Quelle: Politische Berichte Nr. 11, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Auslandsnachrichten

Zusammenstellung: Edith Bergmann, Hannover

01 Österreich: Eurowings Europe Plan: Betriebsratgründung

02 Österreich: Betrug am Bau, Gewerkschaft GBH reicht’s

03 Norwegen: NNN-Streik endet mit Kollektivvereinbarung

04 Polen: Hungerstreik der Nachwuchsärzte

05 Rumänien: Nein zur Übertragung von Sozialversicherungsbeiträgen

06 Bulgarien: Tausende demonstrieren für bessere Löhne

07 Georgien: Zerschlagung der Gewerkschaft bei Rustavi Avot

08 Katar: Durchbruch für Arbeitnehmerrechte

09 Indonesien: Coca-Cola-Gewerkschaften wehren sich

10 Mauritius: Schulreiniger im Hungerstreik

nach oben

01 Österreich: Eurowings Europe Plan: Betriebsratgründung

Damit die Eurowings Europe Belegschaft nicht länger in einem betriebsratsfreien Raum steht, wurden am 2. November mit der Wahl des Wahlvorstandes auch die Weichen für eine Betriebsratsgründung Ende November/Anfang Dezember gestellt. Derzeit herrscht Stillstand im Tauziehen um einen Kollektivvertrag für die Beschäftigten der Lufthansa-Tochter. „Wir stehen jederzeit für Gespräche und neue Verhandlungen zur Verfügung. Dieses Mal sollten unsere Verhandlungspartner aber mit vernünftigen und ernstzunehmenden Angeboten ausgestattet, an den Verhandlungstisch zurückkehren.“ Schwarcz betont, dass „wir uns nicht von Lufthansa-Chef Carsten Spohr oder anderen deutschen Managern in die Enge treiben lassen werden. Der Mutterkonzern Lufthansa fährt in Wien einen beinharten Sparkurs und zeigt keinerlei Interesse, die Abwärtsspirale für Arbeitsbedingungen, Löhne und Gehälter zu stoppen.“ www.oegb.at, 2.11.2017

nach oben

02 Österreich: Betrug am Bau, Gewerkschaft GBH reicht’s

Bei 40 Prozent ausländischer Firmen, die auf österreichischen Baustellen arbeiten, liegt ein Verdacht auf Unterentlohnung vor und die Entsendungen steigen. Dazu kommen legale Wettbewerbsvorteile für ausländische Firmen. Die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) bringt deshalb eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. Die GBH fordert in dieser Beschwerde unter anderem eine Verschärfung der Entsenderichtlinie. Kontrollen der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) belegen die Problematik. Im ersten Halbjahr 2017 wurden bei 3.075 Baustellenkontrollen 3.365 inländische Betriebe und 12.371 Arbeitnehmer kontrolliert. Dabei wurden bei 40 inländischen Betrieben bzw. 115 Arbeitnehmern Verdachtsfälle auf Unterentlohnung festgestellt (das entspricht 1,2 % der Betriebe und 0,9 % der Arbeitnehmer). Im selben Zeitraum wurden 816 Entsendebetriebe und 3.706 Arbeitnehmer dieser Betriebe kontrolliert. Dabei bestand bei 360 Betrieben bzw. 1.518 Arbeitnehmern der Verdacht auf Unterentlohnung (entspricht 44,1 % der Betriebe und 41,0 % der Arbeitnehmer). Außerdem steigt die Entsendedauer ständig. Dazu kommt, dass die entsendeten Arbeitnehmer zwei Jahre lang im Sozialversicherungssystem ihres Heimatlandes verbleiben, was für die entsendenden Firmen auf Grund geringerer Beiträge – Lohnnebenkosten – einerseits ein Wettbewerbsvorteil ist, andererseits für die entsendeten Arbeitnehmer geringere Ansprüche bedeutet. Muchitsch: „Wir fordern, dass die Sozialversicherungsbeiträge im Zielland der Entsendung, also in Österreich eingehoben werden. Außerdem muss vor Entsendung eine mindestens dreimonatige Vorbeschäftigungszeit im Heimatland nachgewiesen werden. Sonst kommt es zu diesen dubiosen Entsendungen. Viele Firmen werden gegründet, um billige Arbeitskräfte aus osteuropäischen Ländern zu ‚importieren‘, die dann wie eine Karawane von einer Baustelle zur nächsten ziehen.“ www.bwint.org, 12.10.2017

nach oben

03 Norwegen: NNN-Streik endet mit Kollektivvereinbarung

Der Streik (s. auch PB Nr. 10), der von der norwegischen Lebensmittelarbeitergewerkschaft NNN am 6. September beim Fischverarbeiter Norse Production ausgerufen wurde, endete am 12. Oktober mit der Unterzeichnung der Kollektivvereinbarung für den Fischverarbeitungssektor durch das Unternehmen. Nachdem die gewerkschaftliche Anerkennung sichergestellt worden ist, kann die örtliche Gewerkschaft jetzt mit der örtlichen Betriebsleitung im Rahmen der Branchenvereinbarung weitere Verbesserungen aushandeln. Die norwegischen Gewerkschaften bereiteten sich auf Unterstützungsaktionen als Zeichen der Solidarität mit der NNN vor, als das Unternehmen nicht lockerließ und versuchte, Streikbrecher zu beschäftigen. Industri Energi kündigte an, im Rahmen einer Sympathieaktion die Lieferung von Schiffsmaterial blockieren zu wollen. Die Transportarbeitergewerkschaft traf Vorbereitungen für die Einstellung der Transporte, und die NNN war bereit, die gesamte Lachsproduktion zum Erliegen zu bringen. Im Verlauf des Streiks erhielt die Gewerkschaft Solidaritätsbotschaften von Gewerkschaften aus aller Welt und bedeutende Unterstützung von der Solidarnosc in Polen und der Lebensmittelarbeitergewerkschaft LMPS in Litauen, den Heimatländern vieler der bei Norse Production beschäftigten Arbeitsmigranten. www.iuf.org, 17.10.2017

nach oben

04 Polen: Hungerstreik der Nachwuchsärzte

Aus Protest hat der angehende Chirurg Marcin Radoch seit fünf Tagen nichts gegessen. Inmitten von Isomatten, Schlafsäcken und Protestschildern campiert der Assistenzarzt mit 19 Kollegen im Erdgeschoss der Warschauer Uni-Kinderklinik. Der Hungerstreik, bei dem die polnischen Nachwuchsärzte rotieren, dauert seit mehr als drei Wochen und richtet sich gegen Polens unterfinanziertes Gesundheitssystem. Marcin ist an bis zu 18 Tagen im Monat 24 Stunden am Stück im Dienst und operiert. „Die Gehälter sind so niedrig, dass wir so viel arbeiten müssen, um davon leben zu können“, sagt der Pole, der als Assistenzarzt im zweiten Jahr umgerechnet 520 Euro netto verdient. „Davon kann ich in Warschau schon als Alleinstehender kaum leben“, sagt er. Mediziner in Städten wie Breslau (Wroclaw), Krakau (Krakow) und Stettin (Szczecin) schlossen sich den Warschauer Kollegen an. Sie fordern Polens Regierende auf, die unter dem Durchschnittslohn liegenden Assistenzarzt-Gehälter anzuheben. Am meisten dränge aber die Aufstockung der Ausgaben für das Gesundheitssystem. Diese müssten binnen drei Jahren statt bisher 4,7 Prozent 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, fordern die Mediziner. „Das ist in anderen EU-Ländern der Mindestdurchschnitt“, sagt Marcin. Den erhofften Erfolg brachte ihre Aktion bislang nicht. Die Regierung bot lediglich Gespräche an. www.handelsblatt.com, www.aerzteblatt.de, 25.10.2017

nach oben

05 Rumänien: Nein zur Übertragung von Sozialversicherungsbeiträgen

Am 21. September hat die rumänische Regierung ihre Absicht bekundet, die Sozialversicherungsbeiträge vollständig vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer zu übertragen. Als Reaktion auf die Nichtkonsultation mit den Sozialpartnern und den rücksichtslosen Vorschlag versammelten sich am 4. Oktober rund 7 000 Angestellte und Gewerkschaften vor dem rumänischen Regierungssitz. Premierminister Mihai Tudose empfing eine Delegation der Gewerkschaften. Auf europäischer Ebene muss Rumänien dem ratifizierten Europäischen Sozialversicherungsgesetz (9.10.2009) und der ratifizierten Europäischen Sozialcharta am 7.5.1999 entsprechen. Gemeinsam forderte die Gewerkschaftsdelegation zu einem sozialen Dialog auf, um Diskussionen über Alternativen zu führen und die Verletzung europäischer und internationaler Standards bei der Übertragung von Sozialversicherungsbeiträgen zu verhindern. Am Ende des Treffens einigten sie sich auf die Eröffnung von Diskussionen zur Änderung des Gesetzes 62/2011 über den sozialen Dialog vom 5. Oktober bis zum 5. November. Es wurde jedoch kein Konsens über die Übertragung von Sozialversicherungsbeiträgen an Arbeitnehmer erzielt.

news.industriall-europe.eu, 16.10.2017

nach oben

06 Bulgarien: Tausende demonstrieren für bessere Löhne

Etwa 10 000 bulgarische Arbeiter gingen am 27. Oktober auf die Straßen von Sofia und verlangten menschenwürdige Einkommen und Arbeitnehmerrechte. Unterstützt von Arbeitern aus allen Sektoren, gab der Präsident des Gewerkschaftsverbandes, Plamen Dimitrov, eine Erklärung an die die Regierung und die Arbeitgeber ab: „Jeder muss für das laufende Jahr eine monatliche Gehaltserhöhung von mindestens 100 BGN (59 Dollar) haben, unabhängig von der Branche, in der er arbeitet“, sagte Dimitrov. „Unserem Land fehlen bereits Menschen, weil sie vor dem Elend fliehen“, sagte ein Vertreter der Textil- und Bekleidungsindustrie bei der Protestaktion. „Wir wollen das persönliche Engagement des Premierministers, unser Land in die kommende EU-Allianz für die Annäherung des Lohns einzubeziehen“, kündigte Plamen Dimitrov an. Gewerkschaften in Bulgarien fordern, dass die Löhne denen in anderen Ländern Europas entsprechen und Bulgarien nicht der Hinterhof Europas bleibt. www.industriall-union.org, 2.11.2017

nach oben

07 Georgien: Zerschlagung der Gewerkschaft bei Rustavi Avot

Einst ein Modell des sozial orientierten Unternehmens wandte sich der georgische Düngemittelproduzent Rustavi Azot nach Ankunft eines neuen Eigentümers Anfang 2017 gegen die dortige Gewerkschaft, die Gewerkschaft der Metallurgie-, Bergbau- und Chemieindustriearbeiter Georgiens. Die Mitarbeiter des Unternehmens werden aufgrund ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit verfolgt und unterdrückt. Unter dem Druck der Unternehmensleitung zwingen die Werkstattleiter die Arbeitnehmer, ihre Gewerkschaft zu verlassen. Mit der Absicht, die lokale Gewerkschaft zu untergraben, entließ das Management 350 Menschen illegal. Seit März 2017 versucht die Chemiegewerkschaft, die Verhandlungen mit dem Management wieder aufzunehmen, alles ohne Erfolg. Die Gewerkschaft hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Georgiens wiederholt um Hilfe gebeten. Das Ministerium hat es jedoch nicht geschafft, die Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen. www.labourstartcampaigns.net, 2.11.2017

nach oben

08 Katar: Durchbruch für Arbeitnehmerrechte

Der Internationale Gewerkschaftsbund begrüßt den Durchbruch. Die Regierung von Katar will das Kafala-System (Arbeits- und Aufenthaltsrecht) der modernen Sklaverei beenden. Der IGB plant weitere Treffen mit Katars Arbeitsminister über die Umsetzung von Arbeitnehmerrechten für zwei Millionen Wanderarbeiter im Golfstaat. „Die neue Führung aus Katar signalisiert den Beginn von wirklichen Reformen in Katar, die den Einsatz moderner Sklaverei beenden und das Land auf den Weg bringen werden, seinen internationalen rechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf Arbeitnehmerrechte nachzukommen. Nach den Diskussionen in Doha gibt es eine klare Regierungsverpflichtung, den industriellen Schutz für Wanderarbeiter zu normalisieren“, sagte IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow. Die neuen Richtlinien und Verpflichtungen der Regierung umfassen: Arbeitsverträge werden bei einer Regierungsbehörde hinterlegt, um eine Vertragsänderung zu verhindern (Praktikanten wurde ihr Vertrag zerrissen und sie kamen an einen anderen Arbeitsplatz, oft mit einem niedrigeren Lohn). Arbeitgeber können ihre Beschäftigten nicht mehr daran hindern, das Land zu verlassen. Ein Mindestlohn wird als Grundtarif für alle Arbeitnehmer vorgeschrieben und beendet das rassenbasierte Lohnsystem. Identifizierungspapiere werden direkt vom Staat Katar ausgestellt, und die Beschäftigten müssen sich nicht länger auf ihren Arbeitgeber verlassen, um den Personalausweis vorzulegen, ohne den Arbeitnehmern medizinische Behandlung verweigert werden kann. An jedem Arbeitsplatz werden Arbeitnehmerkomitees eingerichtet, in denen die Arbeitnehmer ihre eigenen Vertreter wählen. Ein besonderer Konfliktlösungsausschuss mit einem Zeitrahmen für die Behandlung von Missständen wird ein zentrales Element für die rasche Behebung von Beschwerden sein. www.ituc-csi.org, 25.10.2017

nach oben

09 Indonesien: Coca-Cola-Gewerkschaften wehren sich

Fast zwanzig Jahre nachdem Indonesien sich von einer repressiven Militärdiktatur befreite, warten die Beschäftigten der indonesischen Betriebe des in Australien ansässigen Abfüllers Amatil (CCA) der Coca-Cola Company immer noch auf demokratische Rechte am Arbeitsplatz. Beschäftigte von Coca-Cola Amatil Indonesien organisieren sich, um unabhängige Gewerkschaften zu bilden. Das Unternehmen hat darauf mit systematischen Attacken auf ihre Mitglieder und gewählten Führer reagiert. Bei der Unterdrückung der Menschenrechte macht CCA gemeinsame Sache mit der Gewerkschaft der Tabak-, Lebensmittel- und Getränkebeschäftigten von Indonesien, einer Organisation, die aus der Suharto-Militärdiktatur stammt, um die Arbeitnehmer an der Organisierung zur Verteidigung ihrer Menschenrechte zu hindern. In Indonesien hält Coca-Cola Amatil an Kollektivvereinbarungen aus der Suharto-Ära fest, bei denen es sich in Wirklichkeit um Disziplinarordnungen handelt, um die Arbeiterschaft zu kontrollieren und zu steuern. iuf@iuf.org, 20.10.2017

nach oben

10 Mauritius: Schulreiniger im Hungerstreik

Zwei GewerkschaftsführerInnen und fünf Reinigungskräfte sind gegen Armutlöhne an Schulen in Mauritius in den Hungerstreik getreten. Niedrigsteinkommen von nur 43 US-Dollar im Monat sowie prekäre Beschäftigungsverhältnissee für 333 Frauen an Schulen in Mauritius führten am 13.10. zum Hungerstreik des Confédération des Travailleurs du Secteur Publique et Privé Vorsitzenden Reeaz Chutto und der Generalsekretärin Jane Ragoo sowie fünf Kolleginnen aus den Reihen der Reinigungskräfte. labourstart.org 24.10.2017

Neuseeland: Kampf für gute Arbeitsplätze

Die der IUL angeschlossene Gewerkschaft E tu hat sich zusammen mit kommunalen Vertretern für den Erhalt guter Arbeitsplätze bei Mondelez eingesetzt und kritisiert die endgültige Entscheidung des Konzerns, die gesamte Produktion von Cadbury-Erzeugnissen aus seiner Fabrik in Dunedin, Neuseeland, nach Australien zu verlagern. Die E tu fragt sich, ob Mondelez jemals ernsthaft vorhatte, einen lokalen Dritthersteller zu finden. Ein in Neuseeland ansässiges Unternehmen, Rainbow, stand in Verhandlungen mit Mondelez. Rainbow erklärte dazu, „das Herstellungsverfahren ist nicht so speziell, als dass wir das nicht mit einem minimalen Investitionsaufwand hätten bewerkstelligen können“. Wieder einmal hat Mondelez eine Produktionsverlagerung beschlossen, um Kosten einzusparen. Dunedin hat in den letzten Jahren aufgrund einer Reihe von Fabrikschließungen mehr als 1200 gut bezahlte Vollzeit-Fabrikarbeitsplätze verloren. Alles, was Mondelez hinterlässt, ist die Touristenattraktion Cadbury World mit 35 Angestellten, überwiegend Teilzeitkräfte – eine schmerzliche Erinnerung an die Cadbury-Fabrik, die 1884 in Dunedin mit der Herstellung von Schokolade begann. www.iuf.org, 24.10.2017

nach oben