Politische Berichte Nr.6/2021 (PDF)30b
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* 30a-kbl-usa-1865-sklavenhaltung-unrecht-detscher-3.html * 30b-kbl-usa-1865-1865-amistad-urteil-detscher-3.html

Amistad: ein wegweisendes Gerichtsverfahren

Eva Detscher, Karlsruhe. Nach zweimonatiger Irrfahrt zwischen Havanna (Kuba) und Long Island (USA) wurde das unter spanischer Flagge fahrende Schiff „Amistad“ im August 1839 von der US-Navy aufgebracht und seine Besatzung wegen Mord, Meuterei und Piraterie in New Haven, Connecticut, vor Gericht gestellt – es sollte eines der wegweisenden Gerichtsverfahren in der US-Geschichte werden.

Worum ging es: die 39 Männer, ein Junge, ein Mädchen an Bord der „Amistad“ waren aus Afrika verschleppt und über den Atlantik nach Kuba, damals zu Spanien gehörend, gebracht worden. In Havanna wurden sie auf die „Amistad“ verbracht, und dort sitzend und liegend angekettet. Sie sollten an Zuckerplantagen in Südamerika verkauft werden. Ende Juni 1839 sticht die „Amistad“ in See. Am fünften Tag gelingt es Sengbe Pieh (später Joseph Cinqué genannt), mit Hilfe eines Nagels das Kettenschloss zu öffnen und sich und die anderen Afrikaner zu befreien. Sie töteten den Koch und den Kapitän. Zwei Matrosen konnten fliehen, der Rest der Mannschaft wurde geköpft oder gefangen gesetzt. Sie wollten zurück nach Sierra Leone, nautische Unkenntnis führte letztlich in nordamerikanische Gewässer, wo die Amistad geentert und die Afrikaner ins Gefängnis geworfen wurden. Spanien erhob Klage auf Auslieferung. Bis zum obersten Gericht, dem Supreme Court ging das Verfahren – am Ende stand der Freispruch für die Sklaven – sowohl von Mord und Totschlag, wie sie auch als freie Menschen den Gerichtssaal verließen.

Dieses Gerichtsverfahren, ist in vielerlei Hinsichten bemerkenswert, hier sollen zwei Aspekte behandelt werden: als Meilenstein für das Verbot der Sklaverei und als Gerichtsentscheidung, in welcher fremdes (spanisches und kubanisches) öffentliches Recht gegen den klageführenden (spanischen) Staat durch die US-Gerichte berücksichtigt wird.

Erfolg der Abolitionsbewegung

Der Freispruch durch den Supreme Court war ein erster großer Sieg der US-amerikanischen Abolitionisten. Zwar wird die Sklaverei vor allem in den Südstaaten der USA noch bis zum Ende des Bürgerkrieges 1865 bestehen bleiben.

Doch zum ersten Mal sind afrikanische Sklaven, über deren Hintergrund die weißen Zeitungsleser damals so gut wie nichts wussten, zu Persönlichkeiten geworden, deren Geschichte diskutiert wird.

„Die Prokuristen haben dem Bezirksgericht eine Antwort auf die Anklagen von Leutnant Gedney, Pedro Montes und Jose Ruiz vorgelegt. Darin wird der Standpunkt der Afrikaner dargelegt: … jeder von ihnen ist ein Eingeborener Afrikas und wurde frei geboren und ist seither von Rechts wegen frei und kein Sklave und sollte es auch sein…“.

Darin heißt es, dass sie nicht Teil des spanischen Binnensklavenhandels waren, sondern gewaltsam von der afrikanischen Küste entführt wurden. Und weiter, dass sie „große Grausamkeit und Unterdrückung“ an Bord der Amistad erleiden mussten, wurden sie „durch die natürliche Freiheitsliebe aller Menschen“ dazu angestachelt, das Schiff gewaltsam in Besitz zu nehmen und irgendwo ein Asyl zu suchen.“ …

„Der Oberste Gerichtshof entschied zugunsten der Afrikaner und stellte fest, dass es sich bei ihnen um freie Personen handelte, die entführt und illegal transportiert worden waren und niemals Sklaven gewesen waren. Der Oberste Richter Joseph Story schrieb und verlas die Entscheidung: „… es sei das ultimative Recht aller Menschen, sich in extremen Fällen der Unterdrückung zu widersetzen und Gewalt gegen ruinöses Unrecht anzuwenden.“

In der Stellungnahme wurde das Recht der Afrikaner auf Widerstand gegen die ‚unrechtmäßige‘ Sklaverei bekräftigt.“1

Berücksichtigung fremden Rechts

„Während bislang üblich war, die Rechtsvorschriften anderer Länder für eine eigene Gerichtsentscheidung (nicht) zu berücksichtigen, war dies in diesem Fall anders. Die rechtliche Situation der Angeklagten entstand aus dem „Aufstand einer Gruppe von Sklaven, die zuvor unter Missachtung spanischer Gesetze (Verbot des Sklavenhandels, Anm. d. Verf.) von Afrika nach Kuba importiert worden waren.“2 …

„Spanien verlangte auf Grundlage eines Abkommens mit den USA die Rückführung des Schiffes an die Eigentümer sowie die Überstellung der Sklaven an die spanische Regierung.“2 …

„Die Bemühungen mehrerer amerikanischer Präsidenten in der Folgezeit, der spanischen Regierung Kompensation zu bezahlen, wurden vom Kongress nicht unterstützt.“2 …

„Die Amistad-Entscheidung gehört in die Geschichte eines Internationalen Öffentlichen Rechts insofern, als hier ausdrücklich auch auf die Verletzung spanischer Rechtsnormen zur Begrenzung der Sklaverei (die sich in einem weiten Sinne als öffentlich-rechtlich bezeichnen lassen) abgestellt wird, um dem Begehren der spanischen Regierung zu widerstreiten.“2

Nur so konnte das Unrecht des Menschenraubs in Afrika mit dem Ziel des Freiheitsentzugs und der Versklavung in diesem Falle beseitigt werden.

1 The U.S. National Archives and Records Administration1-86-NARA-NARA or 1-866-272-6272 (Materials created by the National Archives and Records Administration are in the public domain). https://www.archives.gov/education/lessons/amistad 2 Jörg Menzel: „Internationales Öffentliches Recht – Verfassung- und Verwaltungsgrenzrecht in Zeiten offener Staatlichkeit; Mohr Siebeck, Tübingen 2011

Abb. (PDF): Die Amistad‘s. http://www.sierra-leone.org/Books/Amistad.pdf