Politische Berichte Nr. 3/2021 (PDF)22
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München: Kundgebungen am 8. Mai – Jahrestag der Befreiung vom Faschismus

Jürgen Fischer, München. Knapp hundert Antifaschisten folgten dem Aufruf des Münchner Friedensbündnisses und des Münchner Bündnisses gegen Krieg und Rassismus. Gut vertreten waren die Verdi-Senioren, das Fehlen von Mandatsträgern in Vorsitzfunktion aus dem erklärt linken Spektrum der Stadt- und Gewerkschaftspolitik kann dagegen nur als peinlich und geschichtsignorant aufgefasst werden. Die Süddeutschen Zeitung erwähnte den 8. Mai gleich gar nicht. Foto: Jürgen Fischer.

Aus dem Aufruf: Am 8. Mai 1945 endete der von Nazideutschland begonnene zweite Weltkrieg.

Das Ergebnis waren verwüstete Länder, 60 Millionen Tote und Millionen Verwundete. Sechs Millionen Juden wurden in den Konzentrationslagern des NS-Regimes ermordet.

Aus „Nie wieder Krieg“ wurde die Beteiligung Deutschlands an der Kriegspolitik der Nato und der EU. Deutschland rüstet massiv auf, und deutsche Truppen stehen heute wieder an den Westgrenzen Russlands. Die Bundesregierung befeuert mit ihren Rüstungsexporten die Kriege weltweit, und mit der „nuklearen Teilhabe“ beteiligt sie sich an der Atomkriegsplanung der USA.

Aus dem Redebeitrag von Thomas Rödl, DFG/VK: Es ist gut und wichtig, dass wir heute hier stehen und an den Jahrestag der Befreiung erinnern. Tag der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, von der Diktatur bedeutet Befreiung der Konzentrationslager, Befreiung von Gestapo und Bespitzelung, Ende von Willkürherrschaft und Gleichschaltung. (Es) bedeutet auch das Ende des Krieges, der täglichen Todesangst vor Bomben und Granaten und das Ende der Gefechte an allen Fronten. Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus, das sollte die Lehre sein!

Für uns ist dieser Jahrestag kein Grund zum Feiern, sondern Anlass, darauf aufmerksam zu machen, dass Deutschland wieder ein souveräner Staat geworden ist, der seine Militärmacht zur Durchsetzung von Interessen einsetzt. Sechsundsiebzig Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs müssen wir feststellen: Europa ist wieder im kalten Krieg. Die Nato gegen Russland, das ist die neue wie auch alte Frontstellung. In diesen Tagen findet das Manöver der Nato „Defender 2021“ statt, 30 000 Soldaten sind beteiligt, geprobt wird die Verlegung von Einheiten Richtung Rumänien und Schwarzes Meer.

Die Wurzeln des Faschismus (liegen) im Nationalismus und Militarismus des neunzehnten Jahrhunderts, im weitverbreiteten Rassismus und Antisemitismus, in der sozialen Ungerechtigkeit und in den Krisen der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Faschismus und Militarismus marschieren Hand in Hand. Die Projekte der Naziherrschaft waren:

Erstens die Vormachtstellung, in Europa zu erkämpfen, „Deutschland, Deutschland über alles…“ was im ersten Weltkrieg gescheitert ist, zweitens die Beseitigung der Kommunisten und Sozialdemokraten als politische Kraft hier und die Beseitigung der Sowjetunion als Staat und als alternatives Gesellschaftsmodell, drittens die „Endlösung der Judenfrage“, … der Holocaust, die Massenvernichtung der Juden, die dann erst unter Kriegsbedingungen so möglich war.

Alle drei Projekte hatten Unterstützung in der Gesellschaft in allen Schichten, die ersteren beiden natürlich vor allem bei den Eliten, bei der herrschenden Oberschicht. Unsere Erinnerungskultur ist fokussiert auf den Holocaust und die Dämonisierung von Hitler. Natürlich müssen wir immer an den Holocaust erinnern, ein unvergleichliches Verbrechen. Aber die Wurzeln des Faschismus, die politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die die NSDAP an die Macht gebracht haben, dürfen dabei nicht in Vergessenheit geraten.

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus, das war wohl die vorherrschende Stimmung 1945 in Deutschland. Die Wehrmacht zerschlagen, das Reich besetzt, die Nazipartei aufgelöst. Andere Kräfte kommen an die politische Macht, sozialdemokratische, liberale, christlich-konservative. Aber die sozialen Verhältnisse, Besitz- und Eigentumsverhältnisse haben sich nicht verändert. Die Parteimitglieder, die Helfer der Nazis, die Eliten, die Hitler unterstützt und finanziert hatten, waren noch da, die KZ-Mörder, die Folterknechte, die Führung der Wehrmacht, die Mitläufer, die Unabkömmlichen in der Rüstungsindustrie, im Beamtenapparat, in Polizei, Justiz und Finanzverwaltung. Die deutschnationalen und konservativen Kräfte (haben sich) angepasst und neu gesammelt. Die nationalistische Strömung: „Wir wollen die verlorenen deutschen Gebiete zurückhaben. Und wir wollen Hand in Hand mit den USA die Sowjetunion, den sozialistischen Machtblock beseitigen.“ Der Abwurf der Atombomben war eine Machtdemonstration gegenüber der ganzen Welt und speziell gegenüber der Sowjetunion. Wer die Superwaffe hat, … braucht nicht lange verhandeln…

Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 den Einsatz der Bundeswehr (im Ausland) erlaubt. Die einzige Einschränkung: Der Bundestag muss zustimmen. Die Bundeswehr kann jetzt wieder für nationale Interessen eingesetzt werden, wenn die Nato oder die EU oder die Uno irgendwie dabei ist.

Die Modernisierung der Atomwaffen geht weiter. Die Weichen werden gestellt für die Ostexpansion der Nato. Jetzt sind alle osteuropäischen Staaten, die einst in der WVO waren, Mitglieder der Nato, plus die baltischen Staaten, Slowenien, Kroatien, Albanien und Montenegro. Die Aufnahme der Ukraine in die Nato hätte bedeutet, dass die Krim mitsamt Marinehafen und Radarstation in die Hände der Nato fällt. Das hat Russland verhindert mit der schnell organisierten Volksabstimmung und den Beitritt in die russische Föderation bzw. die Annexion. Russland hat diese Stützpunkte legalerweise seit dem Ende der Sowjetunion benutzt, Russland hat dafür gesorgt, dass die Lage sich nicht zu ihrem Nachteil verändert.

Zur humanitären Intervention: dieses Konzept war der Türöffner und die erste Rechtfertigung für die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg gegen Jugoslawien. Dieser Krieg diente der Zerschlagung von Jugoslawien und nicht der Verhinderung von Völkermord. Verhinderung von Völkermord ist ein legitimes Anliegen. Aber dafür bräuchte es neutrale Streitkräfte unter dem Kommando der Vereinten Nationen. Das kann nicht die Aufgabe von imperialistischen Staaten sein. Wir Pazifisten wollen die allgemeine vollständige Abrüstung statt Aufrüstung, Eintreten für Frieden durch Verhandlungen und Interessensausgleich, für Entspannungspolitik statt Konfrontation, für den Abzug und die Abschaffung der Atomwaffen.

Siehe auch: http://www.h-m-v-bildungswerk.de/pdf/Ref-8-mai-was-gelernt-Pr%C3%A4sent-2-2019.pdf

Abb. (PDF): Demonstrationsfoto

eoff