein Teil des Gesamtnetzes! Weitere Ausschreibungen liegen in der Logik des Verfahrens von 2012. Am 17. Juni hat der Senat die Nord-Süd-Strecke und die Stadtbahn, die Berlin in Ost-West-Richtung quert, ausgeschrieben. Der aktuell amtierende rot-rot-grüne Senat hält die Fäden für diese Ausschreibung in der Hand und hat sich für einen besonders risikoreichen Weg entschieden: Das Netz wurde in mehreren Teilen ausgeschrieben, und auch die Fahrzeuginstandhaltung ist noch einmal davon getrennt im Angebot. Wo liegt das Problem? Es drohen die Zerschlagung und Privatisierung der S-Bahn. Fahrgäste müssen unter anderem mit einer Verschlechterung des S-Bahn-Angebots, mit Schnittstellen-Wirrwarr und höheren Ticketpreisen durch sinnlose Mehrfachstrukturen rechnen. Den bisherigen S-BahnerInnen droht Arbeitsplatzverlust.

Wir fordern: • Sofortige Rücknahme der Ausschreibung! • Zerschlagung und Privatisierung der Berliner S-Bahn stoppen! • Die S-Bahn als Betrieb der öffentlichen Daseinsvorsorge muss dem Gemeinwohl verpflichtet und darf nicht gewinnorientiert sein.

https://www.gemeingut.org/schuetzt-unsere-s-bahn-artikel/

04

Ein klares „Ja“ für die Erbpacht stadteigener Grundstücke! Bremerhaven. Im Hinblick auf die zukünftige Nutzung der Bremerhavener Külken-Halbinsel ist es zwischen dem derzeitigen Pächter des Geländes und dem Land Bremen zu einer Einigung gekommen. Aus der Überzeugung heraus, dass die Windkraftbranche in Bremerhaven eine wichtige Rolle spielt, hatte sich der Pächter seinerzeit für das Gelände entschieden, und das, obwohl bekannt war, dass die Hallen dort mit Asbest belastet sind. Er wurde dann, wie viele Bürger*innen Bremerhavens von der Wirtschaftspolitik der Bunderegierung enttäuscht. Das Land Bremen hat sich mit dem Pächter jetzt auf eine Abfindung in Höhe von 3,3 Millionen Euro geeinigt. Auch die Sanierungskosten für das Gelände übernimmt das Land Bremen. Rainer Brandt, Die Linke in der StVV, sieht die Abfindung als völlig angemessen an und deren Höhe sollte nicht zur Diskussion stehen. „Das Entscheidende ist hier, und das gilt es zu unterstreichen, auch zukünftig stadteigene Grundstücke für Industrie und Gewerbe den Nutzer*innen nur auf Erbpacht zur Verfügung zu stellen“, so Rainer Brandt. „Die Linke fordert dies seit Jahren, da es gesellschaftsökonomisch sinnvoll ist. Hätte man seinerzeit das Gelände veräußert, um kurzfristig die Stadtkasse aufzubessern“, so Rainer Brand weiter, „läge der Preis für eine Rückkauf des Geländes heute um ein Vielfaches höher. Diese enormen Mehrkosten würden Einsparungen an anderer Stelle zur Folge haben. Diese öffentlichen Gelder fehlen dann bei der Umsetzung wichtiger und zukunftsorientierter Projekte wie zum Beispiel der Verkehrswende oder dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Bildung.“

https://www.dielinke-bremerhaven.de

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Erbpacht in Sicht: Köln. Seit vielen Jahren fordern die Linke und andere politische Akteure innerhalb und außerhalb des Rates den Verkauf von städtischem Grund zu stoppen. Die Gründe für einen Verkaufsstopp liegen auf der Hand: Verkauft die Stadt Flächen in großem Umfang zu hohen Preisen, wird sie auf dem aufgeheizten Flächenmarkt selbst zum Preistreiber. Außerdem verschlechtert die Stadt durch Flächenverkäufe ihre finanzielle Bilanz, wenn das eingenommene Geld in konsumtive Ausgaben fließt. Was verkauft ist, kann nicht mehr auf der Habenseite in der Bilanz erscheinen. Der Gesamtwert der Stadt verkleinert sich. Ein weiterer schwerwiegender Nachteil von Flächenverkauf ist augenscheinlich die Reduzierung der Gestaltungsmöglichkeit. Auf einer privatisierten Fläche können die städtebaulichen Ziele der Stadtgesellschaft kaum umgesetzt werden. Die Erbbauregelung hat eindeutige Vorteile: Der Erbpachtgeber (Stadt) kann bestimmen, was und zu welchen Konditionen auf dem Erbpachtgrundstück vom Investor gebaut und betrieben werden darf. Verstößt der Erbpachtnehmer (Investor, Bestandshalter) gegen die Auflagen, tritt der sogenannte Heimfall ein. Dann gehören auch die Aufbauten der Stadt. Das ist ein ganz entscheidender Punkt im Wohnungsbau: Denn hier ist höchstrichterlich festgestellt, dass der Erbpachtgeber für die gesamte Laufzeit des Vertrages die Miethöhe der Wohnungen vorschreiben kann. Bei einem Flächenverkauf kann der Bestandshalter nach 20 bis 25 Jahren die Mietpreisbindung im geförderten Wohnungsbau verlassen und die Miete an das Marktniveau anheben. Die Kirchen, viele Städte und Landkreise praktizieren seit über hundert Jahren die Erbpachtreglung. Nun endlich scheint die Kölner Stadtverwaltung auch die Vorteile der Erbpacht zu erkennen und hat sich daran gemacht, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten. Zunächst soll die Erbpacht für städtisches Bauland Anwendung finden, auf welchem Geschosswohnungsbau realisiert werden soll. In weiteren Schritten sollen dann Flächen für den Bau von Einfamilienhäusern, danach Gewerbeflächen folgen.

https://www.linksfraktion-koeln.de

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Petition: Schluss mit der Staatslobby für mehr Privatisierung: „Partnerschaft Deutschland – Berater der öffentlichen Hand GmbH“ schließen!

Kennen Sie die „Partnerschaft Deutschland – Berater der öffentlichen Hand GmbH“? Dieses Unternehmen ist nicht wie andere. Schon die prominente Gründungsgeschichte lässt aufhorchen: Banker und Anlagespezialisten der Initiative „Finanzstandort Deutschland“ veranlassten 2008 den Unternehmensstart. Damals hieß die Firma noch „ÖPP AG – Partnerschaft Deutschland“ und war eine Aktiengesellschaft. Vierzig Prozent der Anteile wurden von der Bauindustrie gehalten, der Rest von Bund und Ländern. Erklärtes Ziel war es, öffentlich-private Partnerschaften (ÖPPs) zu fördern. Dazu beriet das Unternehmen Bund, Länder und Kommunen, wobei die Beratung ÖPP als Lösung empfahl.

ÖPPs werden seit 20 Jahren eingesetzt, wenn aus Daseinsvorsorge ein Geldanlageprodukt werden soll. Allerdings hat sich zuletzt herumgesprochen, dass sich die öffentliche Hand dabei auf ein kostspieliges Abenteuer einlässt, bei dem oft die Leistungen schlecht sind – und manchmal sogar überhaupt nicht erbracht werden. Im Zuge des Imageverlustes von ÖPP geriet auch die ÖPP AG in die Kritik. Es fiel auf, dass hier eine halbstaatliche Firma Lobbyarbeit zugunsten privater Akteure und zu Lasten des Staates und der Kommunen betrieb. Statt jedoch die Firma aufzulösen, wurde die ÖPP AG auf Empfehlung der so genannten „Fratzscher Kommission“ umgebaut. Die Privatanteile wurden abgestoßen, aus der AG wurde eine GmbH – fertig war der neue Schafspelz!

Seither berät die Partnerschaft Deutschland GmbH vor allem Kommunen – und rät wie zuvor zu ÖPP. Aber das ist noch nicht alles. Die neue Rechtsform ermöglicht einen Trick, um Kommunen auf den ÖPP-Pfad zu locken: Für wenig Geld können Kommunen Anteile der GmbH kaufen. Die Stadtverordnetenversammlung von Frankfurt am Main beschloss am 12. Dezember 2019, Anteile für insgesamt 2.500 Euro (25 Anteile à 100 Euro) zu kaufen. Als Anteilseigner kann nun Frankfurt ohne Ausschreibung auf die Beratungsleistungen zugreifen, „zu marktüblichen Preisen“, wie es heißt. Dabei hofft man auf einen „zeitlichen Vorteil von bis zu einem Jahr“ sowie auf Geld vom Bund: „Partnerschaft Deutschland wird vom Bund finanziell gefördert. Es ist auf Antrag möglich, die Übernahme eines Teils der Beratungskosten durch den Bund prüfen zu lassen.“ Die Kehrseite ist, dass die Stadt sich potentiell von der Beratervielfalt verabschiedet und sich ausgerechnet bei jener Beraterfirma einkauft, die gern ÖPP empfiehlt.

Ein Großteil der öffentlichen Daseinsvorsorge wird von den Kommunen erbracht. Trinkwasser, Abwasser, ÖPNV, Schulen, Müllabfuhr und vieles mehr – über 80 Prozent aller Daseinsvorsorgeleistungen sind kommunal. Das Geld dafür stammt aus den kommunalen Haushalten, in der Summe jedes Jahr viele Milliarden Euro. Die Dörfer oder Landkreise mögen klein sein, aus Anlegersicht fließt aber in den Kommunen das große Geld. Die Partnerschaft Deutschland – Berater der öffentlichen Hand GmbH sorgt dafür, dass dieses Geld bei privaten Anlegern landet.

Wir finden: Es ist Zeit, diesem Treiben einen Riegel vorzuschieben. Und fordern die Bundesregierung auf, die Partnerschaft Deutschland – Berater der öffentlichen Hand GmbH sofort und ersatzlos zu schließen.

https://www.gemeingut.org/schwerpunktthema-privatisierung-stoppen/#Petition1

Abb. (PDF): Hinweis auf die Initiative „GiB“. https://www.gemeingut.org/buendnis-klinikrettung-startet-neue-kampagne-kliniken-erhalten-versorgung-sichern/