Politische Berichte Nr.6/2021 (PDF)18b
Gewerkschaften/Soziale Bewegung

Nachrichten in Sachen Betriebsverfassung, Mindestlohn, Tarifbindung …

Bruno Rocker, Berlin

01 Gorillas jetzt mit Betriebsrat.
02 Der Mindestlohn steigt auf 12 Euro – Wer profitiert?
03 Besser mit Tarifvertrag.

01

Gorillas jetzt mit Betriebsrat. Seit Monaten kämpfen die Fahrradkuriere des Lieferdienstes Gorillas für bessere Arbeitsbedingungen. Ihr Zusammenschluss Gorillas Workers Collective kritisierte u. a. die mangelnde Ausrüstung für die Fahrer, eine unzumutbare Dienstplanung sowie unpünktliche Gehaltszahlungen. Anfang Oktober eskalierte die Situation. Mehrere hundert Kuriere wurden kurzerhand entlassen, nachdem sie sich an Streiks beteiligt hatten. Seitdem kommt das mittlerweile in 20 Städten aktive Start-Up Unternehmen nicht mehr aus den Schlagzeilen. Die Kuriere starteten eine Initiative für die Wahl eines Betriebsrates. Das Management stellte sich dagegen und versuchte von Anfang an die Wahl zu stoppen. Das Gorillas-Management scheiterte jedoch vor dem Arbeitsgericht und inzwischen auch vor dem Landesarbeitsgericht Berlin/Brandenburg mit ihrer Argumentation, dass die Wahl des Wahlvorstandes fehlerhaft abgelaufen sei. Seit dem 27. November ist die Betriebsratswahl nunmehr vollzogen. Der Gorillas-Betriebsrat ist gewählt.

02

Der Mindestlohn steigt auf 12 Euro – Wer profitiert? Laut einer neuen Studie des WSI vom Oktober dieses Jahres werden aktuell in ca. 8,6 Mio. Arbeitsverhältnissen weniger als 12 Euro brutto pro Stunde gezahlt. Für die Mehrzahl der entsprechenden Berufsgruppen ist eine abgeschlossene Berufsausbildung Voraussetzung. Die Beschäftigten arbeiten in der Regel (ca. 75 %) ohne Tarifvertrag. Zumeist sind es Frauen (ca. 66 %), die von einer Lohnanhebung profitieren werden. Für die Mehrheit (ca. 85 %) handelt es sich um Hauptjobs und nicht um Nebentätigkeiten, zumeist in den folgenden Branchen: Einzelhandel, Gesundheitswesen, Gastronomie, Sozialwesen, Gebäudebetreuung. Inzwischen findet die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns breite politische Unterstützung, teilweise sogar bis hinein in das Unionslager. Manche Wirtschaftsinstitute (z.B. das DIW) unterstützen den höheren Mindestlohn zumeist mit dem Argument, das die Lohnerhöhung voraussichtlich unmittelbar zu mehr Konsum und damit zu einer Belebung der Konjunktur führen wird.

03

Besser mit Tarifvertrag. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag bereits aus dem September dieses Jahres geht hervor: Beschäftigte mit Tarifvertrag verdienen deutlich besser als ohne Tarifvertrag. Im verarbeitenden Gewerbe lag beispielsweise der mittlere Stundenlohn bei Tarifbindung des Arbeitgebers bei 27 Euro gegenüber 18 Euro bei Arbeitgebern ohne Tarifbindung. Das sind immerhin 50 Prozent mehr Entgelt. Im produzierenden Gewerbe, im Dienstleistungsbereich und in der Land- und Forstwirtschaft waren es mit 22 Euro Bruttostundenlohn immerhin auch fast 30 Prozent mehr als in Betrieben ohne Tarifbindung. Die Zahlen basieren auf Erhebungen aus dem Jahre 2018.

Zur Beschreibung der Lage gehört allerdings auch die Tatsache, dass inzwischen nur noch die Hälfte aller Beschäftigten in der Bundesrepublik zu tariflichen Bedingungen arbeite. Häufig wird deshalb gefordert, öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen zu vergeben, so auch bei den Grünen. Allerdings wird das Eis für dieses Anliegen immer dünner, wenn es den Gewerkschaften nicht gelingt, zusätzlich auch neue Mitglieder zu gewinnen. Wer wirklich Tarifverträge schützen will, sollte also eintreten. Unverzüglich!