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Katalog-Titel:AfD-Watchletter Nr. 2, April 2016.
Vergebene Stichworte / Kategorien:HH-AfD-Watchletter

<x> Inhalt: Vorbemerkungen zur Strategie der AfD | Antimuslimischer Rassismus: Bei der Hamburger AfD-Fraktion längst Alltag | „Die Flüchtlingskrise hält weiter an“ (AfD-Homepage) – die Hetze der AfD auch | Von „Verteilungskämpfen“ und sozialen Verwerfungen | Über das gespaltene Verhältnis zur „Lügenpresse“ | Gegen sexuelle Vielfalt und Sexualpädagogik</x>

 

Christen und andere Minderheiten unter den Flüchtlingen besser schützen“ – unter diesem Titel hatte die CDU Mitte April einen Antrag (Drs. 21/3712) in die Hamburgische Bürgerschaft eingebracht. Auch ohne die Anwesenheit der AfD wäre das eine schwierige Debatte gewesen. Denn der Grat ist ­schmal zwischen der Verantwortung für den Schutz von Minderheiten und der Verbreitung von Vorurteilen insbesondere gegen muslimische Geflüchtete. Problematisch an dem CDU-Antrag war vor allem die Forderung, bei der Registrierung von Geflüchteten die Ethnie und die Religion zu erfassen. SPD, Grüne und Linke wiesen diese Forderung denn auch entschieden zurück.

Für die die AfD war der CDU-Antrag hingegen ein gefundenes Fressen. Ausgerechnet ihr Fraktionsvorsitzender, der sich so gerne honorig gebende Professor Kruse, nutzte die Gelegenheit für eine Grenzüberschreitung und eine Verschiebung der Debatte. Nachdem er sich persönlich zum säkularen Staat und zur Religion als Privatsache bekannt hatte, sagte er Folgendes: „Aber es gibt Religionen, die betrachten das nicht als Privatsache für sich, sondern stellen Forderungen an den Staat, an andere, nicht selten in intoleranter und gewalttätiger Form, und das sind Dinge, die wir bekämpfen müssen. Und wenn wir das akzeptieren, dann muss man auch akzeptieren, dass man diese Religionen und Ethnien auch erfasst.“*

Zweierlei passiert hier: Erstens wird nicht von Individuen gesprochen, sondern von bestimmten Religionen, die angeblich so und so sind, auf jeden Fall anders und eben auch nicht selten gewalttätig. Und zweitens wird die ohnehin problematische, von der CDU mit dem Schutz von Minderheiten begründete Forderung, bei der Registrierung aller Geflüchteten auch Religion und Ethnie zu erfassen, verschoben zur Erfassung von Angehörigen bestimmter Religionen und Ethnien, und zwar als „Gefährder“.

Auf Antrag der Grünen trat daraufhin der Ältestenrat zusammen, ergebnislos, und am nächsten Tag inszenierte sich Professor Kruse als „Opfer“ eines „Einschüchterungsversuchs“ und fand dabei leider auch noch Resonanz im „Hamburger Abendblatt“.

Die AfD will auf ihrem bevorstehenden Programmparteitag den Kampf gegen den Islam ins Zentrum rücken. Sie verschiebt den Diskurs der Bedrohung allmählich vom Geflüchteten auf den Islam. Damit zielt sie mitten auf die plurale Gesellschaft, auf das friedliche Zusammenleben, auf Grundrechte eines Teils der Bevölkerung. Der Bedrohliche, Gefährliche, der Islam, der „nicht zu Deutschland gehört“ (AfD-Programmentwurf), der „an sich eine politische Ideologie (ist), die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist“ (Beatrix von Storch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung/FAS), der „intellektuell immer mit der Übernahme des Staates verbunden“ ist und ein „Fremdkörper“**, der hier „keine Heimat finden“ könne (Alexander Gauland ebenfalls in der FAS), kommt nicht erst mit den Geflüchteten zu uns. Er ist schon lange da, mindestens seit Beginn der Arbeitsmigration aus der Türkei Anfang der 60er Jahre. Ist der Islam erst einmal als Feind markiert, sind die AfD-Forderungen, Symbole des Islam aus der Öffentlichkeit zu verbannen, Moscheen unter staatliche Kontrolle zu stellen usw., nur konsequent. Heiner Geißler (CDU) nennt das in der Rhein-Neckar-Zeitung „religiösen Rassismus“.

Aber zurück zur Rede von Prof. Kruse. Auch wenn die Bürgerschaftsdebatte sich auf die Registrierung von Geflüchteten bezog: Kruse formuliert seine Forderung nach Erfassung „dieser Religionen und Ethnien“ allgemein und absolut. Vor dem Hintergrund der AfD-Programmdebatte ist die Drohung unüberhörbar. 

Christiane Schneider

* Das offizielle Protokoll der Bürgerschaftssitzung vom 13.4. wird frühestens in einigen Wochen veröffentlicht – uns liegt eine Mitschrift aber bereits vor. Sie ist außerdem auf der Facebookseite der AfD-Fraktion nachzuhören.

** Die zunehmende Rede vom „Fremdkörper“ Judentum vor allem ab den 1920er Jahren bereitete dem Holocaust den Boden.



Publiziert am: 30. 04. 2016 Katalogisiert am: 20. 07. 2016

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