Quelle: Politische Berichte Nr. 6-7, Juni/Juli 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Buchvorstellung: „Kulturkampf von rechts – AfD, Pegida und die Neue Rechte“

Unter diesem Titel veröffentlichten H. Kellershohn und W. Kastrup vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) im Oktober 2016 einen Sammelband mit Vorträgen eines Kolloquiums des DISS vom Herbst 2015 zum Thema (Edition DISS Bd. 38/UNRAST-Verlag). Ergänzt wurden die Materialien durch einige neuere Beiträge u.a. zur Programmatik der AfD.

Im Vorwort wird der „Kulturkampf von rechts“ analysiert als „geistiger Bürgerkrieg“, der durch Überzeugung auf Gefolgschaft zielt. „… Das Denken möglichst vieler Menschen, ihre Lebensweise und Weltanschauung zu prägen, wird als Voraussetzung betrachtet, die politische Macht zu erringen: entweder auf den Wegen, die die bestehende Verfassungsordnung bereit stellt, oder, unter Umständen, wenn die staatliche Ordnung sich auflöst oder zerbricht, in einem realen Bürgerkrieg als ultima ratio“ (S. 6). Die „Kulturrevolution von rechts“ im Sinne Alain de Benoists (1985) versteht die Kultur als Feld, auf dem die Weichen für die Eroberung der politischen Macht gestellt werden. Die französische Nouvelle Droite hat mit einer Rezeption der Theorie Antonio Gramscis von rechts, (praktisch ohne klassentheoretische Inhalte) seine Schriften als Methode betrachtet, wie generell bestehende Machtverhältnisse geändert werden können. Gegliedert ist das Buch in vier Teile, denen jeweils Einführungen vorangestellt werden, die den Rahmen des Unterthemas abstecken.

Im ersten Teil („Neoliberalismus, völkischer Nationalismus und Konservative Revolution“) wird nach dem Zusammenhang zwischen Neo- bzw. Ordoliberalismus und dem völkischen Nationalismus als gemeinsamen ideologischen Nenner rechter Strömungen gefragt. Am Beispiel des als Kompromiss zwischen den verschiedenen Richtungen in der AfD begriffenen Grundsatzprogramms mit „nationalem Imperativ“ wird gezeigt, wie sich hier „neo(national)liberale Komponenten in der Nachfolge des deutschen Ordoliberalismus mit christlich-konservativen, völkisch-nationalistischen und direkt-demokratischen Positionen“ (S. 12) (ein plebiszitäres Präsidialsystem wie in der Weimarer Republik) verbinden. U.a. Walter Eucken, Alfred Müller-Armack, Wilhelm Röpke werden ebenso genannt wie Carl Schmitt. Herausgearbeitet wird auch die Flexibilität und Anknüpfungsfähigkeit des Neoliberalismus gegenüber rechten Ideologien, was durch seine Grundbestandteile wie Ungleichheit und Ungleichwertigkeit der Menschen möglich wird.

Der zweite Teil („Akteure“) beschäftigt sich dann mit der AfD, dem Institut für Staatspolitik, der Identitären Bewegung und Pegida. Die AfD hat quasi als „Staubsauger“ mindestens vier rechte Strömungen zusammengefasst: eine völkisch-nationalistische Strömung (aus der „Neuen Rechten“), eine neo(nationalliberale) (z.B. die Gruppe um Lucke), eine christlich-konservative bis fundamentalistische (Evangelikale, biopolitische Foren u.a.) und eine nationalkonservative, deutschnationale Strömung. Das Institut für Staatspolitik wird als „strategisches Zentrum“ der Neuen Rechten betrachtet, bei dem der Bezug auf die AfD zur Spaltung und schließlich Neuausrichtung unter Götz Kubischek führte. Der Beitrag zu Pegida beschränkt sich auf die „Rezeption in Wissenschaft und Medien“.

Im dritten Teil („Themen“) werden konkrete Erscheinungen und Ausdrücke des „Kulturkampfs von rechts“ untersucht. Am Beispiel einer Rede von Björn Höcke im Institut für Staatspolitik wird seine völkisch-rassistische Rhetorik analysiert, die u.a. von einer Unterscheidung eines „europäischen“ von einem „afrikanischen Reproduktionsverhalten“ ausgeht. Weitere Beiträge befassen sich mit Geschlechter- und familienpolitischen Positionen der AfD (gegen emanzipatorische Geschlechterpolitik /„Genderismus“ und für die „traditionelle Familie“), Verschwörungskonstruktion des „Lügenpresse“-Begriffs (verstanden als „paranoisch strukturierter Diskurs“) und einer Untersuchung, die antimuslimischen Rassismus als „systematisch verzerrtes Kommunikationsverhältnis“ begreift.

Der vierte Teil („Was tun?“) hinterlässt insgesamt einen inhaltlich etwas schwächeren Eindruck. Diskutiert werden hier diskursive Strategien im Umgang mit AfD u.a. Betont werden die Herausarbeitung linker Politik und bündnispolitische Gesichtspunkte am Beispiel der Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus“.

Insgesamt eine Veröffentlichung, die fast alle wesentlichen Aspekte zum Thema einbezieht und vor allem in vielen Beiträgen Grundlagen zu einer Kritik rechter Ideologie leistet. Johann Witte, Bremen (wjo)

Was ist das DISS? (Eigendarstellung) „Seit 1987 bearbeitet das DISS … brisante Themen wie Rassismus und Rechtsextremismus, Militarisierung und Nationalismus, Sozialstaatsabbau und Ausgrenzung von Minderheiten …Das DISS will dazu beitragen, Konstitutionsprozesse solcher Vorgänge zu erforschen. Dabei geht es … auch darum, positive Potenziale innerhalb der Gesellschaft zu entdecken. Der diskurstheoretische Ansatz … des DISS bietet …konstruktive Lösungsansätze“

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