Quelle: Politische Berichte Nr. 5, Mai 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT H O M E

Auslandsnachrichten

01 Sozialdumping im europäischen Straßentransport

02 Schweiz: Abschaffung der Arbeitszeiterfassung

03 Großbritannien: Rentenabbau. BMW-Beschäftigte im Streik

04 Schweden: Hotelstreik abgewendet

05 Türkei: Freilassung von Zeynep Çelik jetzt

06 Kasachstan: Unterdrückung gegen Gewerkschaften

07 Somalia: Angriffe auf Journalisten und Gewerkschafter

08 Madagaskar: Entlassungen wegen Gewerkschaftsbeitritt

09 USA: Solidarische Aktion mit VW-Beschäftigten

10 Brasilien: IG Metall unterstützt Generalstreik

11 Internationaler Gewerkschaftsbund solidarisch mit palästinensischen Gefangenen

01 Sozialdumping im europäischen Straßentransport

Der anerkannte europäische Sozialpartner Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF) samt Mitgliedsgewerkschaften hat am 26. April in Brüssel zu einer Demonstration aufgerufen. „Wir sind heute nach Brüssel gekommen, um die die politisch Verantwortlichen in Europa gegen das zunehmende Lohn- und Sozialdumping im Straßentransport wachzurütteln“, betont Karl Delfs von der österreichischen Gewerkschaft Vida. Es wird an die Kommission appelliert, eine Straßeninitiative vorzustellen, die auf eine Vereinfachung und Verdeutlichung der EU-Rechtsvorschriften für den Sektor abzielt, damit diese durchsetzbar werden. Lohn- und Sozialdumping, Scheinselbständigkeit, Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten von 2,8 Millionen BerufskraftfahrerInnen in der EU müssten kontrollierbarer gemacht werden, um Missstände besser bekämpfen zu können.

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www.vida.at, 26.4.2017

02 Schweiz: Abschaffung der Arbeitszeiterfassung

Nur mit Arbeitszeiterfassung können die sinnvollen Regelungen des Gesundheitsschutzes eingehalten werden. Das Notieren der Arbeitszeiten stellt darüber hinaus sicher, dass Überstunden kompensiert oder fair entschädigt werden können. Für leitende Angestellte sowie Fachspezialistinnen und -spezialisten würde genau dies mit der von Ständerätin Karin Keller-Sutter eingereichten parlamentarischen Initiative 16.423 in Zukunft verunmöglicht. Mit dem Arbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitgeber zur Lohnzahlung für die mit der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitszeit. Ohne Arbeitszeiterfassung verkommt der Arbeitsvertrag zu Makulatur – und die geleistete Mehrarbeit zu Gratisarbeit! Als treibende Kraft hinter diesem Ansinnen stehen ausgerechnet Arbeitgeber der Wirtschaftsprüfer-Branche. Mit 65 Überstunden pro Jahr (oder einer Quote von 3,4 Prozent) leisten die Arbeitnehmenden in dieser Branche, nach dem Kredit- und Versicherungswesen, am zweitmeisten Überstunden. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist die Arbeitszeiterfassung ein Kinderspiel, auch bei sehr flexiblem und ortsunabhängigem Arbeiten: Es gibt Smartphone-Applikationen für Arbeiten unterwegs, und die Arbeitszeit kann bei Bürozutritt oder am Computer elektronisch erfasst werden. Trotzdem wird das Notieren der Arbeitszeit durch Medien und Arbeitgeber mit Bildern von historischen Stempeluhren aus der Zeit der Industrialisierung verunglimpft. Nicht die Abschaffung der Arbeitszeiterfassung ist darum das Gebot der Stunde. Vielmehr geht es um deren konsequente Einhaltung.

syna.ch, 1. Mai 2017

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03 Großbritannien: Rentenabbau. BMW-Beschäftigte im Streik

Rund 3.500 Beschäftigte in drei der vier BMW-Werke in Großbritannien sind am 19. April 2017 in den Streik getreten: Beschlossen sind insgesamt acht zwischen den vier Werken rotierende Streiktage bis in den Mai hinein, um die Pläne des Unternehmens, die Fonds der Betriebsrenten grundsätzlich zu verändern, zu verhindern. Die Beschäftigten protestieren damit gegen Pläne von BMW, zwei Altersvorsorgesysteme auslaufen zu lassen und durch weniger lukrative Programme zu ersetzen. Die Regelung gilt bereits seit 2014 für neue Mitarbeiter. Was BMW ganz diplomatisch „Maßnahmen zur Sicherung des Rentenfonds“ nennt, verstehen die Belegschaften als Frontalangriff auf die Betriebsrenten. Dieser erste Streik der britischen BMW-Beschäftigten (Mini und Rolls Royce) sei nötig geworden, so der Sprecher der Gewerkschaft Unite, weil die Unternehmensleitung jede Bereitschaft zu echten Verhandlungen habe vermissen lassen. Die Schließung des Rentensystems, die für den 31. Mai geplant ist, könnte bedeuten, dass einige Arbeiter bis zu 160 000 Pfund (139 000 Euro) im Renteneinkommen verlieren. Die bisherigen Streikaktionen haben erhebliche Störungen verursacht und bringen die verbleibende Produktion zum Stillstand, so dass die Kunden auf die Lieferung ihrer Neufahrzeuge warten.

www.unitetheunion.org, 4.5.2017

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04 Schweden: Hotelstreik abgewendet

Die schwedische Gewerkschaft der Hotel- und Restaurantangestellten HRF hat am 18. April, weniger als 12 Stunden vor dem geplanten Beginn eines landesweiten Streiks, eine neue dreijährige nationale Vereinbarung für die Branche unterzeichnet, die ihre wesentlichen Verhandlungsforderungen erfüllt. Die HRF erhielt im Vorfeld des geplanten Streiks starke nationale und internationale Unterstützung. Die HRF rief zu dem Streik auf, nachdem die Arbeitgeber sich geweigert hatten, die Löhne der am schlechtesten bezahlten Angestellten entsprechend den für andere Branchen in den diesjährigen sektoralen Verhandlungen durchgesetzten Steigerungen zu erhöhen. Die Arbeitgeber haben auch Forderungen nach einer größeren Arbeitsplatzsicherheit abgelehnt. Die neue Vereinbarung sieht unter anderem Folgendes vor: eine monatliche Erhöhung von 1650 SEK (ca. 172 Euro) für Vollzeitbeschäftigte innerhalb von 3 Jahren; eine Erhöhung von 6,5% für Überstundenarbeit; eine erhebliche Erhöhung für die am schlechtesten Bezahlten, die den in anderen Branchenvereinbarungen festgelegten Erhöhungen für geringbezahlte Beschäftigte entspricht oder diese übersteigt, und die Einsetzung einer Arbeitsgruppe mit den Arbeitgebern zur Überprüfung der Arbeitsbelastung von Housekeeping-Kräften. Die Gewerkschaft hat der IUL herzlich für die internationale Unterstützung gedankt, die sie erhalten hat.

www.iuf.org, 20.4.2017

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05 Türkei: Freilassung von Zeynep Çelik jetzt

Die Verhaftung von Zeynep Çelik durch die türkische Regierung am Mai-Tag ist für die Public Services International völlig unannehmbar. Zeynep ist eine Krankenschwester und ehemaliges Exekutivkomitee-Mitglied der PSI-Mitgliedsgewerkschaft Dev-Sağlık-İş (Disk). Ihre Inhaftierung ist ein weiterer berüchtigter Schritt in der anhaltenden Niederschlagung der türkischen Bevölkerung durch die türkische Regierung. Allein in den vergangenen 30 Tagen wurden mehr als 2125 Personen eingesperrt, nach Angaben von Turkeypurge.com wurden 3974 Personen aus den öffentlichen Diensten entlassen. Es ist ziemlich beunruhigend, dass einige von diesen, einschließlich der Gewerkschafter, aus fragwürdigen Gründen von Richtern verurteilt worden sind. Genug ist genug. Wir fordern die sofortige Freilassung von Zeynep Çelik und unverzüglich die Angriffe auf das türkische Volk und die Grundsätze der Demokratie zu stoppen.

www.world-psi.org, 3.5.2017

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06 Kasachstan: Unterdrückung gegen Gewerkschaften

Vor Kurzem haben die Behörden in Kasachstan eine weitreichende Unterdrückungskampagne gegen führende Aktivist*innen der unabhängigen Gewerkschaften in der Mangistau-Region im Westen des Landes begonnen. Die örtlichen Behörden und das Management des Öl-Unternehmens OCC haben versucht einen friedlichen Protest der Arbeiter*innen im Januar zurück zu drängen. Der Vorsitzende der für die OCC-Beschäftigten zuständigen Gewerkschaft, Amin Yeleusinov, und der Arbeitsinspektor Nurbek Kushakbayev wurden am 20. Januar verhaftet. Am 7. April wurde Kushakbayev angeklagt, mithilfe des 2014 eingeführten äußerst repressiven Strafgesetzes. Für seinen Aufruf zum Streik verurteilte der Gerichtshof von Astana ihn am 7. April zu zweieinhalb Jahren in einer erzieherischen Arbeitsanstalt. Der Richter hat darüber hinaus auch der Forderung von OCC zugestimmt, 25 Millionen KZT (73 000 Euro) von Kushakbayev zu verlangen wegen angeblichem Schaden am Unternehmen. Zur gleichen Zeit hat das Management von OCC begonnen, Beschäftigte zu entlassen, die an dem Protest teilgenommen hatten. OCC gehört zu KazMunaiGas, des größten staatlichen Öl und Gas Unternehmens in Kasachstan.

www.labourstartcampaigns.net, 26.4.2017

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07 Somalia: Angriffe auf Journalisten und Gewerkschafter

In den vergangenen vier Jahren hat die somalische Regierung die National Union of Somali Journalists (Nusoj) sowie die Federation of Somali Trade Unions (Festu) wiederholt angegriffen, weil diese Gewerkschaften sich der Kontrolle durch die Regierung verweigerten. Diese hat Gewerkschaftstreffen der NUSOJ in Mogadischu aufgelöst, Nicht-Gewerkschafter als Funktionäre von Festu und Nusoj eingesetzt, Gewerkschafter eingeschüchtert durch Verhaftungen, Reisebeschränkungen, Organisationsverbote und das Entlassen von arbeitnehmerfreundlichen Richtern und den Ausschluss von Verhandlungen mit Arbeitgebern und Regierung. Das Oberste Gericht Somalias sowie die ILO unterstützen die Forderung nach sofortiger Anerkennung der international akzeptierten Führung der Nusoj und Festu und das Einstellen der Angriffe auf die Gewerkschaften!

www.labourstartcampaigns.net, 26.4.2017

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08 Madagaskar: Entlassungen wegen Gewerkschaftsbeitritt

Hafenarbeiter in Madagaskar kämpfen um ihre Rechte. Sie wurden entlassen, weil sie ihrer Gewerkschaft beigetreten sind, um sich gegen prekäre Arbeit, niedrige Löhne und unsichere, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen zu wehren. Im März haben Gewerkschaften aus Ländern der ganzen Welt Briefe an die Konsulate Madagaskars geschickt, in denen sie Gerechtigkeit für die Hafenarbeiter und deren Wiedereinstellung in den Job forderten. Hunderte weitere Personen wandten sich außerdem über Email an die Regierung von Madagaskar und drängten diese, lokale Arbeitsrechte umzusetzen. Am 3. April 2017 haben die internationalen Dachverbände ITF (International Transport Federation) und IGB (Internationaler Gewerkschaftsbund) sowie die Gewerkschaft Sygmma im Namen der 43 Hafenarbeiter Beschwerde bei der ILO eingereicht.

www.labourstartcampaigns.net, 19.4.2017

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09 USA: Solidarische Aktion mit VW-Beschäftigten

Zur Arbeit zu kommen und nicht wissen, ob nach zehn Stunden kurzfristig Überstunden angeordnet werden? Das ist Realität im VW-Werk in Chattanooga in den USA. Damit sich die Arbeitsbedingungen verbessern, war jetzt höchste Zeit für eine Aktion internationaler Solidarität. Im VW-Werk Chattanooga im Süden der USA ist manches anders, was man sonst von dem Konzern gewöhnt ist. Es gibt bei VW-Chattanooga keinen Betriebsrat und keine gewerkschaftliche Vertretung. Zu Arbeitszeit und vielen anderen Fragen gibt es keine ausgehandelten Regelungen. Nun haben sich Gewerkschafter aus Brasilien, Südafrika, Mexiko, Großbritannien, Polen und Deutschland in Chattanooga mit den UAW-Unterstützern unter den VW-Beschäftigten getroffen. Sie versprachen den UAW-Kollegen ihre solidarische Unterstützung und überlegen gemeinsam, wie man Druck auf VW aufbauen kann, damit die Beschäftigten in Chattanooga eine starke Arbeitnehmervertretung haben. Es gab mehrmals Versuche, dies zu ändern. Im Dezember 2015 stimmten über 70 Prozent der Wartungsmitarbeiter für eine gewerkschaftliche Vertretung durch die UAW ab. Die US-Aufsichtsbehörde NLRB forderte VW in der letzten Instanz auf, die Tarifverhandlungen mit der UAW aufzunehmen, aber nichts ist passiert. VW versucht derzeit über eine Berufungsklage, die Wahl für die begrenzte Gruppe der Beschäftigten anzufechten. Mit dem Urteil des Berufungsgerichts wird im Herbst gerechnet. Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann forderte VW auf, nicht weiter gegen das amerikanische Arbeitsrecht zu handeln und nun ohne weitere Verzögerung das Gespräch mit der UAW zu suchen.

www.igmetall.de, 19.4.2017

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10 Brasilien: IG Metall unterstützt Generalstreik

Am 28.4.2017 legte ein Generalstreik Brasilien lahm, mit dem Beschäftigte und Gewerkschaften gegen die Ausweitung der Leiharbeit und die Heraufsetzung des Rentenalters protestierten. Die IG Metall unterstützt den Generalstreik mit einer Solidaritätsadresse. Im März 2017 wurde in Brasilien die Liberalisierung der Fremdvergabe und der Leiharbeit im Parlament beschlossen. Jetzt sind diese unbegrenzt möglich. Die Gewerkschaften kämpfen seit zwei Jahren gegen dieses Gesetz. Ihren Berechnungen zufolge wird die Zahl der Leiharbeiter von jetzt 13 Millionen auf über 50 Millionen steigen. Leiharbeiter haben viermal mehr Arbeitsunfälle. Im Schnitt verdienen solche Beschäftigten 25 Prozent weniger, arbeiten vier Stunden in der Woche mehr und ihre Beschäftigungsdauer ist 2,7 Jahre kürzer. Gemäß dieser Reform sollen befristete Arbeitsverhältnisse immer wieder verlängert werden können. Arbeit auf Abruf, eine längere Jahresarbeitszeit sowie eine Stückelung des Jahresurlaubs durch den Arbeitgeber sollen möglich sein. Betriebliche Verhandlungen sollen tarifliche Regelungen aushebeln können, so dass auf betrieblicher Ebene erheblich längere Arbeitszeiten als im Tarifvertrag vorgesehen möglich sein werden. Ähnlich kritisch sehen die Gewerkschaften die Pläne von Regierungschef Temer zur Rente. Das Renteneintrittsalter soll auf 65 Jahre erhöht werden. Bisher liegt es bei 55 für Frauen und 60 für Männer. Die minimale Beitragszeit soll von 15 auf 25 Jahre erhöht werden. In Brasilien wird eine solche Reform erhebliche Rentenverluste bei den Arbeitnehmern mit sich bringen. Um gegen diese Pläne vorzugehen, werden fast alle brasilianischen Dachverbände zahlreiche Mobilisierungsmaßnahmen zum Generalstreik am 28. April 2017 organisieren.

www.igmetall.de, 28.4.2017

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11 Internationaler Gewerkschaftsbund solidarisch mit palästinensischen Gefangenen

Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) erweitert seine Solidarität mit palästinensischen Gefangenen, die mit einem unbefristeten Hungerstreik gegen Menschenrechtsverletzungen in israelischen Gefängnissen protestieren. Der IGB fordert die israelischen Behörden auf, dafür zu sorgen, dass palästinensische Gefangene nach den Standards des humanitären Völkerrechts behandelt werden. Er unterstützt Forderungen der palästinensischen Gefangenen nach Aufhebung von Beschränkungen für Familienbesuche, nach verbesserten Haftbedingungen, nach Zugang zur medizinischen Versorgung, zu Bildungsmaterialien und Lebensmitteln sowie der Installation von Telefonen, um mit ihren Verwandten zu kommunizieren. zu unterstützen. Anmerkung Redaktion: Inzwischen – mit Datum 3.5.2017 – geht der Hungerstreik in den 17. Tag.

www.ituc-csi.org, 28.4.2017

Zusammenstellung: Edith Bergmann, Hannover

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