Quelle: Politische Berichte Nr. 5, Mai 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT H O M E

Streitschrift: Europa geht auch solidarisch!

2016 hat eine Gruppe von Autorinnen und Autoren, die in der Bandbreite rot-rot-grüner Positionen gegen Nationalstaat und für europäische Lösungen Stellung beziehen eine „Streitschrift“ unter dem Titel: „Europa geht auch solidarisch!“ herausgegeben. (VSA-Verlag, Hamburg 2016). Zu den Autorinnen und Autoren gehören u.a.: Klaus Busch, Axel Troost, Gesine Schwan, Frank Bsirske. Zusammenfassend schreiben sie: Rechte und linke Kritikerinnen und Kritiker sehen „… oft nur noch eine Lösung: Rückkehr zum Nationalstaat bzw. Auflösung und Rückbau des Euros. Die Autorinnen und Autoren dieser Streitschrift vertreten die Position, dass die politischen und ökonomischen Risiken dieser Lösung ausgeblendet werden. Sie treten stattdessen dafür ein, dass die progressiven Kräfte mit einer alternativen Wirtschaftspolitik, einer Ausgleichsunion, einer gemeinsamen Schuldenpolitik, einer europäischen Sozialunion sowie mit einer demokratisch gewählten und kontrollierten Europäischen Wirtschaftsregierung ein anderes Modell durchsetzen: ein solidarisches Europa ist möglich!“

Die Streitschrift beginnt mit der Kritik am Versagen der EU, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zu entwickeln. Eine solche Politik sollte mindestens folgende Bestandteile beinhalten: eine deutliche Erhöhung des europäischen Beitrags zur UNHCR für eine internationale Lösung, die Schaffung legaler Zugangswege zur EU und die finanzielle Absicherung der Aufnahme der Geflüchteten durch die Mitgliedsländer der EU durch ein europäisches Fondssystem.

In einem weiteren Kapital werden die Konstruktionsmängel der Wirtschafts- und Währungsunion untersucht. In einer fundierten Kritik der verschiedenen auch in Teilen der Linken kursierenden Euro-Exit-Szenarien wird sodann nachgewiesen, dass alle diese Vorschläge zur Rückkehr zu flexiblen oder stufenflexiblen Wechselkursen die Lage insbesondere für die wirtschaftlich schwächeren Länder nur verschlechtern werden.

Die Streitschrift mündet schließlich in der Forderung nach „sechs Säulen einer radikalen Euro-Reform: Mehr Europa, aber anders.“ (S. 53 ff) Diese „solidarische europäische Transfer-, Sozial- und Finanzmarktpolitik“ sollte auf folgenden Bausteine aufbauen: einer neuen europäischen Wirtschaftspolitik, die über Investitionsprogramme den wirtschaftlichen Aufbau fördert, einer „Ausgleichsunion“ gegen die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte der Mitgliedsländer, einer gemeinsamen Schuldenpolitik mittels Eurobonds, einer „europäischen Regulierung der Sozialpolitiken“, um das System der „Wettbewerbsstaaten“ zu überwinden, einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte und schließlich einer „demokratisch legitimierten und kontrollierten Europäischen Wirtschaftsregierung“. Als Basis der neuen „sozialen Säule“ sehen die AutorInnen eine europäische Arbeitslosenversicherung.

Jeder einzelne Punkt erfordert intensive sachliche Klärung und Auseinandersetzung über politische Ziele. Ein Verdienst der Streitschrift ist, in kurzer und konzentrierter Form die verschiedenen Fäden der Krise der EU und der Währungsunion zusammengetragen zu haben. Offen bleibt, ob und wie sie von den Parteien, insbesondere zunächst der Linken, aufgenommen und in den notwendigen Prozess der Entwicklung einer EU-Reformpolitik einbezogen werden.

Christoph Cornides, Mannheim