Politische Berichte Nr.6/2021 (PDF)32
Ankündigungen, Diskussion, Dokumentation

Neuer Begriff — neue Strategie: Vom „Asien-Pazifik“ zum „Indo-Pazifik“

Im Zeitalter der Globalisierung wurde 1989 von der westlichen Welt der Begriff des „Asien-Pazifik“ geprägt, der für das Interesse an der Region von Asien bis zum Pazifischen Ozean stand. In den Jahrhunderten zuvor hatten die Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich und Deutschland dieses Gebiet am „Rande der Welt“ für sich okkupiert, dem sich die USA als neue Großmacht nach 1945 anschloss. Deutschland musste nach dem Ersten Weltkrieg seine Kolonien aufgeben und England zog sich auf Grund anderer Prioritäten nach 1945 weitgehend aus diesem Bereich zurück. An deren Stelle eigneten sich die „vor Ort“ befindlichen mit dem (britischen) „Commonwealth“ verbundenen Länder Australien und Neuseeland alte und neue pazifische Gebiete an. So unterhält Neuseeland ein „Assoziiertes Territorium“ auf den Cook- und Niue-Inseln und Frankreich behielt seine zahlreichen „Außengebiete“ à la Französisch-Polynesien mit 120 Inseln bis heute in seiner Hand. Aber vor allem sicherten sich nach dem Zweiten Weltkrieg die USA „vor der Haustür“ mit Hawaii, den Marianen, Guam, Samoa und diversen anderen pazifischen Inseln ihre staatliche und militärische Vorherrschaft. Sie alle verstehen sich immer noch gerne als Schutzmächte und Mandatsträger. Sie sind in den 1980er Jahren durch ihre rücksichtslosen Atombombenversuche weltweit bekannt geworden.

Edda Lechner, Norderstedt

Schon vor der eigentlichen Globalisierung hatte sich eine neue geopolitische und geoökonomische Dynamik herausgebildet. Rund um den pazifischen Raum selbst schlossen sich deshalb die Staaten Thailand, Indonesien, Malaysia und Singapur, die globale Finanzmetropole, bereits 1967 im ASEAN-Bündnis, dem „Verband Südostasiatischer Nationen“ zusammen. Ihnen traten 1984 auch Papua-Neuguinea und in den neunziger Jahren Vietnam, Myanmar, Laos und Kambodscha bei. Sie verfügen insgesamt über 500 Millionen Bürger mit wachsendem Wohlstand.

Seit dem deutlichen Aufstieg Chinas zu einer weltweiten Wirtschaftsmacht und einer — wie zugleich unterstellt wird – militärisch wachsenden Einflussnahme, haben sich die Vereinigten Staaten, Australien, Japan und Indien zu einem „Quadrilateralen Sicherheitsdialog“ zusammengefunden. Neu-Delhi und Canberra reden jetzt nicht mehr von dem oben genannten „Asien-Pazifik“, sondern neuerdings vom „Indo-Pazifik“, der beide Ozeane von Indien über den Pazifik bis zu den USA miteinschließt. Der Begriff wurde 2010 von Kultur- und Wirtschaftswissenschaftlern der USA in das außenpolitische Lexikon übernommen und ersetzte somit den alten imperialistischen Begriff des „Fernen Ostens“. Diese Betrachtungsweise wurde auch von Donald Trump und Joe Biden in verschiedenen Abkommen, so z.B. dem „US Indo Pacific Command“, übernommen. Es geht ihnen darum, dass die genannten Länder ihre wirtschaftlichen und strategischen Beziehungen zu den USA verbessern. Dazu gehört auch die Produktion von atombetriebenen U-Booten, die in den Pazifik geschickt werden sollen. Auch Deutschland schickte in diesem Jahr seine Fregatte „Bayern“ dorthin, der Versuch, sie – „freundschaftlich“ – direkt vor der Tür Chinas landen zu lassen, scheiterte an dem politischen Widerspruch aus der chinesischen Regierung.

EU-Strategie für den indo-pazifischen Raum

Es erhebt sich damit die Frage, inwieweit denn auch die europäischen Länder sich an dieser Neuorientierung zum „Indo-Pazifik“ zu beteiligen gedenken. Jetzt im September 2021 präsentierte die Europäische Union (EU) eine eigene neue Strategie gegenüber diesem um eine halbe Weltkugel entfernten pazifischen Raum. Natürlich sieht auch sie ihre wirtschaftliche Zukunft und angestrebte geopolitische Bedeutung eng mit den dortigen Entwicklungen verbunden.

In ihrer Strategie werden drei Instrumente genannt: 1. Ausweitung und Stärkung von Beziehungen mit „gleichgesinnten Partnern“, 2. Sicherstellung, dass die bestehenden Engagements sowohl der EU als auch ihren wichtigsten regionalen PartnerInnen dienen, und 3. Berücksichtigung der regionalen Bedürfnisse in Bezug auf Infrastrukturinvestitionen, widerstandsfähigen Lieferketten und neuen Technologien. Diese Strategie stellt insofern eine Neuerung dar, als sie den Schwerpunkt auf eine Ausweitung der Partnerschaften über China hinaus festlegt. Während bisher nur Japan und die ASEAN-Staaten traditionell die bevorzugten Partner Europas in Asien sind, verweist die neue Strategie deutlich auf die Ausweitung der Beziehungen Europas zu Indien, Taiwan, Australien und Südkorea. Angestrebt sind weitere Freihandelsabkommen.

Obwohl die EU einen „inklusiven“ und „auf Zusammenarbeit basierenden“ Ansatz für den indo-pazifischen Raum verfolgt, betont sie auch die Notwendigkeit, weiterhin mit China an gemeinsamen Herausforderungen zu arbeiten. Dem fügt sie allerdings eine wichtige Einschränkung hinzu: Die EU werde ein „vielschichtiges“ Engagement mit China verfolgen, aber das Land auch dazu „ermutigen“, eine friedliche Rolle in der Region zu spielen. Dazu wird die EU „weiterhin ihre grundlegenden Interessen schützen und ihre Werte fördern“ und sich bei Meinungsverschiedenheiten, wie z. B. in Bezug auf die Menschenrechte, zur Wehr setzen. Und schließlich will die EU auch einen „Beitrag zur Stabilität“ im indopazifischen Raum leisten. Das bedeutet, dass sie Wert auf die Sicherstellung einer „bedeutenden“ europäischen Marinepräsenz legt. Dabei geht es ihr um mehr als nur um die Entsendung einiger Fregatten. Die EU will ihre Verteidigungsdiplomatie verstärken, Militärberater in die EU-Delegationen entsenden und mit mehr Partnern einen Sicherheits- und Verteidigungsdialog aufnehmen. Ausdrücklich gehört dazu, dass sie sich zukünftig stärker im Indischen Ozean engagieren will, der ein „Tor zum Indopazifik“ darstellt.

Das Institut GIGA (German Institute for Global and Area Studies) in Hamburg legte zu diesem Strategiepapier eine Bewertung vor. Die Wissenschaftler und Politiker warnen davor, den Indo-Pazifik nur als strategischen Raum zu sehen, in dem es vorrangig darum gehe, dass China und die USA sowie andere regionale und extraregionale Akteure um Macht und Einfluss ringen. Hingegen sollten die Interessen der „Kleinen Mächte des Pazifiks“ berücksichtigt werden. Sie müssten auf der Basis eines eigenen Selbstverständnisses begriffen werden. Die „Pazifischen Inselstaaten“ (PIS) wollen, wie sie immer wieder betonen, für ihren „Blauen Pazifik“ eigene kollektive Identitäten und Interessen durchsetzen. Umweltbezogene und menschliche Sicherheit haben für sie die größere Bedeutung vor den Fragen militärischer Sicherheit. Immer wieder haben sie betont, dass die größte Sicherheitsbedrohung für die Region nicht China, sondern der Klimawandel sei.

Abb. (PDF): Foto (https://www.ozeanien-dialog.de/?p=3866), mit freundlicher Genehmigung von Pacific Islands CAN [mailto:canpacificislands@gmail.com]

Quelle: https://www.giga-hamburg.de/de/publikationen/28664148-jenseits-indo-pazifik-kleinen-m%c3%a4chten-pazifik-gerecht-werden/