Quelle: Politische Berichte Nr. 6-7, Juni/Juli 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

THEMA: Siedlungsentwicklung und Bürgerbeteiligung

01 Mieter und Anwohner in Norderstedt:Menschlich Wohnen sieht anders aus

02 Stuttgart-Untertürkheim: Erneuerung am Stadtrand

03 München: „Landschaftsbezogene Wegekonzeption“

–– NACHRICHTEN: Siedlungsentwicklung und Bürgerbeteiligung

04 „Achtung! Geldgier-Sperrgebiet-Seuchengefahr“.Hamburg

05 Linke & Piraten fordern besseren ÖPNV und Radwege an der TU: Dortmund

06 Neuer Stadtteil – alte Fehler? Frankfurt a.M.

07 Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung vom Lankenauer Höft:Bremen.

08 Schwerer Brand in Bremerhaven Lehe

09 Kreative Freiräume unterstützen! Kiel.

10 Für schnellere Beseitigung der Wohnungsmängel: Essen.

11 Bezirksratsbeschluss begrüßt: Hannover.

12 Kampf um Yorktown:Schweinfurt

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01 Mieter und Anwohner in Norderstedt:Menschlich Wohnen sieht anders aus

Vom Dorf zur Stadt – 50 Jahre Bauboom

Norderstedt, in der Nähe von Hamburg, aber zu Schleswig-Holstein gehörig, bestand bis 1970 aus fünf kleinen Dörfern am Endpunkt des alten Ochsenweges. Heute noch nennt sie sich stolz „Stadt im Grünen“, gehört aber mit seinen etwa 80 000 Einwohnern seit langem zum industriellen „Speckgürtel“ im Umland der Großstadt an der Elbe. Nahe am Flughafen gelegen, hat es ab den frühen sechziger Jahren acht große Gewerbegebiete entstehen und gleichzeitig entsprechende Wohnanlagen mit Hochhäusern bauen lassen. In seinem Stadtteil Friedrichsgabe gibt es seit den sechziger Jahren das Wohnquartier der Baugenossenschaft Neue Lübecker (NL) mit etwa 164 Wohnungen am Friedrichsgaber Weg, Röntgengang und Sauerbruchring. Hier zogen damals vor allem die von Gabelstapler-Firma Jungheinrich AG dringend benötigten Arbeitskräfte aus dem damaligen Jugoslawien, Griechenland, Italien und vor allem der Türkei ein. Ihre Unterkünfte lagen in der Nähe des Betriebes und wurden von diesem auch finanziell, z.B. durch Übernahme der Kautionen, unterstützt. Die KollegInnen ließen ihre Familien nachkommen oder gründeten hier welche, und die meisten von ihnen blieben wegen der bis jetzt zu zahlenden günstigen Miete auch ein halbes Jahrhundert hier wohnen. Nun sind sie alt geworden und in Rente gegangen und die Wohnungen reif für eine Sanierung, für Abriss und Neubau. Aber erstmalig gibt es hier nun auch Mieter-Probleme.

„Aufgepasst am Friedrichsgaber

Am 18. Juni 2013 lud die NL ihre Mieterinnen und Mieter zu einer Informationsversammlung in ein Zelt auf der Wiese am Friedrichsgaber Weg (FGW) ein. Was sie plante, stieß sofort auf breite Empörung. Denn es sollten nicht nur die bisherigen drei Hochhäuser und die zahlreichen Flachbauten baulich und energetisch auf den neuestens Stand gebracht werden, sondern sechs neue Blocks zwischen die bisherigen Häuser gequetscht, und eins davon sogar auf den einzigen größeren Rasen neben dem Spielplatz gestellt werden. Natürlich mit Zustimmung der Stadt Norderstedt, die unter dem Druck, neuen Wohnraum schaffen zu müssen, zurzeit 2000 Bauprojekte in Planung hat. Allein am Friedrichsgaber Weg sollen zu den 167 Wohneinheiten gleich 143 neue hinzukommen. Eine unzumutbare Verdichtung von über 40% in dieser nördlichen Ecke der Stadt, die – anders als in den frühen Jahren der Bebauung – kaum noch über eine funktionierende Infrastruktur verfügt. Es fehlen die einst vorhandenen kleinen Einkaufsgeschäfte, die Apotheke, der Frisörladen und die Gastwirtschaft. Nicht wenige BewohnerInnen müssen – wenn denn das dringend notwendige Auto fehlt – mit dem Rollator gut zwei Kilometer bis zum nächsten Supermarkt einkaufen gehen. Angesichts dieser Lage schlossen sich gleich nach der Versammlung ein Dutzend Mieterinnen und Mieter spontan zu einer „Mieter-Initiative-FGW (wie Friedrichsgaber Weg)“ zusammen und einigten sich unter anderem auf die Forderungen: „Keine Modernisierung auf unsere Kosten — keine Erhöhung unserer Mieten — kein Haus auf unseren Rasen!“ und gingen mit dem Flugblatt „Aufgepasst am Friedrichsgaber Weg…“ bereits im November 2013 an die Presse und die Öffentlichkeit.

Lebenslanges Wohnrecht und nicht mehr als ein Euro Mieterhöhung

Klugerweise nahmen die Mieterinnen und Mieter zu verschiedenen politischen und sozialen Organisationen engen Kontakt auf. So z.B. zum Bau- und Sozialamt, zu dem örtlichen Mieterverein Norderstedt e.V. und dem Seniorenbeirat der Stadt Norderstedt, der sich besonders um Wohnungsfragen kümmern wollte. Zunächst gelang auch der Kontakt zu einigen Parteien und Fraktionen der Stadt Norderstedt: den Linken, den Grünen, der SPD und der Bürgerpartei WIN — CDU und FDP reagierten nicht. Erfreulicherweise nahm auch die Norderstedter Presse, das örtliche Fernsehen NOA4 und die „Norderstedter Zeitung / Hamburger Abendblatt“, dank unserer regelmäßigen Informationen bald von uns Notiz.

Schließlich kamen dadurch direkte Gespräche mit dem Vorstand der Neuen Lübecker zustande und es wurde festgelegt: Alle MieterInnen, die genossenschaftlich bei der NL organisiert sind, besitzen ein „lebenslanges Wohnrecht“. Für MieterInnen, die erst jetzt neu einzögen, würde das Mietniveau für eine sanierte Wohnung bei 9,01 Euro plus ca. 0,70 Euro Nebenkosten bedeuten. Für die „alten“ MieterInnen gelte aber auch nach der Modernisierung nur ein Quadratmeter-Preis von 6,20 Euro plus Nebenkosten. Das bedeutete grundsätzlich, wie es die NL denn auch vehement öffentlich in ihrem Geschäftsbericht und in der Presse bestätigte, dass die Erhöhung der bisherigen Miete für die „Genossenschaftler“ nicht mehr als 1,00 Euro betragen werde. Das war für eine zweieinhalb Zimmerwohnung schon eine Ersparnis von mehreren Hundert Euro! Außerdem blieben die bisher erworbenen Genossenschaftsanteile erhalten. Für die Zeit der Sanierung stellte die Neue Lübecker eine Ersatzwohnung zur Verfügung, ohne zusätzliche Mietkosten, auch wenn diese größer war. Die erforderlichen zweimaligen Umzugskosten trug die NL ebenfalls. Ein dazu gemeinsam ausgearbeiteter Vertrag galt allerdings nur, wenn er jeweils „persönlich“ unterzeichnete wurde. Ein beachtlicher Erfolg.

Nun auch noch ein „Starterhaus“ auf den Rasen

Für 2018 ist der weitere Abriss mehrerer Flachbauten direkt am Friedrichsgaber Weg vorgesehen. Sie sollen aber — wie oben bereits erwähnt — nicht nur wieder aufgebaut und ersetzt, sondern eine neue Häuserzeile von fünf Blocks soll ihnen „vor ihrer Nase“ gestellt werden. Abendsonne ade! Ließe sich dieses vielleicht noch zähneknirschend hinnehmen, ist der Plan eines weiteren „Starterhauses“ mitten auf dem einzigen größeren Rasen in diesem Gelände nicht mehr zumutbar und stieß auf große Empörung. Jetzt schlossen sich auch die Anwohner von Eigenheimen am Röntgengang und Sauerbruchring der Initiative an und forderten gemeinsam: „Kein Haus auf unseren Rasen“. Dieser Platz ist für Kinder, Jugendliche und alle Nachbarn der einzige Ort, wo man sich „vor der Haustür treffen kann“. Und klar wird inzwischen auch von Städtebauern, Architekten und Politikern und in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen vertreten: Wohnen muss menschlich soziales Leben ermöglichen, Mieter und Anwohner brauchen Licht, Luft und Sonne. Grünflächen müssen bleiben! Außerdem, wo so viele neue Wohnungen gebaut werden sollen, müssen nach gesetzlichen Schlüssel von 1,2-1,5 pro Wohneinheit entsprechend auch weitere Parkplätze geschaffen werden. Der einstige freie Parkplatz fällt weg, weil dort fünf neue Häuser stehen werden und die von der NL geplante Untertage-Garage wird bei weitem für zukünftig insgesamt 300 Wohneinheiten kaum ausreichen. Darf es vielleicht neben dem Starterhaus auf dem Rasen sein oder am jetzt schon völlig überfüllten Röntgengang, wie die dort wohnenden Hausbesitzer vermuten? Man sieht es deutlich und hört es munkeln: Schon jetzt kommen die notwendigen Baufahrzeuge kaum durch und die Feuerwehr hat wegen einer schnellst möglichen Zufahrt ihre Bedenken geäußert.

Die Stadt Norderstedt gegen ihre BürgerInnen

Bei dem jetzt geäußerten Protest haben es die Betroffenen nicht mehr nur mit der Baugenossenschaft der Neuen Lübecker zu tun, sondern vor allem mit der Stadt Norderstedt, die über den dafür zuständigen Bebauungsplan B-293 zu entscheiden hat. Die NL ließ sogar in einem Gespräch mit der Initiative verlauten, dass sie anstelle dieses Haus zu bauen, eigentlich lieber die vorderen Wohnblocks um eine entsprechende Anzahl von Stockwerken hätte erhöhen wollen. Das wäre für sie sogar kostengünstiger als ein Neubau auf der Wiese. Eine heute in allen Großstädten bereits praktizierte Lösung, die übrigens auch in Norderstedt angewendet wird. Dies ist z.B. an der Universität Darmstadt anlässlich eines wissenschaftlichen Projektes zum Wohnungsbau in Bochum, Darmstadt und Norderstedt auch der hiesigen Stadt empfohlen worden. Abgelehnt, Euer Ehren! Jedenfalls bisher durch den Oberbürgermeister Joachim Grote (demnächst „Polizeiminister“ für die CDU in Kiel) und dem Ersten Stadtrat und der Chef der städtischen Planung, Herrn Bosse. Letzterer wolle hier kein „Klein Manhattan“ haben, so sagte die Neue Lübecker bedauernd. Wahrscheinlich ist dieser städtische Bauplan ihnen aber doch ganz recht. Denn sie wollen das Haus auf dem Rasen nun zusätzlich als „Starter-Haus“ nutzen, wo sie 20 MieterInnen während der Zeit des Abrisses von Wohnungen übergangsweise wohnen lassen könnten. Dabei hat die Neue Lübecker — wie oben berichtet — dieses Problem in den vergangenen drei Jahren Bausanierung doch ganz anders gelöst. War ein Hochhaus fertig gestellt, konnten dort übergangsweise diejenigen MieterInnen unterkommen, die bei der folgenden Sanierung wiederum für einige Monate auf die Fertigstellung ihrer Wohnung warten mussten. Eine Farce, dafür jetzt plötzlich ein ganz neues Haus zu erstellen! Und noch dazu auf dem einzigen Rasenplatz. Na klar — das bringt ihnen ja schließlich für die nächsten 50 Jahre weitere satte Mieteinnahmen!

Doch der eigentliche Kontrahent dieses unzumutbaren Bauplanes ist damit seit über einem Jahr die Stadt Norderstedt, die die Flächen als Baugrund bewilligen muss. Leider ziehen dazu auch sämtliche Parteien von links bis rechts an einem Strang — Linke, Grüne, WIN, FDP, SPD und CDU. Auf der öffentlichen Veranstaltung der Stadt Norderstedt zu diesem Thema im April 2016 protestierten die betroffenen MieterInnen und AnwohnerInnen in ihren Beiträgen heftig gegen den vorgelegten Bebauungsplan B-293 und ein Haus auf dem Rasen. Der Verlust ihrer sozialen Kontakte und die Minderung ihrer Wohnqualität in der von den Politikern gern so genannten „Stadt im Grünen“ seien für sie als BürgerInnen unzumutbar! Als kurz danach die entsprechenden Baupläne im Rathaus der Stadt ausgelegt wurden, kamen ein Dutzend betroffene Bürgerinnen und Bürger persönlich vorbei. Ergebnislos — das Wort Rasen erhielt einfach nur den Stempel „keine Aufenthaltsqualität“. Über 138 Einwendungen und Dutzende von Unterschriften wurden von der Stadt eben mal nur „zur Kenntnis genommen“ — bis auf einen einzigen Fall, wo es um Stellplatz für eine Mülltonne ging.

Und so haben sämtliche Parteienvertreter auf der Sitzung des „Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr“ der Stadt Norderstedt am 16. Februar 2017, obwohl erneut mehrere VertreterInnen der Betroffenen am Friedrichsgaber Weg, Röntgengang und Sauerbruchring in der vorher gehenden Fragestunde ihre Argumente gegen den ungerechten „Starterhaus auf dem Rasen“ vortrugen, allesamt die Hände für den Plan B-293 gehoben, ohne Nachfrage, ohne eine einzige Gegenstimme. In einer Wortmeldung engagierte sich der Norderstedter Grüne im Ausschuss lediglich für die Bäume, die am Friedrichsgaber Weg nicht abgesägt werden sollten. Menschen kamen bei ihm nicht vor! Und auch danach ließ sich trotz wiederholter schriftlicher Bitten — bis auf die Linke — keiner von ihnen je „vor Ort“ sehen, um sich von der schlimmen Lage ein konkretes Bild machen zu können.

Nach ihrer letzten Veranstaltung am 26. Juni 2017 mit vielen Fotos zur Erinnerung an die 16 tollen Kinderfeste von 1983-1998, die hier auf dem Rasen durchgeführt wurden, hat nun die Initiative Mieter und Anwohner FGW erneut eine mahnende Resolution verabschiedet. In der Kenntnis des schrecklichen Hochhausbrandes, der sich vor einigen Wochen mangels Sicherheitsstands in London ereignete, mahnt sie ihre Stadtvertreter an: „Wir haben erfahren…, dass auf dem Rasen zwischen den Häusern am Röntgengang, Sauerbruchring und Friedrichsgaber Weg, der 16 Jahre lang für die tollen Kinderfeste genutzt worden ist und heute als lebenswichtiger Begegnungsplatz der dortigen MieterInnen und AnwohnerInnen dient, ein so genanntes „Starterhaus“ gebaut und damit diese einzige größere Rasenfläche zubetoniert werden soll. Das ist empörend und wir protestieren dagegen! Die Fläche ist dringend notwendig als sozialer Raum und muss auch unbedingt als Rettungsfläche frei gehalten werden, z.B. für eine Evakuierung und als Hubschrauberlandeplatz.“

Edda Lechner, Norderstedt

Abb.:. Protest der Initiative Mieter und Anwohner FGW gegen das Haus auf dem Rasen am 23. Februar 2017

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02 Stuttgart-Untertürkheim: Erneuerung am Stadtrand

Untertürkheim ist einer von 23 Stadtbezirken in Stuttgart. Er liegt am östlichen Rand des Stadtgebiets, am Neckar, bekommt wegen seiner Struktur eher unangenehm die Folgen einer Metropole zu spüren: seit mehr als hundert Jahren Standort von Mercedes-Benz, mit den inzwischen deutlich gemilderten Folgen einer großen Industrie. Was bleibt, sind eine hohe Belastung durch Verkehr, die Eisenbahnlinie sorgt für hohe Lärmpegel, zwei Bundesstraßen tragen dazu bei, dass die angrenzenden Wohngebiete eher für nicht dauerhaft ansässige oder ziemlich arme Bevölkerungsteile bestimmt sind. Auch mitten durch den Ort führt eine stark befahrene Straße.

Landschaftlich sind Teile des Ortes aber sehr reizvoll, Weinberge, eine Grabkapelle auf dem Wirttemberg, dem ehemaligen Stammsitz des vormaligen Herrscherhauses – damit verbunden aber ein hoher Besucherdruck an schönen Wochenenden.

In den 1980er Jahren erlebte der Ort eine gewisse Renaissance: eine Fußgängerzone wurde geschaffen, die den Bahnhof mit der Weinmanufaktur, einem großen genossenschaftlichen Betrieb, verbindet. Die damals noch vorhandenen Geschäfte der Nahversorgung (Metzger, Bäcker, Fotogeschäft, Reformhaus usw.) sind weitgehend verschwunden und ersetzt durch Dönerbuden und ähnlichem oder stehen schlicht leer.

Durch hartnäckiges Engagement der Bezirksvorsteherin (eine Art Bürgermeister des Stadtbezirks, wird vom Gemeinderat gewählt), der Mitglieder des Bezirksbeirats (ein beratendes Gremien, das von Stadtverwaltung und Gemeinderat zu allen Belangen des Bezirks gehört werden muss) und zahlreicher Vereine und nichtorganisierter Bürgerinnen und Bürger gelang es nun einen Prozess anzustoßen, der zwar den hochtrabenden Titel „Masterplan“ trägt, aber soweit derzeit sichtbar, tatsächlich die Situation verbessern wird.

In einem jetzt mehr als ein Jahr andauernden Verfahren mit Diskussionen von Gremien, aber vor allem einer Bürgerbeteiligung, an der mehrere hundert Menschen teilnahmen, sind Bausteine für ein Konzept entstanden, die in den vermutlich nächsten zehn Jahren Zug um Zug umgesetzt werden.

Die Stadtplaner meinen die Bürgerbeteiligung ernst. Sie wollen keine rein funktional begründeten Konzepte um- und durchsetzen, die Erfahrungen mit den Hochhaussiedlungen à la Le Corbusier sind als abschreckende Beispiele Allgemeingut. Der Prozess läuft idealerweise so: feststellen lassen, was finden die Bewohner eines Plangebiets positiv, was negativ, welche Vorschläge zur Veränderung gibt es. Die Aufgabe der Planer ist es dann daraus realisierbare Projekte zu machen. Dieser Prozess lief in Untertürkheim tatsächlich recht gut: die Ergebnisse sind in einer im Internet abrufbaren Dokumentation1 sichtbar.

Das erste Projekt geht jetzt in die Verwirklichung: ein Uferpark mit Erlebnischarakter. Der Neckar ist in Stuttgart eine „Bundeswasserstraße“, also vorrangig zur wirtschaftlichen Nutzung (siehe Foto). Die Planung ist aus der Visualisierung des Planungsbüros erkennbar: Der Übergang vom Ufer zum Wasser ist mit auch zum Sitzen geeigneten Stufen und einer Rampe gestaltet. Ein 90 Meter langer Steg ragt übers Wasser und ist mit einer rund 30 Meter langen Schiffsanlegestelle verbunden (für bis zu zwei Schiffe, eines davon eventuell als Gastronomie). Am Ufer wird ein bisher kaum genutzter Platz so umgestaltet, dass er von Vereinen oder Privaten mit Angeboten bespielt werden kann (Wasser-, Abwasser- und Stromanschlüsse).

Wenn das Projekt in einigen Jahren realisiert sein wird, kann es als eine Art „Landmarke“ den Ort „attraktiver“ machen, d.h. für die Bewohner gibt es einen neuen Punkt, an dem man sich treffen kann. Die Planung sieht auch vor, dass die Wegebeziehungen zur Fussgängerzone und in die Weinberge ausgehend von diesem Punkt neu sichtbar zu machen.

Ein Problem bleibt die lange Realisierungszeit: jetzt beginnt ein Jahr der Detailplanung, bis zur Auftragsvergabe und dann tatsächlichem Bau wird es gewiss 2020 werden. Der Bezirksbeirat, der diese Planung mit Detailkritik begrüßt hat, fordert daher, dass im Stadthaushalt weitere Mittel bereitgestellt werden, die als Sofortmaßnahmen nach außen die Umgestaltung des Stadtbezirks verdeutlichen. Alfred Küstler, Stuttgart

1) www.stuttgart-meine-stadt.de/content/bbv/details/89/phase/211/?tab=3

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03 München: „Landschaftsbezogene Wegekonzeption“

Ein Projekt im Rahmen von Freiraum München 2030 www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Stadtplanung-und-Bauordnung/Stadt-und-Bebauungsplanung/Gruenplanung/Freiraumentwicklung.html

Zuzug und innerstädtische Verdichtung bestimmen das Bild der langfristigen Siedlungsentwicklung Münchens und der Nachbargemeinden. Tiefgreifende Strukturänderungen bleiben nicht aus.

Die Herausbildung der modernen europäischen Stadt ist ein gut beleuchtetes Problemfeld. Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften kennen und benennen die Kräfte, die zur Ballung führen. Skalenvorteile ermöglichen (und erfordern) großartige Infrastruktur, Fühlungsvorteile zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik machen neue Kombinationen des Wirtschaftens und der Gestaltung des Lebens greifbar. Die Verfeinerung der Arbeitsteilung führt zu einem differenzierten Angebot an Arbeitsplätzen. Spezialisierte Arbeitskräfte sind gefragt. Im Zentrum der Ballung kann die ganze Vielfalt der modernen Welt erlebt werden. Die ganze?

Seitdem sich die bäuerliche Landwirtschaft zu einem Industriezweig entwickelt hat, der Arbeitsmittel auf den Weltmärkten einkauft und seine Produkte auf fernen Märkten absetzt, ist das Dorf Geschichte, der ländliche Raum wird seither als Peripherie beschrieben, als ein Komplex von Mängeln, dem wer kann entflieht. Tatsächlich ist im ländlichen Raum der Weg zu Angeboten der Daseinsvorsorge und zum Arbeitsplatz weit. Trotzdem gibt es viele Leute, die den ländlichen Raum als Wohnsitz bevorzugen. Wieso?

Vielgenanntes Motiv ist das eigene Heim. Die Familien-Wohnung mit Grundstück und Garten markiert einen eigenen Handlungsraum. Die von K. Forsthoff entwickelte Unterscheidung „effektiven“ bzw. „beherrschten“ Raums macht ein Defizit des Wohnens zur Miete und in dichter Blockbebauung klar: Zwar können die Stadtbewohner, die angeschlossen an ein perfektioniertes Verkehrsnetz inmitten einer Ballung kultureller und wirtschaftlicher Angebote leben, einen weiten effektiven Handlungsraum genießen. Sie müssen sich aber andererseits damit abfinden, dass ihr Betragen bis in die Wohnung hinein durch fein ziselierte Ordnungen und Vorschriften reguliert wird. Das eigene Grundstück als Lebensmittelpunkt mag eng sein, aber es bietet Möglichkeiten, den eigenen Alltag selbst zu bestimmen, und es hat eine klare Grenze nach außen.

Wer gebaut hat, sitzt im doppelten Sinn des Wortes fest, findet neben sich Nachbarn vor, und muss sich mit gegebenen Beziehungen arrangieren. Die Leute lernen sich kennen. Es entstehen lange, oft von der Wiege bis zum Grabe dauernde Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens. Ansässige Nachbarn benötigen Kulturtechniken des Miteinander-Auskommens und auch des wohlüberlegten Nicht-Einmischens in den abgegrenzten Bereich der Nachbarn. Positiv entwickelt sich Bereitschaft zur gegenseitigen Hilfe, Freundlichkeit und eine Technik des Wahrnehmens der Anderen, negativ Nachbarschaftsprozesse und lebenslange, sogar Generationen überspringende Feindschaften.

Ansässig sein – das bedeutet auch, in der Landschaft Platz zu nehmen. Darin bleibt die moderne Siedlung im ländlichen Raum dem alten Dorf ähnlich, das vor allem Flurgenossenschaft gewesen ist. Soziale Zusammengehörigkeit ergibt sich hier nicht nur aus Abstraktem, der Unterwerfung unter das gleiche Recht oder Ansprüche auf Leistungen. Die Landschaft, verstanden als eine Kombination von Naturgegebenem, Gebautem und ansässigen Leuten, integriert: Die öffentlichen Sachen werden „unsere Sache“, selbst verwaltet. Eingriffe äußerer Mächte, Politik oder Wirtschaft, werden nicht ohne weiteres akzeptiert.

Baulichkeiten zur Unterbringung Zuziehender, wie sie im 20ten Jahrhundert geplant wurden, trennen sehr oft den Menschen von der Landschaft. Der Garten oder Hof, der in der ländlichen Siedlung Grenzen und Brücken zur Nachbarschaft schafft, fehlt in diesen Siedlungen. Die Straßen und Grünanlagen sind funktional bestimmt, als Gestaltungsraum der Anwohner sind sie nicht gedacht. Dieser Mangel hat wohl auch zur Wiederbelebung des genossenschaftlichen Bauens und Wohnens bzw. anders finanzierten Formen des konzeptionellen Mietwohnungsbaus beigetragen, in denen Ansässigkeit, verfestigte Nachbarschaft und genossenschaftliche Nutzung eine tragende Rolle spielen.

Sozialtechniken, die das Leben im ländlichen Raum generiert, werden in den dicht gebauten Siedlungen neuerlich aufgegriffen. Das kann nur funktionieren, weil und soweit der verwaltete öffentliche Raum zu einem Sozialraum wird, an dessen Gestaltung die Anwohner mitwirken können.

Dieser Trend, für den es viele Anhaltspunkte gibt, birgt Chancen der Stadtentwicklung. Wenn man begriffen hat, dass Abstrakta wie „öffentlicher Raum“, „Freiraum“ oder „öffentliches Grün“ und „Anwohner“ eine Landschaft bilden, die Nachbarschaft ermöglicht, öffnen sich Perspektiven der Gestaltung. Man kann durchaus von einer Renaissance der kommunalen Selbstverwaltung sprechen, denn es geht um die Gestaltung von Gebieten.

Vielversprechend ist der Ansatz, solche Gebiete als Sozialraum und als Landschaftsraum auszubauen. Denn es ist die gemeinsame Umgebung – Naturgegebenes, Gebautes und auch Traditionen – die Verbindungen setzt. Diese Verbindungen herauszuarbeiten ist Sache demokratischer Planungsprozesse. Es zeichnet sich ab, dass die Konzeption von Freiräumen und von Wegen die Sache erleichtert oder erschweren, ja sogar verunmöglichen kann. Wege erschließen die unmittelbare Umgebung und verbinden mit Nachbarorten, mit dem Zentrum.

Wird der Planungsprozess in Verbindung mit den Nachbargemeinden geführt, kann eine Entwicklung gelingen, in der die verschiedenen Siedlungskerne, die in einer Metropolregion vorliegen, ihre spezifischen Eigenheiten herausarbeiten, anstatt von den Bedürfnissen der Ballung als Flächenreserve misshandelt zu werden.

In Zusammenarbeit mit ihren Nachbargemeinden im Norden hat die Landeshauptstadt München einen Planungsprozess für eine „landschaftsbezogene Wegekonzeption“ in Gang gesetzt. Mehrere Veranstaltungen münden in ein Gutachten (beauftragt: Börris v. Detten (freiwurf) / Henrik Schultz (Stein und Schultz), das um die Jahreswende vorliegen wird. Wir berichten weiter. Martin Fochler, München

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Nachrichten zum Thema: SieDlungsentwicklung und bürgerbeteiligung

04 „Achtung! Geldgier-Sperrgebiet-Seuchengefahr“. Hamburg-Eppendorf. Diese Schilder … kritisieren die verantwortungslose Politik der im Bezirk Nord regierenden Parteien SPD und Grüne und von Bezirksamtsleiter Rösler. Diese haben letztendlich zu verantworten, dass das über 200 Jahre alte Brauhaus und die über 80 Jahre alten drei Kastanien, zwei geliebte Wahrzeichen Eppendorfs, unwiederbringlich zerstört sind. Sie haben das alte Eppendorf den Investoren preisgegeben, indem sie es nicht durch gezielte Bebauungspläne und Milieuschutzverordnungen geschützt haben. Dies hatte die Linke in Fraktion und den Ausschüssen vergeblich versucht, meistens in nichtöffentlicher Sitzung … Die Öffentlichkeit darf nicht länger ausgeschlossen bleiben bei solch wichtigen Entscheidungen über die Entwicklung ihres Stadtteils. … Transparenz … muss gesetzlich verankert werden.“ www.linksfraktion-nord.de/

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05 Linke & Piraten fordern besseren ÖPNV und Radwege an der TU: Dortmund. Die Politik in Dortmund beschäftigt sich derzeit intensiv mit dem Campus-Gelände rund um die Technische Universität. Dank einer breiten Mehrheit im Rat von Linken & Piraten, SPD und Grünen werden die Betriebszeiten der H-Bahn künftig wieder auf Samstage ausgeweitet. Die Fraktion Die Linke & Piraten bereitet jedoch schon den nächsten Schritt vor: „Das kürzlich verabschiedete Campus-Konzept sieht den Wegfall weiter Teile der Parkplätze an der Technischen Universität (TU) vor … Sinnvoller sind der Ausbau des Radwegenetzes und der Leihrad-Stationen sowie mehr Lademöglichkeiten für Pedelecs.“ www.dielinke-dortmund.de

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06 Neuer Stadtteil – alte Fehler? Frankfurt a.M. Im Frankfurter Norden auf einem Areal beidseits der Autobahn A5, östlich der Stadtteile Niederursel und Praunheim soll ein neuer Stadtteil entstehen. Bisher haben Oberbürgermeister und Dezernenten die Pläne für den Standort vorgestellt. Eine Erschließung und Bebauung sollte nicht ohne die Beteiligung der Bürger*innen geschehen, warnt Yilmaz, planungspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke. im Römer. „Wir haben beim Innovationquartier gesehen, wie wichtig es ist, die Bürger*innen von Anfang an zu beteiligen … Die Stadt müsse sich im Klaren sein, was es bedeutet an einer Autobahn ein Wohngebiet auszuweisen … Vor allem sollte nicht wieder der Fehler gemacht werden, den Bau von Wohnungen Investoren zu überlassen. Die sind nur an ihren Profiten interessiert. Deshalb muss, wenn die Entscheidung für ein neuen Stadtteil getroffen wird, die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft ABG Holding mit Erschließung und Bau beauftragt werden. www.dielinke-im-roemer.de

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07 Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung vom Lankenauer Höft: Bremen. Der Gastronomiebetrieb Lankenauer Höft wurde Anfang des Jahres eingestellt. Der nach langer Suche gefundene neue Investor, der ein neues Konzept für das Areal erstellen wollte, ist abgesprungen und nun wird nach einer Alternative für die Belebung des für Woltmerhausen wichtigen Ortes gesucht. Die Ausschreibung und auch die Entscheidung lag bisher bei der Behörde. Dies möchte Mazlum Koc, Die Linke, geändert haben: „Die Bürger*innen Woltmershausens mit einbezogen werden, wenn solch ein wichtiger Ort in ihrem Stadtteil umgestaltet werden soll.“ www.dielinke-bremen-linksderweser.de

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08 Schwerer Brand in Bremerhaven-Lehe: Linke fordert Umsetzung des Wohnungsaufsichtsgesetzes… Zum Hintergrund: Medienberichten zufolge soll es sich um eine „Schrottimmobilie“ gehandelt haben, bei der das Wasser gesperrt war. In dem Haus sollen 40 v.a. bulgarische Zuwander*innen gemeldet gewesen sein. Drei Menschen wurden schwer verletzt, darunter zwei Kinder. Nelson Janßen, Bremerhavener Abgeordneter der Fraktion Die Linke, erklärt: „Nicht erst seit diesem Wohnungsbrand besteht in Lehe offenbar das Problem von teilweise überbelegten und unbewohnbaren Wohnungen, die eine reale Gefahr für die Bewohner*innen darstellen“. www.dielinke-bremerhaven.de

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09 Kreative Freiräume unterstützen! Kiel. Die Kieler Linke begrüßt die friedliche Besetzung auf der ehemaligen Kleingartenanlage Prüner Schlag. „Hier schaffen Menschen für sich und andere einen selbstverwalteten Freiraum und bieten gleichzeitig die Gelegenheit, alternative und kreative Ideen zum Leben in der Stadt frei zu denken und zu erproben“ … Mit Blick auf eine mögliche Räumung ergänzt Ratsherr Rudau: „Es gibt in meinen Augen keinen Grund, warum man die Besetzer*innen von der Fläche vertreiben sollte. Hier stören sie derzeit niemanden und richten auch keinerlei Schäden an. Und falls Möbel Kraft irgendwann in der Zukunft tatsächlich mit dem Bau eines Möbelmarktes auf diesem Gelände beginnen will und, anders als ursprünglich zugesagt, dafür die gesamte Fläche benötigt, ist die Stadt meiner Meinung nach gefordert, gemeinsam mit den Menschen der Wagengruppe eine andere geeignete Fläche zu finden. Vorsorglich sollte die Stadt möglichst bald auf die Besetzer*innen zugehen und Gespräche anbieten.“ www.dielinke-kiel.de/

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10 Für schnellere Beseitigung der Wohnungsmängel: Essen. Wer hält die Wohnungen nicht „in Schuss“ und in welchen Stadtteilen? Angesichts der Zunahme schwerer Mängel möchte die Ratsfraktion Die Linke von der Verwaltung wissen, wie diese die Mängel schneller als bisher feststellen kann. Momentan ist die Abteilung Wohnungsaufsicht im Ordnungsamt auf technische Amtshilfe durch das Baudezernat angewiesen. Dort herrscht aber Personalmangel, was zu Verzögerungen bei der Feststellung und Begutachtung der Mängel führt. „Diese Verzögerungen müssen im Interesse der Mieter abgestellt werden“, so die Fraktionsvorsitzende Gabriele Giesecke. „Denn wegen des angespannten Wohnungsmarktes können Mieter nicht so einfach umziehen, wenn ihr Vermieter die Wohnung verkommen lässt. Sie sind auf die Unterstützung der Stadt angewiesen.“ www.linksfraktion-essen.de

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11 Bezirksratsbeschluss begrüßt: Hannover. Die Ratsgruppe Linke und Piraten begrüßt den mit sehr deutlicher Mehrheit am 7. Juni 2017 vom Stadtbezirksrat Linden-Limmer gefassten Beschluss zum Neubau des Fössebades mit einem Freibad … Dem Beschluss zufolge soll es eine alternative Finanzierung mit einer Öffentlich-Öffentlichen Partnerschaft geben, das bisherige Fössebad-Personal bevorzugt von der Stadt Hannover im neuen Bad übernommen werden und das Veranstaltungszentrum Béi Chéz Heinz erhalten bleiben. Demgegenüber wollte die Verwaltung das „Heinz“ abreißen, den Bau mit einer sogenannten Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) realisieren und keine Job-Garantien für das derzeitige Badpersonal geben. www.linksfraktion-hannover.de

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12 Kampf um Yorktown: Schweinfurt. Platt gemacht werden sollte sie, die amerikanische Siedlung Yorktown-Village mit 68 Doppelhaushälften und einer funktionstüchtigen Schule. Denn die Pläne der Stadtverwaltung sahen vor, dort ein weiteres Gewerbegebiet anzusiedeln. Von Anfang an setzte sich die Linke konsequent dafür ein, das Wohnidyll an der Stadtgrenze zu erhalten und die Häuschen preisgünstig an Interessierte zu verkaufen … Ein monatelanges Gezerre war die Folge. Mit großer Mehrheit, gegen einige Stimmen von SPD mit Grünen, wurde schließlich dem Antrag der Fraktion der Linken zugestimmt. Mit Freude haben wir registriert, wie viele Familien sich um den Erwerb eines Häuschens beworben haben. www.dielinke-sw.de/links-buergerinfo

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