Politische Berichte Nr. 1/2021 (PDF)02a
Blick auf die Medien

USA: Wahlverlierer Trump

Martin Fochler, München. Der Versuch, den abgewählten Präsidenten per Impeachment als politischen Anführer unmöglich zu machen, hätte nur zum Erfolg führen können, wenn sich die Führung der Fraktion der Republikaner nicht hinter dem Argument verschanzt hätte, ein aus dem Amt geschiedener Präsident könne nicht mehr des Amtes enthoben werden. So folgte nur eine Handvoll der republikanischen Senatoren den Argumenten der Anklage, und die für eine Verurteilung erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde verfehlt. – Im politischen System der USA wird ein aus dem Amt scheidender Präsident während der langwierigen Prozedur des Machtwechsels als „lame duck“, lahme Ente bezeichnet. Der Fall Trump zeigt, dass diese Rolle auch als angeschossener Büffel gespielt werden kann. Politische Kommentare wiesen darauf hin, dass – wenn man den Freispruch beispielhaft nimmt – nun eine Verfassungsinterpretation steht, nach der das Tun und Treiben eines abgewählten Präsidenten nicht mehr verfolgt werden kann.

Wer die (im deutschen Fernsehen live gesendete und synchron übersetzte) Rede Trumps zu seinen vor dem Weißen Haus versammelten Anhängern verfolgte, konnte kaum überhören, dass es Trump darum ging, die Menge zum Marsch auf das Kapitol zu motivieren. Leute, die seinen Argumenten vertrauten, konnten sich beim Sturm auf das Kapitol als legitimierte Verteidiger der Verfassung verstehen.

In der politikwissenschaftlichen Öffentlichkeit wurde schon am Tag danach erörtert, dass es bei der Erstürmung des Kapitols nicht bloß um eine über das Ziel hinausgeschossene symbolische Handlung gegangen war. Das Feuilleton der FAZ druckt am Samstag, den 8.1., unter der Überschrift „Gebt mir ein Blutbad“ einen Beitrag ab, in dem Wolfram Siemann, bis zu seiner Emeritierung 2011 an der LMU München Professor für Revolutions- und Polizeigeschichte, ausführt, was möglich geworden wäre, wenn es den Eindringlingen gelungen wäre, die Sitzung zur abschließenden Anerkennung des Wahlergebnisses in einem Blutbad untergehen zu lassen. In dem dann gegebenen Notstand wäre der noch amtierende Trump „Herr der militärischen Exekutive geworden und der Kongress kaltgestellt, die Zertifizierung der Wahl zugleich wäre verhindert worden“.

Das Kalkül sei nicht aufgegangen, weil der Vizepräsident, der die Zertifizierungsversammlung zu leiten hat, seinerseits „eigenmächtig und vorzeitig – vor einem Blutbad – die Nationalgarde rief und die unkontrollierte, aber von Trump erwünschte Eskalation verhinderte“.

Nach dem bei der Anklage gegen Trump vorgelegten Material ist Trumps Versuch, ein Verfassungsorgan zu nötigen, offensichtlich. Der Mann, so heißt es von vielen Seiten, sei nun ein Fall für die ordentlichen Gerichte. Ob aber der Präsident der USA für seine im Amt vollbrachten Taten angeklagt werden kann, beziehungsweise wer zur Anklage befugt wäre und welche Gerichte angerufen werden müssten, ist derzeit nicht klar.

So wird sich die Auseinandersetzung mit der von Trump geführten Bewegung weiterhin als Kampf um die öffentliche Meinung, und wie man hoffen darf, mit demokratischen Mitteln des Meinungskampfes abspielen. Von großer Bedeutung für diesen Erfolg waren Urteile der verfassungsrechtlich garantierten unabhängigen Justiz, sie boten die Möglichkeit, die Behauptungen Trumps auf ihren Tatsachengehalt zu überprüfen. Tapfere Amtsträgerinnen und Amtsträger konnten sich gegen Zumutungen illegalen Handelns sperren. Bewährt hat sich auch die Gewaltenteilung zwischen dem Bund und den Einzelstaaten. Schließlich hat sich auch gezeigt, dass die Auseinandersetzung mit einer bedenkenlosen, putschbereiten, von zahlreicher Anhängerschaft gestützten Bewegung mit dem Mittel von fairen Wahlen und Abstimmungen geführt werden kann. Trump hat die Wahl zum Präsidenten verloren, und die in seinem Kielwasser schwimmenden Republikaner in beiden Häusern keine Mehrheit.

Im November 2022 stehen Kongresswahlen an. Wen werden die Republikaner ins Rennen schicken?