Quelle: Politische Berichte Nr. 6-7, Juni/Juli 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Auslandsnachrichten

Zusammenstellung: Edith Bergmann

01 Internationaler Gewerkschaftsbund: Gewerkschaftsreport

02 Finnland: Streik bei der Meyer-Werft

03 Österreich: Vertragsloser Zustand im Druckergewerbe

04 Slowakei: Streik bei Volkswagen

05-Spanien: Angriffe auf Streikrecht

06 Griechenland: Müllabfuhr im Streik

07 Türkei: Glasarbeiter erringen Erfolg

08 Ägypten: Gefängnis wegen Übernahmeforderung

09 West-Papua: Arbeiter wegen Streik entlassen

10 Kolumbien: Lehrerstreik für öffentliches Bildungssystem

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01 Internationaler Gewerkschaftsbund: Gewerkschaftsreport

Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) hat seinen jährlichen Report zur Verletzung von Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechten veröffentlicht. Die Zahl der Länder, in denen Beschäftigte und Gewerkschafter bedroht werden oder Gewalt ausgesetzt sind, hat sich im Vergleich zum Vorjahr erneut gesteigert. Die Zahl der Länder, in denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer körperlicher Gewalt und Drohungen ausgesetzt sind, hat sich in nur einem Jahr um zehn Prozent erhöht. Das geht aus dem „Global Rights Index 2017“ des IGB hervor.

Die 10 schlimmsten Länder: Der IGB hat außerdem wieder eine Liste mit den zehn schlimmsten Ländern der Welt für arbeitende Menschen veröffentlicht: Ägypten, Bangladesch, Guatemala, Kasachstan, Katar, Kolumbien, Philippinen, Südkorea, Türkei, VAE.

Tarifverhandlungen: In mehr als drei Viertel aller Länder teilweise oder komplett verweigert. Auch die weiteren Ergebnisse aus den insgesamt 139 untersuchten Ländern sind teilweise erschreckend:

In mindestens elf Ländern wurden Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ermordet, wie etwa in Bangladesch, Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Honduras, Italien, Mauretanien, Mexiko, Peru, den Philippinen und Venezuela.

In 84 Ländern sind Beschäftigte vom Arbeitsrecht ausgeschlossen.

In mehr als drei Vierteln der Länder wird einigen oder allen Beschäftigten das Streikrecht verweigert.

In mehr als drei Vierteln der Länder werden einigen oder allen Beschäftigten Tarifverhandlungen verweigert.

50 Länder beschränken die Rede- und Versammlungsfreiheit.

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02 Finnland: Streik bei der Meyer-Werft

„Im finnischen Turku sind knapp 1000 Angestellte der Werft Meyer Turku am Donnerstag, 15.6., und Freitag, 16.6., in einen Streik getreten. Sie protestierten damit gegen ihre Arbeitsbedingungen und werfen der Leitung des Tochterunternehmens der Papenburger Meyer Werft Schikane und eine schädliche Arbeitsatmosphäre vor, wie Gewerkschaftsvertreter finnischen Medien sagten. Der Ausstand wurde demnach einstimmig bei einer Versammlung der Angestellten beschlossen und soll bis zum Ende der Woche andauern“ – so der Bericht der AFP. Die Meyer Werft bedauerte den Ausstand. Das Unternehmen war 2014 in den finnischen Markt eingestiegen und hatte den Mitbewerber STX Finnland in Turku übernommen.

www.noz.de, 19.6.2017

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03 Österreich: Vertragsloser Zustand im Druckergewerbe

„Die Stimmung in den Betrieben ist aufgrund des kollektivvertragslosen Zustandes in der Brache sehr aufgeheizt. Die Beschäftigten können nicht verstehen, dass sich von Seiten der Arbeitgeber niemand für ihren Kollektivvertrag zuständig erklärt“, so der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) Wolfgang Katzian. Katzian warnte in diesem Zusammenhang auch jene Arbeitgeber, die die aktuelle Unsicherheit ausnutzen wollen, um innerbetrieblich das bestehende arbeitsrechtliche Niveau zu unterminieren. Die rund 9500 Beschäftigten des grafischen Drucks müssen aktuell ohne einen gültigen Kollektivvertrag arbeiten. Das Bundeseinigungsamt hat dem Antrag des Verbands Druck & Medientechnik, nicht länger Kollektivvertragspartner sein zu wollen, Mitte Juni stattgegeben.

www.oegb.at, 26.6.2017

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04 Slowakei: Streik bei Volkswagen

Bei Volkswagen in der Slowakei haben Tausende Mitarbeiter für eine kräftige Lohnerhöhung gestreikt. Sie versammelten sich am 21.6. vor dem VW-Werk in Bratislava und forderten 16 Prozent mehr Lohn. Der Autobauer hatte 4,5 Prozent mehr in diesem und 4,2 Prozent mehr im kommenden Jahr angeboten, am Dienstag erhöhte er sein Angebot. „Es geht nicht ums Geld. Es geht um den Anstand des Unternehmens“, sagte einer der Streikenden, Stanislav Galva. VW habe „solch große Profite“, die das Unternehmen mit den Arbeitern teilen müsse. Gewerkschaftschef Zoroslav Smolinsky sagte, bis zu 8600 der 12300 Beschäftigten hätten die Arbeit niedergelegt. Die VW-Arbeiter seien bereit, mehr als nur einen oder zwei Tage zu streiken. Eine Sprecherin von VW Slovakia hatte die Forderungen der Gewerkschaft am 19.6. als „inakzeptabel“ bezeichnet. Am Dienstag erhöhte der Autobauer sein Angebot auf 8,9 Prozent mehr Geld. Die Linken-Politikerin Jutta Krellmann begrüßte den Ausstand in Bratislava. Konzerne, die in Billiglohnländern produzieren ließen und nicht bereit seien, den Lebensstandard der Bevölkerung zu erhöhen, „handeln unmoralisch“, erklärte die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion. Nach einem sechstätigen Streik hat sich das Management eigenen Angaben zufolge mit der Gewerkschaft auf einen Lohnabschluss geeinigt. Der Kompromiss sieht eine Lohnerhöhung von 13,5 Prozent mit Laufzeit bis August 2019 vor. Hinzu komme ein Einmalzahlung von 500 Euro. Es ist die erste Arbeitsniederlegung bei VW in der Slowakei. Der Streik wurde von der Regierung unterstützt, die sich für höhere Einkommen einsetzt. Nach Gewerkschaftsangaben verdienen die VW-Beschäftigten im Schnitt 1800 Euro im Monat einschließlich Boni. Das sei zwar das Doppelte des Durchschnittseinkommens in der Slowakei. Die VW-Kollegen in Deutschland bekämen aber für vergleichbare Arbeit mit 4200 Euro deutlich mehr.

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05 Spanien: Angriffe auf Streikrecht

In Spanien setzt die rechte Regierung von Mariano Rajoy ihre Angriffe auf das Streikrecht fort. Eineinhalb Jahre, nachdem acht Gewerkschafter von der Anklage wegen Teilnahme an dem gegen die Sparpolitik ausgerufenen Generalstreik von 2010 freigesprochen wurden, droht jetzt zwei Gewerkschaftsvertretern wegen ihrer Teilnahme am Generalstreik von 2012 eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren. Die UGT-Betriebsvertrauensleute Rubén Ranz und José Manuel Nogales stehen am 7. Juli wegen Anklage nach Artikel 315.3 vor Gericht, einem legislativen Überbleibsel des Strafrechts aus der Franco-Ära, das die Rajoy-Regierung wiederbelebt hat. Sie wurden im Rahmen eines Polizeieinsatzes gegen eine friedliche Informationskundgebung verhaftet, die am Abend des Generalstreiks vom 29. März 2017 in Madrid stattfand. Am 21. Juni riefen die Gewerkschaftsverbände CC.OO und UGT zu einer Großkundgebung im Zentrum von Madrid auf, um die anhaltende Kriminalisierung des Streikrechts durch die Rajoy-Regierung zu verurteilen.

www.iuf.org, 28.6.2017

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06 Griechenland: Müllabfuhr im Streik

Die Müllberge auf Athens Straßen werden stetig höher. An einigen Stellen zieht bereits ein unangenehmer Geruch durch die Metropole. Hintergrund ist ein seit dem 19.6. anhaltender Streik der Mitarbeiter der Stadtreinigung. Sie kämpfen darum, dass Angestellte mit Zeitverträgen in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Vom Ausstand sind auch andere Gemeinden in Griechenland betroffen. Vorangegangen war eine Entscheidung des Rechnungshofes. Er hat die normalerweise übliche Verlängerung der Zeitverträge als verfassungswidrig eingestuft. Innenminister Panos Skourletis hat bereits signalisiert, dass die betroffenen Mitarbeiter nun verbeamtet werden sollen. Der Streik findet auch an anderen Orten statt und – er findet überhaupt – trotz der Versicherung des Ministers – statt, weil die Übernahme schon mehrfach versprochen worden war (die EU aber hat auch für Einstellungen im öffentlichen Dienst eine Obergrenze diktiert). Teilweise haben die Mitarbeiter der Stadtreinigung bereits Mülldeponien besetzt; am 21.6. verwehrten sie einigen Fahrzeugen die Zufahrt zur Großdeponie bei Fyli im Norden der Hauptstadt. Gleichzeitig weisen die Organisatoren darauf hin, dass eine Müllentsorgung in besonders sensiblen Bereichen, wie etwa die Umgebung von Krankenhäusern oder Wochenmärkten weiterhin erfolgt.

www.griechenland.net, 22.6.2017

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07 Türkei: Glasarbeiter erringen Erfolg

Şişecam A.Ş. ist ein Industriekonzern mit den Hauptaktivitätsfeldern der Glas- und Chemieproduktion. 13 Tage dauerte der Kampf der Sisecam-Belegschaften, an dem sich in allen Werken der Türkei rund 6000 Beschäftigte beteiligten, die nach ihrem jeweiligen „Dienst nach Vorschrift“ die Fabriken nicht verließen, sondern stattdessen Kundgebungen auf dem Werksgelände abhielten. Dann lenkte das Unternehmen ein und verhandelte am 8. Juni 2017 mit der Gewerkschaft Kristal-Is – und die Regierung, die sich einmal mehr eilfertig auf die Seite des Kapitals geschlagen und ein faktisches Streikverbot ausgesprochen hatte (in Form befohlener Zwangsschlichtung, inklusive monatelanger Aussetzung des Streiks), sieht sich blamiert: Die lächerlicherweise zur Begründung des Streikverbots einmal mehr bemühte „nationale Sicherheit“ wurde durch das Einlenken des Unternehmens bewahrt. In einer Meldung von IndustriAll wird berichtet, das Unternehmen habe einen Vertrag unterzeichnet, der eine durchschnittliche Lohnerhöhung von 16,4% ebenso beinhalte wie eine stärkere Anhebung für die unteren Lohngruppen, zusätzliches Urlaubsgeld und weitere Verbesserungen. Die im Mai offiziell angegebene Inflationsrate in der Türkei betrug 11,3 %.

www.industriall-union.org, 14.6.2017

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08 Ägypten: Gefängnis wegen Übernahmeforderung

Im Mai 2017 protestierten die Beschäftigten des Sicherheitsdienstes der Tora-Zementwerke in Kairo mit einem Sit-In: Weil das Unternehmen ein Urteil eines Bezirksgerichtes seit einem Jahr schlichtweg ignorierte, das ihnen die Übernahme in das Unternehmen zusprach – nach bis zu 15 Jahren Zeitarbeit. Die Reaktion, typisch für die Al-Sisi Regierung, war eindeutig: Ein massiver Polizeiüberfall, bei dem die festgenommenen Arbeiter auch auf der Wache noch geschlagen wurden. Und ein regelrechtes Schnellverfahren, in dem am 6. Juni 2017 nicht weniger als 32 Kollegen zu jeweils drei Jahren Haft verurteilt wurden, inklusive zwangsweiser körperlicher Arbeit während der Strafe. Der ägyptische Unrechtsstaat erlaubt es noch nicht einmal, für die Verwirklichung von Urteilen zu demonstrieren. Jetzt hat eine internationale Solidaritätskampagne mit den 32 verurteilten Kollegen begonnen. Die Petition „Free the Workers of Tourah Cement Egypt“, seit dem 14. Juni 2017 bei change.org, richtet sich sowohl an das Justizministerium als auch an das Arbeitsministerium Ägyptens – und an den Chefmanager der HeidelbergCement, das Unternehmen, zu dem die Tora-Werke gehören.

www.change.org, 16.6.2017

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09 West-Papua: Arbeiter wegen Streik entlassen

Die US-Firma Freeport-McMoRan entließ im vergangenen Monat 3000 Arbeiter der Grasberg-Kupfer- und Goldmine in West-Papua, dem indonesischen Teil Neuguineas. Die Entlassungen verletzen die Grundrechte der Arbeitnehmer, die Tarifvereinbarung und das indonesische Recht. Die Arbeiter hatten gegen die einseitige Entscheidung des Unternehmens gestreikt, sie langfristig zu beurlauben. Der Konflikt hatte sich auf Java verbreitet, wo über 300 Arbeiter bei einem Joint Venture zwischen Freeport und Mitsubishi, als PT Smelting bekannt, das Kupfer von Grasberg verarbeitet. Die indonesische Regierung kann Freeport und Mitsubishi nicht erlauben, Arbeiter auf diese Weise zu missbrauchen. Die Bergbau- und Metall-Gewerkschaften rund um den Globus haben verlangt, in Indonesien ein eigenes Gesetz durchzusetzen und das Recht zu streiken zu verteidigen, bisher ohne Erfolg. IndustriALL hat zu einer Online-Kampagne in Solidarität mit den Arbeitern aufgerufen.

www.labourstart.org, 19.6.2017

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10 Kolumbien: Lehrerstreik für öffentliches Bildungssystem

Seit dem 11. Mai hatten mehr als 300 000 Lehrerinnen und Lehrer der öffentlichen Schulen ganz Kolumbiens den Streikaufruf der Federación Colombiana de Educadores (Fecode) befolgt. „Seit zwei Wochen verhandeln Vertreter des Fecode und der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos nun schon über die genannten Forderungen. Bisher blieben diese Verhandlungen ohne Erfolg. Obwohl der Präsident nicht von seiner Äußerung, es gebe kein Geld, abrückt, ist die Botschaft unserer Gemeinschaft klar: Der Lehrerstreik geht weiter, bis die Regierung eine gute Verhandlung verspricht. Dies ist ein Kampf für die öffentliche Bildung“, betonte Fecode in einer Stellungnahme. Inmitten der Proteste und Verhandlungen wurde bekannt, dass seit Beginn des Streiks drei Lehrpersonen durch Schusswaffen getötet wurden und eine Lehrerin seit dem großen Protest in Bogotá als vermisst gilt. Fecode richtete sich in einem Brief direkt an die Regierung und forderte Aufklärung darüber, „ob die Todesfälle in direktem Zusammenhang mit dem Engagement der Opfer bei den Lehrerprotesten stehen“. Nach dem Höhepunkt des „Marsches auf Bogota“ am 6. Juni 2017 war die Regierung Kolumbiens faktisch gezwungen, eine Reihe der Forderungen der Beschäftigten zu erfüllen – nachdem bei 300 000 Streikenden sich über 400 000 Menschen an dieser ganztägigen Großdemonstration beteiligt hatten, war allgemein deutlich geworden, dass dieser Streik – trotz aller Propaganda der Regierung und ihr nahestehender Medien gegen ihn – massive Unterstützung auch der SchülerInnen und Eltern genoss. Neben den Lohnforderungen wurden auch Zugeständnisse gemacht in Bezug auf den Zugang von Kindern zu diesen Schulen – eines der gesellschaftlichen Anliegen dieser Streikbewegung, von der stets unterstrichen worden war, dass sie auch der Verteidigung und Verbesserung des öffentlichen Schulsystems gelte.

amerika21.de, 14.6.2017; www.telesurtv.net, 19.6.2017

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